#76 Der Mann mit den Blumen
Shownotes
Eine geheimnisvolle Akte, die in einem Kleiderschrank versteckt ist.
Ein Mann, dem ein Blumenstrauß aus der Hand fällt.
Und eine Reise, die nie stattfindet. Heute – bei Spurlos.
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Redaktion Sylvia Lutz Natalya Prokhorenko
Ton Migo Fecke (Soundhouse Tonproduktionen GmbH)
Eine Produktion der StellaLuisa GmbH In Zusammenarbeit mit Endemol Shine Germany und Rainer Laux Productions
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Transkript anzeigen
00:00:01: Eine geheimnisvolle Akte, die in einem Kleiderschrank versteckt ist.
00:00:05: Ein Mann, dem ein Blumenstrauß aus der Hand fällt und eine Reise, die nie stattfindet.
00:00:12: Heute bei Spurlos.
00:00:24: Na Sylvie, steckt es noch in die Knochen?
00:00:27: Na Julia, ein bisschen steckt.
00:00:32: Es steckt noch ein bisschen in dem
00:00:33: Knochen.
00:00:33: Ich finde, man sieht uns beiden an.
00:00:35: Migo guckt mitleidig rüber und fragend.
00:00:39: Migo, wir haben eine Reise gemacht, wenn einer eine Reise tut.
00:00:43: Ja.
00:00:44: Wir beide waren in Berlin beim Podcast-Fest treffen.
00:00:49: Genau.
00:00:50: Das war noch toll.
00:00:52: Das
00:00:52: war super.
00:00:52: Ein sehr launiger Abend.
00:00:54: Menschen, die man sonst nur hört, wie die Franka, Teruti
00:00:58: etc.,
00:00:59: die hat man dann alle mal getroffen.
00:01:00: Das war total schön.
00:01:01: Das war super.
00:01:02: Sehr, sehr schön.
00:01:04: Sehr, sehr spät.
00:01:07: Dann kam der nächste Tag.
00:01:08: Ja.
00:01:09: Du hattest weniger getrunken als ich und so bin ich dann auch in den Park gestartet.
00:01:15: Jetzt fliegen wir mal ganz geschmeidig zurück.
00:01:17: Wir mussten fliegen, weil wir eigentlich einen Termin dann schon wieder hatten.
00:01:21: Genau,
00:01:21: du hattest einen Anschlusstermin.
00:01:24: Ja, ja, wo fahren wir an?
00:01:26: Erstmal sind wir ganz, nicht locker-flockig, sondern ich relativ alkater.
00:01:30: Du ja wieder nicht, Frau Vernunft.
00:01:32: Hast du mich aufgepasst ein bisschen, ne?
00:01:34: Hast du sogar eine Sache, Nigo?
00:01:36: Was ist das?
00:01:37: Irgendwann fragst du, warum trinkst du Weinschorle?
00:01:39: Und sie dann,
00:01:41: wollt's
00:01:41: aufpassen?
00:01:42: Wer weiß, was passiert?
00:01:44: War im Nachgang
00:01:46: richtig gedacht?
00:01:46: Hallo, das hören hier, jetzt darf ich's ja wirklich sagen.
00:01:49: Weit über eine Million Menschen, der heißt sich mal im Riemen.
00:01:52: Mein Ruf.
00:01:54: Ich hatte Spaß.
00:01:57: Ich hatte Spaß.
00:01:58: So,
00:01:59: am Flughafen ging's mir ein bisschen dreckig, aber ich dachte, egal, es ging alles relativ schnell.
00:02:04: Eine Bemerkung beim Inchecken, da sind wir gar nicht so richtig drüber gestolpert, meinte die Dame am Schalter, sie sind aber früh dran.
00:02:11: Ja, dann dachte ich, so eineinhalb Stunden.
00:02:15: Dann sind wir da durch und irgendwann auf dem Weg zum Gate dachte ich, welches Gate ist es eigentlich?
00:02:20: Und dann stand da auf dem Boardingpass irgendwie was von neunzehn Uhr abends oder so.
00:02:25: Da war ich immer noch guter Dinge.
00:02:27: Wir sind wieder raus, ganze Security, wieder zurück, war schon ein bisschen aufwendig da, Berliner Flughafen.
00:02:35: Und wieder zu dieser Frau am Check-in.
00:02:38: Und dann haben wir gesagt, sie haben uns den falschen Boardingpass gegeben.
00:02:42: Dann sagte sie, ihre Maschine fällt aus.
00:02:45: Und
00:02:45: sie sind jetzt auf sieben Stunden später gebucht.
00:02:49: Auf jeden Fall haben wir dann beschlossen, mit dem Zug zurück
00:02:52: zu fahren.
00:02:52: Wir sind
00:02:53: ja flexibel, wir mussten nach Köln.
00:02:56: Genau, also ein Termin wegen der Suche.
00:02:58: Das ging jetzt nicht, musste jetzt nicht zum Nägel lackieren, sondern es ging um eine Suche, es ging um eine wahrscheinlich Zusammenführung.
00:03:05: Ich musste zurück nach Köln, deswegen da war ich dann schon ein bisschen alarmiert.
00:03:08: Da haben wir gedacht, egal, ICE, du bist ja der Totalfirma hier mit App und Snicky Schnacke.
00:03:14: Und wir so relativ engagiert zum Bahnhof.
00:03:18: Und da haben sich Szenen abgespielt.
00:03:20: So, das habe ich noch nicht gesehen.
00:03:22: Ich weiß noch, du standest oben.
00:03:23: Man schaut ja in Berlin runter auf die Gleise zum Teile.
00:03:26: Du standest oben und hast gesagt, ich gehe da auf keinen Fall runter.
00:03:30: Das kenne ich nur aus Mummbalken.
00:03:34: Wirklich?
00:03:35: Ja, man kann es so schwer beschreiben.
00:03:37: Aber das war Massen.
00:03:39: Und jetzt muss man sagen, ich bin gegen dich ein Zwerg.
00:03:42: Wir sind dann nämlich doch runter.
00:03:43: Ich bin ja bei allen gefühlt im Brusthöhe.
00:03:45: Selvi, du guckst ja über die Menschen.
00:03:48: Also es war tatsächlich ein bisschen so zum Panik kriegen.
00:03:52: Dann haben wir es aber geschafft in diesen Zug.
00:03:54: Ihr kennt solche Zugsehnen irgendwie aus.
00:03:57: Vom anderen Ende der Welt irgendwie, ich hab gedacht, ich muss mich außen so dranhängen.
00:04:01: Wir sind aber noch irgendwie in den Zug.
00:04:04: Und das war auch lustig.
00:04:05: In dem Zug sauseauser aus dem Formzug.
00:04:07: Ohne Platz.
00:04:08: Du hast auf deinem Köfferchen gesessen, irgendwo im
00:04:10: ... Vor einer Toilette und den Durchgang.
00:04:13: Was dazu führte, dass ich ... mich irgendwie sportlich betätigt habe, die ganze Rückfrage.
00:04:20: Ja, aber sehr süß, weil viele Leute dich angesprochen haben und mit der gesprochen haben und den Platz angeboten.
00:04:25: Großvideos wollten.
00:04:26: Großvideos haben die Plätze angeboten und so weiter.
00:04:28: Total.
00:04:29: Aber wir haben durchgehalten.
00:04:30: Auf dem Gang haben wir durchgehalten.
00:04:31: Total.
00:04:32: Und Fotos machen wollten und dann haben wir auch welche gesagt.
00:04:35: Ja, aber bitte ohne Brille.
00:04:36: Da habe ich gedacht, oh, das will er wohl auch gerne sehen.
00:04:39: Also... Dann sind wir trotz allem gut in Köln angekommen und obwohl das eine relativ beschwerliche und verrückte Reise war, haben wir aber so viele nette Menschen getroffen.
00:04:49: Unter anderem auch aus der Spurlos-Community.
00:04:51: Deswegen war das doch irgendwie doch ein schönes Ende.
00:04:53: dann, ne?
00:04:54: Ich muss sagen, ich fand es unterhaltsam.
00:04:59: Und heute erzählt uns Gabi ihre Geschichte.
00:05:03: Es ist die Geschichte einer Suche, die nicht nur deshalb schwer ist, weil sie voller Ungewissheiten steckt.
00:05:08: sondern weil es Menschen gibt, die sie ganz bewusst behindern.
00:05:12: Menschen, die schweigen, die verdrängen und die verhindern wollen, dass eine lange verborgene Wahrheit ans Licht kommt.
00:05:20: Und trotzdem gibt Gabi nicht auf, sie kämpft für ein Leben, in dem nicht starre Gehorsam und veraltete Moralvorstellen
00:05:28: zählen.
00:05:28: Das vor allem, ne?
00:05:29: Absolut, darum geht es, sondern Mitgefühl, Liebe und Menschlichkeit.
00:05:38: Eine Frau sitzt in ihrem Auto.
00:05:41: Sie fährt eine Strecke, die ihr sehr vertraut ist.
00:05:44: Denn jede Kurve, jeder Baum und jede Abbiegung ist ein Teil ihrer Kindheit.
00:05:49: Die Frau heißt Gabi.
00:05:51: Und sie fährt zu dem Ort, an dem sie aufgewachsen ist.
00:05:54: Und Gabi ist nervös.
00:05:56: Denn heute will sie antworten.
00:05:58: Antworten auf das, was vor langer Zeit geschehen ist.
00:06:02: Auf das, worüber nie gesprochen wurde.
00:06:06: Sie biegt in die Straße ein, in der ihr Vater lebt.
00:06:09: Ihnen will sie treffen.
00:06:10: Und dieses Mal wird sie sich nicht abweisen lassen.
00:06:14: Dieses Mal wird er sie nicht fortschicken.
00:06:17: Und dieses Mal wird sie bleiben.
00:06:19: Und zwar so lange, bis sie weiß, was damals passiert ist.
00:06:24: Gabi hält vor dem Haus, in dem sie so viele unglückliche Jahre verbracht hat.
00:06:29: Sie steigt aus dem Wagen und geht zur Eingangstüre.
00:06:33: Dann klingelt sie.
00:06:34: Ihr Vater öffnet.
00:06:36: Er ist überrascht.
00:06:38: Gabi betritt die Wohnung und setzt sich.
00:06:40: Sie nimmt all ihren Mut zusammen und stellt ihre Fragen.
00:06:45: Die Frage, auf die sie in all den Jahren nie eine Antwort bekommen hat.
00:06:50: Gabis Vater sagt nichts.
00:06:52: Er steht einfach da.
00:06:55: Ich bin schon sehr lange kein Kind mehr, sagt Gabi.
00:06:58: Und ich habe ein Recht auf die Wahrheit.
00:07:01: Ihr Vater schweigt.
00:07:03: Gabi ist nervös.
00:07:05: Der Sekundenzeiger der alten Uhr an der Wand scheint lauter zu ticken als sonst.
00:07:11: Ich habe ein Recht auf die Wahrheit, sagt Gabi noch einmal.
00:07:15: Ich habe ein Recht
00:07:15: darauf.
00:07:17: Gabi ahnt nicht, dass dieser Nachmittag einen ganz anderen Verlauf nehmen wird, als sie es sich vorgestellt hat.
00:07:25: Als sie die Wohnung ihres Vaters viele Stunden später wieder verlässt, ist die Sonne schon untergegangen.
00:07:31: Gabi geht zu ihrem Auto, das genau dort parkt, wo sie vor vielen Jahren als Kind Fahrradfahren gelernt hat.
00:07:39: Aber es geht jetzt nicht mehr um die Vergangenheit.
00:07:41: Es geht um die Zukunft.
00:07:44: Vor Gabi liegt jetzt eine Suche.
00:07:47: Es ist der Beginn einer Reise.
00:07:49: Nicht zurück, sondern endlich nach vorn.
00:07:52: Aber Gabi weiß, dass diese Suche schwierig wird.
00:07:56: Und dass es vielleicht schon zu spät
00:07:58: ist.
00:08:04: Gabi steigt also in ihr Auto und schaut noch einmal zurück auf das Haus, in dem sie aufgewachsen ist.
00:08:11: Und sie weiß ganz genau, weshalb sie jetzt mit ihrer Suche unter einem enormen Zeitdruck steht.
00:08:17: Der Grund dafür sind zwei Menschen, die immer trennen und auseinanderhalten wollten, was eigentlich ganz eindeutig zusammengehörte.
00:08:28: Man hätte uns mehr zusammenrücken müssen.
00:08:32: Es sind so viele Jahre, die fehlen einfach.
00:08:34: Nur,
00:08:35: weil Menschen eine falsche Moral, eine unschöne Moral.
00:08:40: Eine unschöne Moral, so beschreibt es Gabi und darüber wollen wir heute auch sprechen, denn es sind ja die Moralvorstellungen, in diesem Fall ihre Eltern gewesen, die es Gabi verwehrt haben, bei dem Menschen zu sein, den sie eigentlich ihr ganzes Leben lang vermisst hat.
00:08:59: Und Gabi hatte deswegen nie die Wahl, also die Entscheidung, ob dieser Mensch eine Rolle in ihrem Leben spielen darf oder nicht, die wurde ja einfach abgenommen von anderen, die dann geglaubt haben, also wir wissen es besser.
00:09:12: Und die in ihren starren Wertvorstellungen im Grunde immer nur an sich selber gedacht haben und vielleicht an die Leute sozusagen.
00:09:22: Und darum geht es heute übergeordnet eigentlich auch.
00:09:25: Also wie viel darf jemand über das Leben von anderen bestimmen?
00:09:30: Und wo endet eigentlich Fürsorge?
00:09:32: Und wo beginnt Fremdbestimmung?
00:09:35: Und auch die Frage, was ist das eigentlich moral?
00:09:38: Aber erstmal zu unserer Gabi.
00:09:40: und wir springen zurück.
00:09:42: Und zwar in die neunzehnhundertsechziger Jahre.
00:09:45: Und wir sehen ein kleines Mädchen mit braunen Locken und einer Zahnlücke und mit vielen Pflastern an den Knien.
00:09:51: und dieses Mädchen verbringt seine Sommerferien wie jedes Jahr bei den Großeltern.
00:09:57: Das Mädchen heißt Gabi und jeden Sommer fährt Gabi zusammen mit ihrem älteren Bruder Thomas zu Oma und Opa.
00:10:05: Und diese Wochen, die sie Jahr für Jahr dort verbringt, die sind in Gabis Erinnerung die glücklichsten und die unbeschwertesten Wochen ihrer gesamten Kindheit.
00:10:15: Und daraus lässt sich ja schon ein bisschen entnehmen, dass es bei Gabi ansonsten zu Hause viele Probleme gab und dass Gabi dort kein glückliches Mädchen war.
00:10:26: Aber bei diesen Großeltern, da kann sie immer durchatmen.
00:10:29: Denn hier haben sie und auch ihr Bruder eine Auszeit von der Schule und auch eine Auszeit von zu Hause.
00:10:36: Bei den Großeltern erwartet die beiden Geschwister ein richtiges Kinderparadies.
00:10:41: Wochen voller Wärme, Geborgenheit.
00:10:45: und einer Unbeschwertheit.
00:10:47: Eine Welt, die sie von zu Hause überhaupt nicht kennen.
00:10:51: Bei den Großeltern dürfen Gabi und Thomas nämlich einfach Kinder sein.
00:10:56: Das war wunderschön, das war wirklich wunderschön.
00:10:59: Viel Wald ist, wir wunden da so eigentlich ja am Ortsausgang, da schwammen die Gänse und die Hühner, das war eben sehr, sehr, sehr, sehr endlich.
00:11:09: Bei den Großeltern erleben Gabi und Thomas immer, wie es sich anfühlt, da wirklich ... Ernst genommen zu werden.
00:11:16: Hier fühlen sie sich gesehen und hier dürfen sie auch zeigen, was in ihnen steckt.
00:11:21: Ja, im Gegensatz zu Zuhause.
00:11:24: Sie hat es uns erzählt.
00:11:26: Sie haben sich da irgendwie oft so klein und irgendwie falsch war das Wort gefühlt, also wie Versager.
00:11:33: Sie scheinen da nie zu genügen und sie scheinen auch nie etwas richtig zu machen für die Eltern.
00:11:39: Also ein schlimmes
00:11:40: Gefühl,
00:11:41: so durchs Leben zu gehen als Kind.
00:11:43: Aber die Großeltern, die vertrauen diesen beiden Kindern und das spüren die.
00:11:47: Und die sehen auch ganz genau hin, um zu erkennen, was sie ihnen zutrauen können und was nicht.
00:11:53: Gabi und Thomas genießen die Freiheit, die klaren Regeln und vor allem das Gefühl hier einen festen Platz zu haben.
00:12:01: Hier bei den Großeltern dürfen sie mitbestimmen und mitsprechen.
00:12:05: Ihre Meinung zählt hier bei Oma und Opa wirklich und sie fühlen sich hier wertgeschätzt und akzeptiert und zwar genauso wie sie es sind.
00:12:13: Wie krass
00:12:13: es ist, dass wir immer wieder doch hören bei Geschichten von einer unglücklichen Kindheit, dass die Großeltern aber dann voll drauf haben.
00:12:21: Das war mir vorspurlos und bitte melde dich gar nicht so bewusst.
00:12:25: Das ist da so eine gute Generation von Großeltern in meinem Hintergrund bei vielen gegebenen
00:12:31: Art.
00:12:31: Ja, die so brecken in den Hafen sind.
00:12:33: Ja,
00:12:33: total.
00:12:35: Und deswegen lieben die beiden, also Gabi und Thomas natürlich ihre Großeltern von ganzem Herzen und fühlen sich da sehr verbunden.
00:12:41: Vor allem diese Oma, die ist für die beiden mehr als einfach nur eine Bezugsperson, die ist der sichere Hafen im Leben.
00:12:48: Und sie ist auch der einzige Hafen, den die beiden haben.
00:12:52: Denn Gabi sagt heute ganz deutlich, meine Oma, die war eigentlich meine Mama.
00:12:58: Wohlwollend zugewandt und in sich rund gemütlich.
00:13:01: so, meine Oma war eine Oma.
00:13:03: Kuschelig.
00:13:04: An der Kittelschirze oder an der Witzschirze
00:13:08: war die Oma.
00:13:10: Richtig schön.
00:13:11: So denke ich auch an meine Oma.
00:13:13: Kuschelig und gemütlich.
00:13:14: Das sind perfekte Worte, um eine tolle Oma zu beschreiben.
00:13:19: Aber dann am Ende der Schulferien heißt es natürlich immer Abschied nehmen.
00:13:24: Dann müssen Gabi und ihr Bruder Thomas wieder zurück nach Hause, zurück zu ihren Eltern.
00:13:31: Dort ist alles ganz anders als bei den Großeltern.
00:13:34: Das deutet sich ja schon an.
00:13:35: Dort ist nichts mehr leicht und nichts mehr kuschelig und nichts mehr aufmerksam und voller Vertrauen.
00:13:43: Meine Eltern lebten mehr mit sich neben uns ihr eigenes Leben.
00:13:50: Und wir hatten eben einfach zu hören.
00:13:54: Komisch, dass die so anders sind.
00:13:56: Ja, die Eltern hatten ein eigenes Leben.
00:13:59: Es ist ja auch so weit, erst mal in Ordnung, Eltern dürfen auch noch ein eigenes Leben haben.
00:14:04: Aber was nicht in Ordnung ist, ist eben diese Art und Weise, wie sie diese Kinder behandeln.
00:14:10: Gabis Eltern, sie heißen Ruth und Werner, sind sehr, sehr streng.
00:14:15: Und die beiden haben ganz klare Vorstellungen davon, was geht und was nicht geht und was hat zu sein und was ist richtig und was ist falsch.
00:14:24: Es wurde kein Widerspruch geduldet.
00:14:26: Wenn das gesagt war, war das so Punkt.
00:14:29: Also strenge bis hin zur Kälte.
00:14:32: Konsequenz.
00:14:35: Und wenn das nicht reichte mit worden, dann klatschte es auch.
00:14:40: Du kriegst es da eine gelangt.
00:14:42: Du musst es zu Hause bleiben.
00:14:45: Gaby und Thomas werden von diesen Eltern mit großer Distanz und Kälte behandelt.
00:14:51: Diese Eltern trauen diesen beiden Kindern einfach überhaupt nichts zu.
00:14:55: Ja, Ruth und Werner sind Eltern, die ihre Kinder gar nicht als eigenständige Persönlichkeiten wahrnehmen, die ihre Bedürfnisse und ihre Gefühle und ihre Träume überhaupt nicht ernst nehmen.
00:15:08: Gabi und Thomas werden oft übersehen.
00:15:11: Wenn Familienmitglieder zu Besuch kommen, dann essen immer alle Gäste mit ihren Eltern, also mit Ruth und Werner im Wohnzimmer, an dem großen Tisch.
00:15:21: Nur Gabi und Thomas nicht.
00:15:23: Die essen dann ganz allein in der Küche.
00:15:25: Ja, das kennt man aus früheren Generationen.
00:15:28: Es ist dann so dieser berühmte Kindertisch.
00:15:32: Ich finde auch grundsätzlich, ein Kindertisch kann auch was Schönes sein, wenn da mehrere Kinder sind und die sind dann so unter sich und das ist so eine liebevolle Geschichte, dann kann es ja auch was total cooles für die Kinder sein.
00:15:44: Mit zehn Kindern ist das lustig, mit zwei...
00:15:47: Total, ist es ausgrenzen.
00:15:48: Eine traurige Angelegenheit.
00:15:50: Gerade, ich finde, wenn da Familie zu Besuch ist, so wie sie es beschrieben hat, dann wäre es doch total wichtig, die Kinder da dazu zu holen, was jetzt nicht heißen soll.
00:15:59: was man ja heute auch manchmal kennt, dass das so überbordend in die andere Richtung geht.
00:16:03: Aber davon sind wir hier weit entfernt.
00:16:06: Also, die werden ja so an so einen Katzentisch abgeschoben.
00:16:11: Das ist ja auch die Familie der Kinder.
00:16:13: Und das sagt halt alles schon sehr viel aus über den Stand oder den Wert dieser Kinder, also von Gabi und Thomas in den Augen ihrer Eltern.
00:16:22: Also, hier läuft nichts im Sinne der Kinder.
00:16:26: Ja, wir werden später noch sehen, dass Gabis Eltern auch bei einem ganz anderen Thema gar nicht daran denken, im Sinne ihrer Kinder und ihrer Bedürfnisse zu handeln.
00:16:36: Und das wird allen Beteiligten noch zum Verhängnis werden.
00:16:40: Das wird in dieser Familie zu großen Zerwürfnissen führen, zu vielen verpassten Möglichkeiten und zu der bitteren Erkenntnis, dass es irgendwann zu spät ist.
00:16:50: Und für die Tatsache, dass Ruth und Werner ihre Kinder nie sehen oder überhaupt nicht ernst nehmen, werden alle Familienmitglieder im Laufe des Lebens noch einen ganz hohen Preis bezahlen.
00:17:02: Und dann sind da übrigens natürlich auch noch diese harten und brutalen Strafen, wenn einst der Kinder etwas falsch gemacht hat.
00:17:09: Also jede unbedeutende Panne, jeder kleine Fehler wird dort bestraft.
00:17:13: Und zwar ausgiebig und auch erniedrigend.
00:17:18: Es gibt da kein, heißt doch jetzt nicht so schlimm, oder kommen wir vergessen, das einfach kann jedem passieren.
00:17:23: Das gibt's halt nicht.
00:17:25: Und Gabi erinnert sich noch sehr gut an dieses Gefühl der Strenge ihrer Eltern und ihrer tagelangen Missbelegung völlig schutzlos ausgeliefert gewesen zu sein.
00:17:37: Angst.
00:17:38: Ganz viel Angst.
00:17:39: Und Rückzug in sich selber und nur raus.
00:17:44: Also das spüre ich heute manchmal noch so.
00:17:47: Raus gucken.
00:17:49: Wenn keine Gefahr lauert, wenn es weltfrei ist, die Angst, die ist etliche Jahrzehnte später erst dann weggegangen.
00:17:58: Bestraft wird immer, egal ob ein Kleidungsstück schmutzig geworden ist oder ob etwas zerbrochen ist.
00:18:05: Und die Zeit zwischen den Ferien, wenn es dann endlich wieder zur Oma geht, die kommt Gabi immer wie eine Ewigkeit vor.
00:18:11: Kann ich total verstehen.
00:18:14: Was Gabi dort am meisten lernt, hat sie uns erzählt und das finde ich so bezeichnend.
00:18:22: Nicht was du fühlst oder so oder wie du dich verhältst, es zählt.
00:18:26: Sondern es zählt einzig und allein.
00:18:28: Und da kommen wir ja auch schon ein bisschen in dieses Thema Moral.
00:18:32: Es zählt nur, was könnten andere über dich denken?
00:18:38: Es muss danach außenhin alles perfekt sein.
00:18:40: Drinnen, das wurde sogar geklärt.
00:18:42: Und da gab es keine.
00:18:43: Und da durfte auch nichts nach außen.
00:18:46: Nur in der Familie.
00:18:49: Ja, der Schein nach außen, der muss gewahrt werden.
00:18:52: Und es hat natürlich auch einen Grund.
00:18:54: Denn es gibt ein Geheimnis.
00:18:56: Die Eltern haben ein Geheimnis.
00:18:59: Und von diesem Geheimnis soll niemand etwas wissen.
00:19:02: Und Gabi ahnt von diesem Geheimnis natürlich nichts.
00:19:06: Sie versucht, innerhalb der Familie ihren Platz zu finden.
00:19:09: Und das ist gar nicht so leicht.
00:19:11: Zumal dann noch ein kleines Mädchen geboren wird, Gabis Schwester Simone.
00:19:16: Und Simone nimmt eine Sonderstellung ein unter den drei Kindern, denn sie ist das Lieblingskind ihrer Mutter, also das Lieblingskind von Ruth.
00:19:25: Und sie wird verwöhnt und verhetschelt, so formuliert das Gabi heute.
00:19:29: Aber wieso ist es eigentlich so?
00:19:31: Das gibt es ja schon immer wieder in so Familienstrukturen, dass das Nesthäkchen dann so einen ganz besonderen Platz einnimmt.
00:19:40: Grundsätzlich ist mir das klar.
00:19:41: Ich glaube, beim dritten Kind, also wir nehmen jetzt mal eine normale, liebende Familie beim dritten Kind, bist ja nicht mehr so streng.
00:19:48: Da denkst du, ja, ja, wir schon.
00:19:49: Das läuft dann mal so mit.
00:19:51: Und dann hat das so andere Grenzen.
00:19:53: Aber jetzt hier, das ist ja so ein totaler Unterschied.
00:19:56: Ja, ja.
00:19:58: Ungewöhnlich.
00:19:58: Ja,
00:19:59: jetzt kann man auch nicht sagen, ist man nicht mehr so streng.
00:20:01: Ja.
00:20:02: Das ist ja hier jenseits...
00:20:04: Ja, eine Normalität.
00:20:06: Also wie in so einem Märchen, weißt du?
00:20:08: Ja.
00:20:08: Aber da wären es dann die Stiefkinder oder so.
00:20:10: Aber das ist ja hier in Anfangszeit eine ganz normale Familie.
00:20:14: Seltsam.
00:20:15: Ja, aber zum Glück hat Gabi ihren älteren Bruder Thomas.
00:20:19: Und Gabi und Thomas, die sind unzertrennlich, die geben einander Halt und ja, die passen aufeinander auf.
00:20:27: Mein Bruder und ich, wir waren in der Freizeit stets zusammen, wir haben intensiv Sport gemacht.
00:20:34: Und unsere Eltern haben auch sehr viel Wert auf Bildung gelegt.
00:20:38: Wir mussten wirklich, wir haben extrem viel gelesen.
00:20:43: Wir haben ganz viel zusammen unternommen, wir haben heimisch geraucht.
00:20:47: Und meine Schwester war immer ein Stück außen vor, was mir und mein Bruder auch leitet.
00:20:56: Aber meine Mutter hatte sie unter ihren Fetischen.
00:21:01: Mir meine Schwester im Nachgang dann, bevor sie starb, auch gesagt hat, dafür habe ich euch gerast.
00:21:08: Das ist ja auch irgendwie hart.
00:21:09: Da bist du einerseits der Liebling, aber fühlst dich dadurch von den anderen ausgegrenzt.
00:21:15: Auch eine blöde Situation.
00:21:16: Ja, die anderen sind eine Einheit.
00:21:18: Und Simone findet keinen Anschluss an die Geschwister.
00:21:22: Denn während ihre Eltern gegenüber den älteren Kindern kühlfordernd und über alle Maßen streng sind, wird das Nesthickchen Simone in Watte gepackt.
00:21:31: Das haben wir ja schon gehört.
00:21:33: Sie ist das Kind, das alles richtig macht oder besser gesagt alles richtig machen darf.
00:21:38: Denn Simone wird von den Eltern vor allem von der Mutter behütet und umsorgt und mit einer Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit behandelt,
00:21:47: die
00:21:47: Gabi und Thomas völlig fremd
00:21:49: ist.
00:21:49: Also sie kann es die Mutter.
00:21:51: Nur nicht bei jedem.
00:21:53: Und Simone ist in den Ferien auch nie bei der Großmutter, also sie bleibt immer bei der Mama.
00:21:59: Gabi und Simone, diese beiden Schwestern, sind also sehr unterschiedlich.
00:22:03: Gabi beschreibt ihre jüngere Schwester Simone so.
00:22:07: Ich war immer so ein Püppchen und hatte ganz viele Lockungen und alles in blund, also blaue Augen, ein richtig süßes kleines Mädchen.
00:22:13: Und ich war eben sehr dunkel so Richtung meiner Oma.
00:22:22: Schwarze Haare und ich war eben ein Kind, das immer alles wissen wollte.
00:22:29: Ich habe auch nichts ausgelassen.
00:22:30: Ich habe probiert.
00:22:32: Ich habe probiert, solange bis es entweder kaputter oder funktioniert.
00:22:36: Ja, ich glaube, unterschiedlicher könnten Schwestern nicht sein.
00:22:41: Wir befinden uns jetzt im Jahr twohneinzehntseinzebzig und Gabi ist jetzt vierzehn Jahre alt.
00:22:46: Es ist Winter, draußen liegt Schnee und Weihnachten steht vor der Tür.
00:22:50: Das Haus von Ruth und Werner ist geschmückt und ein kleiner, schmaler Weihnachtsbaum steht schon im Wohnzimmer.
00:22:58: An mich erinnern, wir waren alleine zu Hause, die Eltern waren nicht da.
00:23:04: Und wie man so ist, mein Bruder hat in den Schränken geschnüffelt, ist nach Weihnachtsgeschenken.
00:23:15: Das weiß ich noch.
00:23:17: Und dann kam er raus und sagte, ich habe Unterlagen gefunden.
00:23:24: Ja, die beiden Kinder sehen sich an.
00:23:26: Was für Unterlagen fragt Gabi.
00:23:29: Und Thomas blickt um sich und dann deutet er seiner Schwester an, ihm zu folgen.
00:23:35: Und ohne ein Wort zu sprechen, ist er dann zu einem großen Kleiderschrank im Schlafzimmer der Eltern gegangen und hat da die Tür aufgemacht und hat dann ganz vorsichtig aus einer Schubla, dem Innern, einen dünnen Stapel Papiere herausgezogen.
00:23:52: sehr nervös durch die Seiten geblättert und hat noch was bestimmten gesucht und dann zieht er ein Blatt hervor und hat es Gabi gereicht.
00:24:01: Gabi nimmt dieses Blatt, sie ist aufgeregt und ihre Finger zieht dann ein bisschen und das Mädchen versucht die Zeilen zu lesen und sie erkennt die Wörter, ja, aber sie versteht überhaupt nicht, was sie bedeuten und sie flüstert.
00:24:15: Was soll das alles heißen?
00:24:17: Thomas sagt einem moment lang gar nichts.
00:24:20: Und dann sieht er seine Schwester an und seine Stimme, so erinnert sie sich, ist ganz leise.
00:24:25: Da steht, dass wir noch ein älteren Bruder
00:24:28: haben.
00:24:29: Gabi kann gar nicht richtig begreifen, was sie da eben gehört hat.
00:24:32: Ein älterer Bruder, ein Bruder, von dem sie all die Jahre überhaupt nichts wusste.
00:24:38: Und tausend Fragen schwirren durch ihren Kopf.
00:24:40: Wer ist dieser Bruder?
00:24:42: Und warum ist nie über ihn gesprochen worden?
00:24:46: Und dann mitten in diesem Erstaunen.
00:24:48: All diesen Fragen ist da auch plötzlich noch was ganz anderes.
00:24:53: Gabi fühlt eine seltsame Freude und eine ganz leise Sehnsucht.
00:24:58: Gabi war immer einsam.
00:25:00: Sie hatte niemanden außer ihrem Bruder Thomas und den Großeltern.
00:25:05: und plötzlich spürt sie so eine seltsame Verbindung zu diesem fremden Bruder.
00:25:12: von dem sie bis vor wenigen Minuten noch nicht einmal geahnt hat, dass es ihn gibt.
00:25:16: Ja, und genau diese Verbindung und diese Sehnsucht, die werden Gabi von diesem Moment an ihr Leben lang begleiten.
00:25:25: Ich empfinde für mein Bruder, ja, wie soll man das erklären?
00:25:31: Unbekannterweise, wie so eine Sehnsucht, so eine nicht kreibbare Sehnsucht.
00:25:44: Ich kann es nicht greifen.
00:25:47: Ich kann das nicht
00:25:48: greifen.".
00:25:50: An diesem Nachmittag in der Vorweihnachtszeit des Jahres, da ändert sich alles für Gabi.
00:25:56: Bis zu diesem Tag wusste sie gar nicht, dass sie einen Bruder hat, aber jetzt weiß sie es.
00:26:03: Und mit diesem Wissen ist plötzlich nichts mehr, wie es vorher
00:26:06: war.
00:26:09: Manchmal gar nicht so erklären, aber ich habe das bei Bitte Meldetich auch schon oft miterlebt und gespürt, weil man könnte jetzt eigentlich sagen, ja, aber sie hat doch einen Bruder, mit dem ist sie verbunden.
00:26:19: Aber gerade, wenn Menschen so eine sehr traurige Familiengeschichte haben, und wenn ich dann jemanden mitteile, da gibt es noch jemanden, ich spür das jedes Mal, das ist dann so eine besondere Sehnsucht.
00:26:35: So, es gibt noch mal die Chance auf was Heiles, auf was Gutes, auf das, wie man sich es vielleicht gewünscht hätte.
00:26:44: Und ich finde, das ist bei Gabi eben auch so.
00:26:47: Also das merkt man ja ganz deutlich.
00:26:49: Einfach die Chance darauf, vielleicht ist da noch jemanden, mit dem ich eben all das empfinde, was ich zuhause.
00:26:57: nicht empfunden habe und das kann ich auch gut nachvollziehen.
00:27:00: Wir hatten das Beispiel das ja schon mehrfach, aber es ist ja so, dass nicht jeder, gefunden mit seinem neuen unbekannten Bruder oder seiner Schwester Kontakt haben will.
00:27:10: Solche Geschichten hatten wir ja schon, haben wir ja schon erzählt.
00:27:12: Ja das stimmt, aber der Moment in dem jemand erfährt, dass es eben dann Geschwister gibt und dass diese Geschwister ihn suchen, der ist eben also in solchen speziellen Fällen Ganz oft was ganz einzigartiges und was sehr tief bewegendes.
00:27:28: Das ist so ein ganz unbekanntes Kapitel.
00:27:32: Doch wie es dann weitergeht, also wie diese Entscheidung fällt, ob der Kontakt dann wirklich zustande kommt, das steht natürlich nochmal auf dem anderen Blatt.
00:27:40: Das ist ein schwieriges Thema, denn es gibt viele Gründe, warum sich jemand dann auch entscheidet.
00:27:47: keinen Kontakt zu seinen Geschwistern aufzunehmen.
00:27:50: Auch auf Gründe, die in der Vergangenheit liegen, die oft schmerzhaft sind und die mit Traumata zu tun haben.
00:27:57: Aber zurück zu unserer Geschichte, also unsere Gabi, die hat jetzt mit ihren vierzehn Jahren dieses Gefühl erlebt.
00:28:04: Sie hat jetzt gerade erfahren, dass sie noch einen Bruder hat und dass es eben in dieser Familie sehr viel gibt, was da unter den Teppich gekehrt wurde.
00:28:14: Ja, und sie ist aufgeregt und glücklich und kann es gar nicht fassen, so wie du das auch eben beschrieben hast.
00:28:20: Aber so groß ihre Neugier und ihre Sehnsucht auch sind, Gabi zwingt sich, die Gedanken an ihren unbekannten Bruder erst einmal bei Seite zu schieben.
00:28:28: Sie hat nämlich viel zu viel Angst vor dem, was passieren könnte, wenn ihre Eltern erfahren, dass sie und Thomas heimlich in ihrem Kleiderschrank herumgesühlt haben.
00:28:37: Und dass sie dann auch noch Papiere aus diesem Schrank genommen haben.
00:28:40: Und sie weiß ja ganz genau, die kennt ja ihre Eltern.
00:28:43: Da werden eben Dinge nicht offen angesprochen.
00:28:45: Und wenn sie jetzt hingeht und sie es dann sozusagen die Überbringerin der schlechten Nachricht, weil das bedeutet das für die Eltern, wenn das entdeckt wird.
00:28:54: Und da sind wir wieder bei diesem Thema.
00:28:55: Was denken die anderen?
00:28:56: Dann gibt es wahrscheinlich die Strafe ihres Lebens.
00:28:59: Also beide Kinder schweigen, beide Kinder schweigen aus Angst.
00:29:04: Und es passiert, was immer in solchen Familien passiert.
00:29:08: Es wird weiter geschwiegen.
00:29:10: Und deswegen feiern diese Kinder dieses Weihnachtsfest ganz farig und zerstreut und müssen irgendwie mit sich selber verarbeiten, was sie da eigentlich gerade vor ein paar Tagen erfahren haben.
00:29:22: Nämlich es gibt dann noch jemanden.
00:29:24: Ja, an diesem Weihnachtsabend schweigen die beiden Kinder und in den folgenden Jahren schweigen sie auch.
00:29:30: Gabi wagt es noch nicht einmal, ihre Oma nach diesem unbekannten Bruder zu fragen, so groß ist ihre Angst vor einer Bestrafung.
00:29:37: Und es vergehen drei Jahre.
00:29:39: Drei Jahre, in denen Gabi sie ständig fragt, weshalb nie über ihren fremden Bruder gesprochen wurde.
00:29:46: Wer ist er?
00:29:48: Und warum wurde er aus der Geschichte der Familie gestrichen, als hätte es ihn nie gegeben?
00:29:54: Gabi ist jetzt siebzehn Jahre alt und manchmal denkt sie, dass sie sich diese Unterlagen im Kleiderschrank der Eltern vielleicht nur eingebildet hat.
00:30:03: Aber dann, ganz plötzlich, Gibt es doch Gewissheit.
00:30:07: Ja, denn in einem beiläufigen Nebensatz erwähnt Gabis Vater auf einmal diesen unbekannten Bruder.
00:30:13: Einfach so zwischen Tür und Angel, als wäre es nichts Besonderes.
00:30:17: Ob es ein Versehen war, ein unbedachter Versprecher oder ob ihr Vater ganz bewusst diesen Moment gewählt hat, um ja, eine Art von Wahrheit anzudeuten, das weiß Gabi bis heute nicht.
00:30:30: Nur eines ist in diesem Augenblick klar.
00:30:33: Dieser fremde Bruder, der ist real.
00:30:37: Mein Vater oder meine Eltern, es saßen mit uns im Wohnzimmer.
00:30:44: Wir haben Kaffee getrunken und dann hat während des Gesprächs das kommuniziert worden, so mit meinem Vater.
00:30:54: Aber er ist nicht in die Tiefe gegangen.
00:30:58: Diese ein, zwei Sätze wurden erwähnt und dann Gabi ist dann keine Auterung mehr dazu.
00:31:07: Aber damit gibt Gabi sich nicht zufrieden, denn sie spürt, das ist ihre Chance.
00:31:12: Und vielleicht auch die einzige Chance, noch irgendetwas zu erfahren über diesen fremden Bruder.
00:31:20: Wo ist er?
00:31:21: Wo wohnt er?
00:31:23: Ich habe keine Antwort bekommen.
00:31:26: Ende, mir gab es dazu nicht.
00:31:27: Es wurde erwähnt.
00:31:28: und am Schluss.
00:31:31: Das Geheimnis bleibt ein Geheimnis und Gabi denkt das erste Mal darüber nach, ob ihre Eltern eigentlich das Recht haben, ihr Informationen über diesen unbekannten Bruder vorzuhalten.
00:31:43: Sie fühlt sich, wir würden heute sagen, fremdbestimmt.
00:31:47: Ja, und obwohl sie ja schon bald volljährig ist, bestimmen diese Eltern ganz klar, wer zu ihrem Leben gehört und wer nicht.
00:31:55: Und Gabi hat das Gefühl, dass sie ein Recht darauf hat, ihrem Bruder kennenzulernen oder zumindest ja mal was über ihn zu erfahren.
00:32:02: Warum sprechen diese Eltern eigentlich nicht über dem Bruder?
00:32:06: Wissen wir, das gibt's da einen greifbaren Grund.
00:32:09: Das wissen wir nicht, aber... Es ist ja eigentlich offensichtlich, wie sehr Gabis Eltern, Ruth und Werner die Meinungen der Nachbarn und der Freunde am Herzen liegt.
00:32:18: Und Gabi hat das ja selbst beschrieben, nach außen musste alles perfekt sein.
00:32:23: Ein verschwundenes Kind würde in dieses so sorgfältig gepflegte Bild, das die Eltern von sich selbst vermitteln wollen.
00:32:30: sicherlich überhaupt nicht passen.
00:32:32: Ja, und somit sind wir wieder bei diesem Begriff Moralvorstellung.
00:32:36: Also Gabi hat es am Anfang gesagt eine unschöne Moral hatten, die diese Eltern, also diese Moral, die so ganz stark und star ist, dass sie sämtliche Träume und Sehnsüchte und Gefühle von Menschen in den Hintergrund bringt.
00:32:53: Ja, diese vermeintliche Moral nenne ich es jetzt mal, die bestimmt über Gabis Wunsch, ihrem Bruder kennenzulernen.
00:33:01: Und Gabi wird da letztendlich zum Opfer.
00:33:05: Die Menschen haben ja so oft leider falsche Vorstellungen von dem, was moral ist.
00:33:12: Die verschanzen sich hinter diesem Begriff und meinen sie, sie, sie, sie, weißte, sie verhalten sich sittlich korrekt.
00:33:19: Aber wenn man sich mit diesem Begriff mal näher beschäftigt, der so oft missbraucht wird, für eigentlich feiges Verhalten.
00:33:29: Weißt du selbe?
00:33:30: Wenn man sich also mit diesem Begriff beschäftigt, geht es in der Definition um Kernbegriffe wie Respekt, Verantwortung und Ehrlichkeit.
00:33:43: Das bezeichnet dem Moralbegriff näher.
00:33:46: So habe ich es nachgelesen, weil ich das so interessant finde, dass gerade früher leider Menschen sich so oft dahinter verstecken.
00:33:55: Und dieses Verhalten dieser Eltern, also so ein Geheimnis aus etwas zu machen, für das es sich aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen oder eben komischen Normvorstellungen wahrscheinlich schämen, das hat ja weder was mit Ehrlichkeit zu tun, noch mit Respekt den Kindern gegenüber, noch mit Verantwortung.
00:34:15: Denn das wäre ja genau das Gegenteil.
00:34:17: Verantwortliches handeln wäre ja, okay, wir setzen uns an den Tisch und sagen ... Wir müssen euch was erzählen.
00:34:24: Ihr seid jetzt acht und neun.
00:34:25: Was weiß ich?
00:34:26: Ihr seid jetzt alt genug und da gibt es etwas.
00:34:29: Das ist ein bisschen anders als bei anderen und das ist passiert.
00:34:32: Das wäre moralisch richtig.
00:34:35: So eine Mut zur Transparenz, dass man das einfach offen hat.
00:34:38: Da gehört
00:34:39: auf jeden Fall Mut dazu.
00:34:40: Das kennt jeder.
00:34:41: Es gibt manchmal unangenehme Dinge, die man mit den Kindern, mit den eigenen Kindern besprechen muss.
00:34:47: Ich finde es schade, dass das Wort moral so missbraucht wird oft, weil eigentlich ist moralisch Verhalten etwas sehr Gutes, wenn man sich auf den Kern des Wortes wieder besinnen würde.
00:34:59: Also
00:34:59: die Definition des Begriffs.
00:35:01: Total, also die Verhalten sich nicht moralisch, korrekt, die Verhalten sich unmoralisch und deswegen bekommen diese Kinder halt keine Antworten, er wird weggeschwiegen.
00:35:10: Ja, Gabi wird keine Antwort erhalten auf ihre Fragen nach ihrem Bruder, keine Erklärung und auch keine Informationen.
00:35:18: Ihre Eltern blocken alle ihre Fragen kategorisch ab, und zwar über viele, viele Jahre, und Gabi ist ganz allein mit ihrem Schmerz und mit ihrer Sehnsucht.
00:35:28: Ich wollte es wissen.
00:35:30: Ja, und es fühlte sich gut, noch ein Bruder zu haben außerhalb der Familie.
00:35:36: Und es gab da noch jemand, wo ich dachte, vielleicht hat man da einen besseren Zugang zu, zu dem Bruder.
00:35:45: Irgendwas war da, was schön war.
00:35:48: Siehst du, das meine ich mit der Erklärung, dass wenn man so einen Hintergrund hat, dann hat man da noch eine größere Sehnsucht.
00:35:54: Also sie sagt jemand, zu dem man einen besseren Zugang hat.
00:35:58: Das spüren wir.
00:35:59: Also Gabi leidet in dieser Familie.
00:36:01: Alles ist sehr schwer.
00:36:03: Und sie wünscht sich einfach noch jemand, ja eigentlich von außen, der vielleicht in der geliebten Familie aufgewachsen ist und der ja trotzdem zu ihr gehören würde.
00:36:11: Ja.
00:36:12: Und Gabi fragt jetzt doch ihre Oma, ob die vielleicht etwas über den verschwundenen Bruder weiß.
00:36:18: Aber die Oma kann ihr keine Auskunft geben, sie hat keine Informationen.
00:36:22: Vielleicht fühlt sich die Oma auch Gabis Eltern verpflichtet.
00:36:25: Ist das eigentlich die Mutter von ihm oder ihr?
00:36:27: Von der Mutter.
00:36:28: Die Mutter von Ruth.
00:36:30: Also vielleicht fühlt sie sich dafür pflichtet und sagt deshalb nichts.
00:36:33: Das wissen wir nicht.
00:36:34: Auf jeden Fall kommt Gabi gar nicht weiter.
00:36:37: Und Thomas kann der sich vielleicht an irgendwas Näheres erinnern, weil der hat ja die Urkunde genau gelesen.
00:36:40: Also als er sie da, ich glaube, war in twohundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.
00:36:52: Thomas glaubt, dass auf dem Blatt, das er gesehen hat, gar kein Name vermerkt war.
00:36:57: Vielleicht hat er ihn auch in der Aufregung übersehen oder hat es vergessen.
00:37:00: Er hatte ja Angst, denn er wusste ja, dass es auf diese Aktion unter Umständen Schläge geben würde.
00:37:06: Wie auch immer, Thomas kann nicht weiterhelfen.
00:37:09: Gabi ist jetzt achtzehn Jahre alt, sie hat die Schule beendet und sie träumt davon, Töpferin zu werden.
00:37:15: Sie liebt es zu nähen und zu stricken und vor allem liebt sie es mit Ton zu arbeiten.
00:37:20: In diesen Momenten fühlt sie sich immer lebendig und frei, so beschreibt sie das.
00:37:25: Ihre Eltern haben immer hohe Ansprüche gestellt, denen Gabi in ihrem Gefühl nie gerecht werden konnte, aber die Handarbeit und vor allem das Töpfern, das war immer ihre eigene Welt.
00:37:36: Doch aus dem Plänen Töpferin zu werden, wird leider nichts.
00:37:39: Und Gabi beginnt deshalb mit einer Ausbildung zur Krankenschwester.
00:37:44: Ich bin mit achtzehn ausgezogen und bin dann erst mal weg von der Familie.
00:37:50: Ich wollte mir selber was aufbauen, was eben, wo ich mich wohlfühlte.
00:37:55: Emotional wohlfühlte.
00:37:58: Gabi zieht also aus und sie fängt ganz neu an in jeder Hinsicht.
00:38:02: und die Ausbildung zur Krankenschwester, die anfangs wie eine Notlösung wirkte, die wird plötzlich zu etwas, dass Gabi mit ganz großer Freude erfüllt.
00:38:10: Wie cool für sie.
00:38:11: Ja, denn sie stellt fest, dass sie sehr gut und sehr begabt ist und sie lernt ein Gefühl kennen, das ihr bis jetzt völlig fremd war, nämlich gebraucht und gesehen und ernst genommen zu werden.
00:38:23: Und Gabi liebt es, dass sie als Krankenschwester Menschen helfen kann auf eine Art und Weise, die sie ja immer wieder neu berührt.
00:38:29: Gabis Bruder ist schon lange Vorgabi aus dem Haus ausgezogen.
00:38:33: Er wohnt weiter weg, er arbeitet oft an den Wochenenden und hat schon ganz bald eine eigene Familie.
00:38:40: Die beiden Geschwister sehen sich jetzt nur noch ganz selten.
00:38:43: Im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester Simone.
00:38:46: Überraschenderweise kommt die jetzt oft zu Besuch und die beiden jungen Frauen verstehen sich jetzt als junge Erwachsene wunderbar.
00:38:54: Wir sind mit einiger Verspätung dann doch noch richtige Schwestern geworden, sagt Gabi heute.
00:39:00: Die beiden jungen Frauen sprechen oft über ihren ältesten Bruder, dem unbekannten Bruder und sie stellen sich vor, wie er wohl ist, was er macht und ob er überhaupt weiß, dass es sie gibt, also ob er je von ihnen gehört hat und wenn ja, ob er vielleicht manchmal auch an sie denkt.
00:39:16: Sie malen sich aus, wie es wäre, Ihnen zu treffen, Ihren Bruder kennenzulernen.
00:39:20: Das wäre Ihr aller, aller größter Wunsch.
00:39:25: Im Jahr, und für Gabi bricht eine Welt zusammen.
00:39:30: Die Frau, die sie wie eine Mutter geliebt hat, die immer für sie da war, die ist plötzlich nicht
00:39:35: mehr da.
00:39:37: Ja, und kurze Zeit später wird Gabis Mutter rudschwer krank.
00:39:40: Die Ärzte haben keine Hoffnung, dass Rud sich wieder erholen könnte.
00:39:45: Und an einem Herbstnachmittag ist Gabi zu Besuch bei ihren Eltern und sie steht mit ihrer Mutter in der Küche, den Ruth kocht gerade des Abendessen.
00:39:54: Und plötzlich sagt die Mutter ganz unverhofft, wenn ich rückgängig machen könnte, was ich euch Kindern angetan habe, dann würde ich das tun.
00:40:02: Also ganz kurz, unmittelbar vor ihrem Tod gibt es jetzt so spät eine Bitte um Vergebung, diese so kühle und egoistische Mutter.
00:40:13: die nur einem einzigen ihrer drei Kinder eine wirkliche Mama sein wollte, nämlich ihrem Nesthäkchen der Simone, die bedauert jetzt fast am Sterbebett, wie sie mit Gabi und Thomas umgegangen ist.
00:40:26: Ja und Gabi denkt in diesem Moment an die Kälte und an die brutalen Strafen in ihrer Kindheit und sie erinnert sich an die Angst, die sie hier in diesem Haus in dem Haus ihrer Eltern immer hatte.
00:40:37: und daran, dass sie nie etwas wert zu sein schien im Leben ihrer Mutter.
00:40:41: Und in diesem Moment scheint ihre ganze Kindheit riesengroß in dieser Küche zu stehen.
00:40:45: Und Gabi weiß überhaupt nicht, wie sie mit diesem Schmerz umgehen soll, den sie gerade fühlt.
00:40:51: Also im Nachgang hat meine Mutter mal, die hat sich bei mir ganz doll entschuldigt und wir haben auch Frieden gefunden.
00:40:59: und so.
00:41:01: Gabi umarmt ihre Mutter in der Küche.
00:41:04: Sie vergibt ihr in diesem Moment mit dieser Umarmung all die Jahre der Distanz und der Kälte und der Angst.
00:41:10: Und die beiden Frauen verlieren nie wieder ein Wort über diese Entschuldigung, die Ruth gerade ausgesprochen hat.
00:41:16: Sie verbringen die letzten Monate, die Gabis Mutter noch bleiben in großer Verbundenheit.
00:41:20: Und als Ruth stirbt, trauert Gabi ganz ehrlich um ihre Mutter.
00:41:24: Ich finde es total schön und ich habe auch großen Respekt davor, dass Gabi das gelingt.
00:41:30: das Verzeihen, weil es ist ja der letzte Wunsch der Mutter.
00:41:35: Und ich glaube, dass es vor allem für sie selber ja sehr heilsam ist, so auseinanderzugehen dann.
00:41:44: Ich würde aber genauso gut nachvollziehen können und hätte nicht weniger Respekt vor ihr, wenn Gabi das nicht geschafft hätte.
00:41:57: Es gibt diesen Spruch, keine Versöhnung am Sterbebett.
00:42:00: Und lange Zeit, früher konnte ich damit gar nichts anfangen.
00:42:03: Aber mittlerweile verstehe ich das so, dass das eigentlich eine Mahnung sein soll, dass man zu Lebzeiten, also sich frühzeitig mit seinen Beziehungen und mit seinen Konflikten auseinandersetzen.
00:42:18: soll und Dinge klären soll.
00:42:20: Und nicht erst in der letzten Minute auf die letzten Meter.
00:42:23: Also
00:42:24: ich will jetzt gar nicht über die beiden reden, weil ich finde es wunderschön und dass sie dann auch noch so eine kurze Zeit hatten.
00:42:30: Mir geht es um einen allgemeinen Gedanken dazu.
00:42:33: Ich finde es manchmal nicht so ganz fair, auch wenn ich mich jetzt auf gefährliches Terrabe begegne mit der Aussage, aber ich finde es manchmal von Sterbenden, die vielleicht zu Lebzeiten über lange, lange Zeit und Jahre großes Unrecht begangen haben.
00:42:48: Manchmal finde ich, dass von denen nicht so ganz fair sich in dieser Situation das noch so zu erbitten, die Verzeihung.
00:42:58: dir bleibt ja fast nichts anderes übrig auf der anderen Seite als zu verzeihen, weil das natürlich so eine fatale Situation ist, die auch keinen anderen Ausweg und keine andere Zukunft zulässt.
00:43:14: Also es kann überhaupt keinen Versöhnungsprozess geben.
00:43:18: Du musst dann eigentlich verzeihen, weil du dann das Gefühl hast, sonst lade ich ja ganz große Schuld auf mich.
00:43:27: Und das finde ich in manchen Fällen habe ich dazu eine andere Meinung.
00:43:32: Wie gesagt, ich möchte jetzt nicht über Gabi da urteilen und über diesen Fall reden, aber ich finde, es gibt manchmal auch so großes, über Jahre großes Unrecht, dass man auch die Möglichkeit hat und auch das Recht für sich selber zu sagen, ich schaffe das aber nicht zu verzeihen, selbst in dieser Situation nicht.
00:43:53: Und ich finde, dann ist man auch nicht unbedingt der schlechtere Mensch.
00:43:58: Es ist gut für einen, wenn man schafft, aber man muss sich auch nicht in jedem Fall krämen, wenn es nicht gelingt, auch in solch einer Situation nicht.
00:44:07: So würde ich das sagen.
00:44:09: Das war mir ein Anliegen.
00:44:11: Was ich mir hier gewünscht hätte, wäre, dass die Mutter es in dieser letzten Zeit vielleicht noch intensiver geschafft hätte, mit Gabi über die Vergangenheit zu sprechen, über Familiengeheimnisse.
00:44:24: Das hätte ich mir für Gabi gewünscht.
00:44:26: Ja,
00:44:26: aber Gabi erfährt überhaupt nichts.
00:44:29: Über ihren Bruder.
00:44:30: Und in Gabis Leben hat sich inzwischen ganz viel verändert.
00:44:34: Sie ist verheiratet und sie hat zwei Kinder.
00:44:36: Sie ist glückliche Ehefrau und Mutter und zwischen sie ihren Ehemann und ihre beiden Kinder passt, so sagt sie es, kein Blattpapier.
00:44:44: Gabi ist eine liebevolle und aufmerksame Mutter, eine Mutter, die ihre Kinder sieht und sie ernst nimmt und die ihnen auch etwas zutraut.
00:44:51: Ja, und da sind wir wieder bei dem Gedanken, egal was du erlebt hast im Leben, du kannst dich trotzdem an irgendeinem Punkt vielleicht frei dafür entscheiden, was du für ein Mensch wirst.
00:45:04: Den liebe ich den Gedanken, weil der einem noch so eine Wahl lässt.
00:45:08: Gabis Vater spricht immer noch nicht über den unbekannten Bruder, warum das weiß niemand und werner erklärt und begründet sein Schweigen auch nicht.
00:45:17: Alle drei Geschwester, also Gabi, Thomas und Simone, wollen ihren Bruder kennenlernen, aber der Vater schweigt.
00:45:24: Und so geht wertvolle Zeit verloren.
00:45:26: Ja, und wie wertvoll diese Zeit ist, das stellt sich aus.
00:45:32: Gabis, jüngere Schwester Simone, wird sehr, sehr krank.
00:45:35: Simone lebt inzwischen in Hamburg, etwa vierhundertfünfzig Kilometer von Gabis Wohnort entfernt.
00:45:41: Gabi arbeitet immer noch im Krankenhaus, die Kinder sind inzwischen schon erwachsen und sind alle aus dem Haus.
00:45:47: Und als Gabi von Simonis Krankheit erfährt, zögert sie keine Sekunde.
00:45:51: Für Gabi ist klar, sie wird für ihre Schwester da sein.
00:45:55: Also organisiert sie ihr Leben komplett neu.
00:45:58: Zwei Wochen im Monat arbeitet sie weiter im Krankenhaus und die anderen zwei Wochen fährt sie nach Hamburg, um Simone zu pflegen.
00:46:06: Gabis Ehemann unterstützt seine Ehefrau, die nun jedes Wochenende hin und her pendelt.
00:46:11: Eine Woche lebt sie in Hamburg und kümmert sich um Simone und in der nächsten Woche ist sie wieder zu Hause bei ihrem Mann und dann geht es in der folgenden Woche erneut nach Hamburg zu Simone.
00:46:21: Lieben heißt einfach machen, davor zieht den Hut.
00:46:25: Ein ganzes Jahr lebt Gabi in diesem Wochenrhythmus immer von Freitag zu Freitag.
00:46:29: Sie sagt selbst, dass das oft schwer war und wir dürfen nicht vergessen, wenn Gabi zu Hause bei ihrem Mann war.
00:46:35: dann war das ja keine Woche Auszeit oder Erholung, dann hat sie ja noch jeden Tag im Krankenhaus gearbeitet.
00:46:42: Im Herbst, zwei Tausend neunzehn, stirbt Simone und Gabi ist tief erschüttert.
00:46:47: Die beiden Schwestern waren über all die Jahre seit Gabis Auszug von zu Hause unzertrennlich gewesen und geworden.
00:46:54: Gabi fühlt eine große Lehre in sich und Simone's Tod reißt eine Lücke in Gabis Leben, die sich nicht mehr schließen lässt.
00:47:05: Neben ihrer Trauer über den Verlust der Schwester bewegt Gabi aber noch etwas.
00:47:09: Simone hatte sich zeitlebens immer gewünscht, ihren vermissten Bruder kennenzulernen.
00:47:15: Und nun ist Simone's letzter Herzenswunsch unerfüllt geblieben.
00:47:19: Ja, es ist kostbare Zeit verstrichen, weil Menschen nicht sprechen wollten, sondern sich an diese Moralvorstellung geklammert haben, an dieses Bild von der heilen Familie.
00:47:32: und weil da wahrscheinlich auch wieder ganz viel Scham ist und weil dann schweigen immer der vermeintlich einfache Weg ist und weil sie auch denken, das ist ja ihre Geschichte und ihre Sache und nicht die Geschichte der Kinder und die haben da jetzt keinen Recht drauf, das zu erfahren.
00:47:49: Gabi weiß, dass sie jetzt handeln muss.
00:47:51: Es darf jetzt einfach nicht noch mehr Zeit vergehen.
00:47:54: Gabi hat diesen unbekannten Bruder niemals vergessen.
00:47:59: Und jetzt, nach dem Tod der Schwester, wird ihre Sehnsucht immer größer.
00:48:04: Gabi setzt sich in ihr Auto und fährt zu ihrem Vater.
00:48:07: Denn sie hat Angst, dass es irgendwann zu spät sein könnte für die Suche nach ihrem Bruder.
00:48:12: Gabi möchte ihrem Vater jetzt die Fragen stellen, die er nie beantwortet hat.
00:48:17: Und sie ist entschlossen, sein Haus nicht zu verlassen, bis sie weiß, wer ihr Bruder ist.
00:48:23: Jetzt ist der Moment gekommen, die Karten auf den Tisch zu legen.
00:48:26: Ja und dementsprechend aufgebracht steht sie wenig später vor der Haustüre des Vaters und sie klingelt.
00:48:33: Ihr Vater Werner öffnet die Tür, Gabi begrüßt ihn und sie folgt ihm nach drinnen und dann spricht sie.
00:48:40: Sie konfrontiert ihren Vater direkt mit ihren Fragen.
00:48:43: Und sie erwartet von ihm Ausflüchte, Wut, vielleicht auch Schweigen, wie immer.
00:48:48: Und dann geschieht aber etwas, womit sie überhaupt nicht gerechnet hat.
00:48:52: Ja, denn Gabis Vater, der immer so unerbar gewirkt hat und so stark und so hart, der bittet seine Tochter plötzlich um Verzeihung.
00:49:01: Und er bedauert zutiefst, dass er in Gabis Kindheit nie für sie da war und dass er ein so strenger und so abweisender Vater war.
00:49:10: Mein Vater sagt, Kind, was dir euch so ... Gabi wird das nicht mehr machen.
00:49:16: Gar nicht.
00:49:18: Die nehmen das alle mit ins Grab.
00:49:20: Also auch mein Vater ist mit seinen Lohen sich, der nimmt das, was er seinen zwei großen Kindern so, das nimmt er mit.
00:49:27: Jetzt hat er auch gesagt.
00:49:29: Gabi ist berührt.
00:49:31: Für einen Moment kann sie gar nichts sagen.
00:49:33: All diese vielen Jahre voller Angst, voller Verletzung und Nichtachtung stehen plötzlich wieder vor ihr.
00:49:40: Sie erinnert sich an dieses Gefühl, nichts zu können und nichts richtig zu machen, aber dann sieht sie ihren Vater an und sie verzeiht ihm.
00:49:47: Und ja, an diesem Tag versöhnen sich Gabi und ihr Vater Werner.
00:49:51: Stark.
00:49:52: Und Werner ist dann endlich bereit, über Gabis verschwundenen und geheim gehaltenen Bruder zu sprechen.
00:49:59: Zum ersten Mal.
00:50:00: Gabi kann es kaum fassen.
00:50:02: Vor seiner Ehe mit Gabis Mutter Ruth, so erzählt das Werner, lebte in einer anderen Stadt.
00:50:07: Und dort war mit einer anderen Frau zusammen.
00:50:10: Und dann wurde diese Frau schwanger.
00:50:14: Als ich ihn gefragt habe, saßen wir wirklich schön beieinander.
00:50:18: Und er hat mir auch geantwortet, ja, er hat erzählt, dass er eben diese Frau, er wollte auch mit ihr zusammenbleiben, aber die Frau wollte das nicht.
00:50:27: Und er hat auch das Kind nie gesehen.
00:50:31: Ja, dann ist die Beziehung auseinandergegangen.
00:50:34: Gabis Vater hatte also einen unehrlichen Sohn aus einer Beziehung vor seiner Ehe mit Gabis Mutter Ruth.
00:50:40: Offensichtlich hatte er nie Kontakt zu diesem Sohn, er hat ihn nie gesehen, denn die Mutter des Kindes hatte, so erzählte es ja, jeden Kontakt unterbunden.
00:50:48: Das ist also dieses Geheimnis, konnte man ja auch hier schon auf dem Weg erahnen.
00:50:53: Ein vorähliches Kind.
00:50:57: Auch wenn es andere Zeiten waren, das sollte auf gar keinen Fall ein Grund sein, diesen Menschen geheim zu halten und Geschwistern nicht zu ermöglichen, sich zu sehen.
00:51:06: Über den Tod einer Schwester hinaus.
00:51:09: Werner kennt den Namen seines Sohnes und er hat eine Vermutung, wo er geboren wurde, aber das Geburtsdatum kennt er nicht.
00:51:17: Werner hat niemals versucht Kontakt zu diesem Kind aufzunehmen.
00:51:21: Zu dem Kind, das jetzt plötzlich auch einen Namen hat.
00:51:25: Rolf.
00:51:25: Gabis Bruder heißt Rolf.
00:51:28: Die Unterlagen in dem Kleiderschrank, das waren Informationen für Unterhaltszahlungen.
00:51:32: Werner hat nämlich bis zur Volljährigkeit seines Sohnes Unterhalt bezahlt.
00:51:36: Ja, wow, meine ich ironisch.
00:51:39: Aber
00:51:39: das ist nun über vierzig Jahre her, die Unterlagen existieren nicht mehr und es ist auch fraglich, ob dort überhaupt weitere Informationen enthalten waren.
00:51:48: Für Gabi ist das jetzt der Startschuss.
00:51:50: Sie ist jetzt sechzig Jahre alt.
00:51:52: Es liegen so viele Jahre des Schweigens hinterher.
00:51:55: Aber jetzt, mit der Spätenreue und der neuen Offenheit des alten Vaters, da ist der Weg
00:52:02: frei.
00:52:03: Ich habe angefangen, mein Bruder zu suchen mit einem Gespräch mit meinem Vater.
00:52:07: Dass ich meinen Vater um Erlaubnis gefragt habe, ob er damit einverstanden ist.
00:52:13: Er hat gesagt, Mädchen, mach das.
00:52:16: Und mein Vater konnte mir aber nur den Namen nennen und so den Richtwert seines Geburtsterminens.
00:52:26: Was denkst du, was Gabi gemacht hätte, wenn er dazu Nein gesagt hätte?
00:52:29: Sie hat uns erzählt, dass sie natürlich auch gesucht hätte, wenn ihr Vater Nein gesagt hätte.
00:52:34: Aber sie wollte ihn einbinden in die ganze Sache, denn es ging ja nicht nur um ihrem Bruder, sondern auch um seinen Sohn.
00:52:40: Ja.
00:52:41: Sie wollte, glaube ich, da was zum Klingen bringen in ihm und das scheint ja zu glücken.
00:52:47: Es sind nur sehr wenige Informationen, mit denen Gabi jetzt loszieht.
00:52:51: Sie kennt den Namen ihres Bruders und den Namen seiner Mutter und sie weiß von ihrem Vater, in welcher Straße seine ehemalige Freundin damals gewohnt hatte.
00:53:00: Ihr Vater hat ja eine Straße genannt, aber keine Hausnummer.
00:53:04: An dir erinnert er sich nicht mehr.
00:53:06: Gabi wählt jetzt alte Telefonbücher, sie durchforstet Online-Archive und sie fragt in verschiedenen Foren online nach.
00:53:14: Außerdem forscht sie vor Ort in Kirchenbüchern, aber von ihrem Bruder Rolf fehlt jede Spur.
00:53:21: Es kommt Gabi vor, als hätte er nie existiert.
00:53:25: Gabis Ehemann schlägt ihr deshalb vor sich an bitte melde dich und an dich zu wenden, aber Gabi will das auf gar keinen Fall.
00:53:32: Sie hat Sorge, dass sie von uns vielleicht nicht ernst genommen wird.
00:53:35: oder dass sie etwas falsch machen könnte.
00:53:38: Hä?
00:53:39: Also meinst du, sie hat Angst gehabt vor mir oder vor uns oder wie?
00:53:43: Sie hat schon Respekt gehabt vor dir.
00:53:44: Aber wieso vor mir?
00:53:45: Also vor mir muss sie doch keine Angst haben oder Respekt oder was?
00:53:48: Ja,
00:53:48: sie hat gedacht, du bist ein Journalistin und sie muss dir schreiben und das schafft sie vielleicht nicht fehlerfrei oder mit den richtigen Formulierungen.
00:53:58: Also sie hat keine Angst gehabt, aber vielleicht Respekt würde ich sagen.
00:54:02: Aber ihr Ehemann, der hat sie gedrängt, die endlich zu schreiben und dann hat sich Gabi schließlich doch noch an den Schreibtisch gesetzt.
00:54:12: Das weiß ich noch genau.
00:54:13: Ich habe bei dem Schreiben im Büro gesessen hier bei uns und habe gedacht, du darfst keine Rechtschreibfehler, du musst die Sätze ordentlich formulieren, du schreibst auch noch Journalisten.
00:54:29: Das habe ich gedacht.
00:54:31: Mehr
00:54:31: nicht.
00:54:33: Ach, Gabi.
00:54:35: Ach mein Gott, das beschämt mich richtig.
00:54:36: Ich mach selber so viel Fehler.
00:54:39: Der Brief kommt bei uns an.
00:54:40: Es sind ein paar Seiten und natürlich ohne einen einzigen Fehler.
00:54:44: Als wir den Brief lesen, ist ganz schnell klar, diese Frau wollen wir kennenlernen.
00:54:49: Du möchtest persönlich mit ihr sprechen und über ihre Eltern und über ihre Geschwister Thomas und Simone sprechen und vor allem über all das, was Gabi unternommen hat, um ihren verschwundenen Bruder Rolf zu finden.
00:55:03: Du läst Gabi also nach Köln ein, ein Termin steht schnell fest und Gabi freut sich auf das Gespräch mit dir.
00:55:09: Ja, aber zwei Tage vor diesem Termin ruft Gabi uns an.
00:55:15: Ich kann sagen, es wurde nichts draus, dass ich nach Köln gefahren bin, was ich dann herausstellt, dass ich sehr schwer herzkrank war, was ich nicht wusste.
00:55:26: Und damit wurde sofort eine Therapie eingeleitet.
00:55:30: Was Gabi hier so nüchtern beschreibt, das ist in Wirklichkeit sehr dramatisch.
00:55:34: Gabi hatte schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass mit ihrem Herz irgendwas nicht stimmt und nun muss sie direkt in die Klinik.
00:55:40: Die Situation ist sehr ernst und Gabi sagt zu uns, ich habe das Gefühl, dass es das jetzt mit mir war.
00:55:48: Ob das alles gut ausgeht, das weiß zu diesem Zeitpunkt niemand.
00:55:52: Natürlich hatten wir in der Redaktion alle in dem Moment denselben Gedanken.
00:55:56: Also es war so viel Zeit verstrichen, so viele Jahre, viel zu viel Zeit schon.
00:56:01: Gabi Schwester Simone war mittlerweile verstorben, ohne den Bruder je kennengelernt zu haben und nun war Gabi selbst im Krankenhaus.
00:56:09: Es war sehr ernst und wir wussten, dass ihr Zustand sehr kritisch ist.
00:56:13: Ein aufschiebener Sucher, also irgendwann später vielleicht, das kam für uns jetzt gar nicht mehr in Frage.
00:56:18: Nein.
00:56:20: Diese Suche hatte Jetzt ganz große Dringlichkeit.
00:56:24: Wir wollten Gabi diesen Wunsch erfüllen.
00:56:26: Den Wunsch, dem Bruder kennenzulernen oder jedenfalls eine Gewissheit darüber zu haben, was mit ihm geschehen ist oder ob es ihm gut geht.
00:56:34: Wir beschlossen also sofort mit der Suche nach Gabis Bruder Rolf zu beginnen.
00:56:38: Allerdings standen uns nur sehr wenige Informationen zur Verfügung.
00:56:42: Gabi hatte bereits versucht Rolf zu finden, ohne Erfolg.
00:56:46: Es gab lediglich einen einzigen Hinweis, an dem wir uns orientieren konnten.
00:56:50: Doch selbst dieser war äußerst wage und er ließ viele Fragen offen.
00:56:57: Wir kannten den Vor- und den Nachnamen von Gabis Bruder Rolf.
00:57:01: Aber wir hatten kein Geburtsdatum.
00:57:03: Wir wussten nicht einmal, in welchem Ort Rolf zur Welt gekommen war.
00:57:07: Denn zum Zeitpunkt seiner Geburt hatte sein Vater Werner schon keinen Kontakt mehr mit Rolfs Mutter.
00:57:13: Werner kannte auch noch den Namen von Rolfs Mutter.
00:57:17: Aber er wusste nicht mehr, wann sie geboren worden war oder woher sie stammte.
00:57:22: Was Gabis Vater aber im Gedächtnis geblieben war, war der Name der Straße, in der Rolfs Mutter gelebt hatte, als er noch mit ihr zusammen war.
00:57:31: Das alles war zu wenig, um die Hilfe der Elternanspruch zu nehmen.
00:57:34: Das war uns klar.
00:57:36: Deshalb beschloss ich vor Ort nach Rolf zu suchen.
00:57:39: Und nach Spuren seiner Mutter.
00:57:41: Ihre Vor- und Nachnamen waren in Kombination mit der alten Adresse unsere einzige Chance.
00:57:47: Wenige Tage später stand ich in der Straße, in der Rolfs Mutter irgendwann in den fünftiger Jahren gelebt hatte.
00:57:54: Es war eine recht lange und belebte Straße mit einem Friseur-Salon und einem kleinen Autohaus und einer Bäckerei an einer Kreuzung.
00:58:01: Ich begann an Türen zu klingeln und Anwohner nach Rolf und seiner Mutter zu fragen.
00:58:07: Aber niemand hatte die Namen der beiden jemals gehört.
00:58:11: Der Anfang meiner Suche war ernüchternd.
00:58:13: Zwei Tage lang tat sich überhaupt nichts.
00:58:16: Aber dann hatte ich, wieso oft, doch noch Glück.
00:58:19: Denn ich traf vor der Bäckerei eine ältere Dame, die sich tatsächlich an Rolfs Mutter erinnerte.
00:58:26: Rolfs Mutter hatte in dem selben Haus gelebt wie sie, und zwar eine Etage unter ihr.
00:58:32: Aber diese Straße war nicht die, die Gabis Vater genannt hatte, sondern eine kleine Querstraße.
00:58:38: Gabis Vater hatte sich geirrt.
00:58:41: Er hatte sich offensichtlich nur an den Namen der großen Straße erinnert, von der die richtige Straße abging.
00:58:48: Die Dame erzählte mir, dass Räufsmutter aus dem selben kleinen Ort stammte, wie sie selbst.
00:58:53: Und oft waren die beiden Frauen an den Wochenenden gemeinsam in die alte Heimat gefahren.
00:58:59: Manchmal genügt ein winziges Detail, um eine festgefahrene Suche wieder in Bewegung zu bringen.
00:59:06: Eine Information, die zunächst unbedeutend erscheint, kann plötzlich den entscheidenden Impuls geben.
00:59:12: Und genau das passierte auch hier.
00:59:15: Ich hatte nun eine vollständige alte Adresse mit Hausnummer und damit konnte ich in den Archiven der Stadt nach Holf und seiner Mutter fragen.
00:59:24: Und ich hatte außerdem die Möglichkeit, in dem Ort aus dem Rolfs Mutter stammte, nach ihr oder nach Verwandten von ihr zu suchen.
00:59:33: Das waren zwei Optionen und ich begann sofort mit meinen Recherchen.
00:59:37: Es dauerte noch zwei weitere Wochen, bis sich die Anschrift eines Mannes erhielt, der Gabis Bruder sein sollte.
00:59:45: Wir nahmen Kontakt zu ihm auf.
00:59:47: Und dieser Mann war sprachlos und überglücklich, als er hörte, wer ihn suchte.
00:59:53: Es war Rolf, der Bruder von Gabi, Thomas und Simone.
01:00:02: Du hattest Gabis Bruder Rolf gefunden?
01:00:04: Ja.
01:00:05: Er wusste, dass er Geschwister hatte.
01:00:07: Und er hatte auch schon selbst nach ihnen gesucht.
01:00:10: Aber auch seine Mutter hatte geschwiegen, genau wie sein Vater Werner.
01:00:14: Und so kam er nicht weiter.
01:00:15: Ja, und Rolf war dementsprechend sehr glücklich.
01:00:19: Er hatte überhaupt nicht mehr damit gerechnet, dass er jemals etwas von seinen Geschwistern hören würde.
01:00:25: Er war als Einzelkind aufgewachsen und er hatte sich immer Geschwister gewünscht.
01:00:30: Und er hatte immer Sorge, dass seine jüngeren Geschwister nichts mit ihm zu tun haben wollten.
01:00:35: Und umso gerührter war er jetzt.
01:00:39: Für mich meine Mutter, wo ich sie gestern den Schwester habe, hat sie mich natürlich noch erzählt, bevor sie dann mal gegangen ist.
01:00:49: Und ich habe ja nie daran gedacht, dass die sich mal melden.
01:00:55: Daran habe ich nie gedacht, da freu ich mich, dass wir uns vielleicht noch sehen.
01:01:01: Schau mal auch hier wieder, die Mutter hat bis kurz vor ihrem Tod gewartet, damit dieses Geheimnispreis zu geben.
01:01:09: Das finde ich immer so schade.
01:01:12: Wir waren mit Gabi und ihrem Mann die ganze Zeit über in Kontakt gewesen, aber wir hatten natürlich niemandem erzählt, dass wir parallel ganz intensiv nach Rolf gesucht haben.
01:01:21: Denn wir wollten Gabi nicht beunruhigen oder schon in Aufregung versetzen, wenn wir nicht weitergekommen wären.
01:01:28: Sie sollte sich ja voll und ganz auf ihre Genesung konzentrieren.
01:01:32: Zum Glück war Gabi um eine Operation herumgekommen, sie wurde medikamentös eingestellt und diese Therapie schien gut anzuschlagen.
01:01:41: Wir hatten also ihren Bruder gefunden und fast zeitgleich kam die Nachricht, auf die wir alle gehofft haben, Gabi war über dem Berg.
01:01:49: Es ging ihr gut.
01:01:50: Gabi war außer Gefahr, also sie war auf dem Weg der Besserung und deswegen haben wir natürlich in Absprache mit ihrem Mann Gabi angerufen.
01:02:01: Mein Mann und ich saßen im Wohnzimmer mit der Kaffee getrunken.
01:02:04: Und dann ging das Telefon.
01:02:07: Wir sind dran gegangen.
01:02:09: Aber erst bei meinem Mann, weil er das höhere abgenommen hat.
01:02:13: Und dann hat er das Telefon weitergegeben und sagt, Köln ist dran.
01:02:20: Und dann wurde ich sofort wieder fusselig.
01:02:22: Weil ich immer davon ausgegangen bin, sie haben ihn nicht.
01:02:26: Es wird nichts.
01:02:28: Wir waren froh, dass wir Gabi sprechen konnten und dass sie genauso Energie geladen und fröhlich klang wie vor der Behandlung.
01:02:35: Die war schon wieder fuzzelig, sagt sie.
01:02:37: Genau.
01:02:39: Und mit einem sagt sie, ich stand vor meinem Mann am Sesseln.
01:02:44: Ich stand.
01:02:45: Das
01:02:46: sagt sie mir.
01:02:47: Ich möchte dir auf jeden Fall was Schönes sagen.
01:02:50: Wir haben dein Bruder gefunden.
01:02:54: Und das war für mich, ich bin ... Auf dem Fußboden runter, ich hab dann angefangen zu weilen.
01:03:02: Gabi war überwältigt und sie hatte direkt ihren Bruder Rolf angerufen.
01:03:08: Die beiden Geschwister machten bei diesem ersten Telefonat auch schon einen Termin aus, denn sie wollten sich so schnell wie möglich sehen.
01:03:14: Richtig so.
01:03:17: Ich kann nicht mehr sagen, über was wir gesprochen haben.
01:03:20: Da hat jeder auf jeden eingeredet und irgendwie ... Und es ging einfach darum, uns ganz schnell zu sehen, zu treffen und in den Arm zu nehmen, weil mein Bruder einfach ärgert war, dass unsere Eltern sich das Recht herausgenommen haben, uns nicht zusammenzuführen.
01:03:44: Mit welchem Recht sie sich so verhalten haben.
01:03:48: Mein Bruder sagte nur zu mir, Was haben unsere Eltern gemacht?
01:03:53: Warum haben sie uns so viele Jahre nicht zusammengeführt?
01:03:59: Und da sind wir wieder bei der großen Frage, die auch über dieser Geschichte von Gabi steht.
01:04:04: Welches Recht haben Eltern?
01:04:07: Also was dürfen sie über die Köpfe der Kinder hinweg entscheiden?
01:04:11: Vor allem dann, wenn diese Kinder längst erwachsen sind, ist es dann wirklich nur ihre Geschichte, die Geschichte der Eltern, diese Vergangenheit, dieses Geheimnis, über das so viele Jahrzehnte geschwiegen wurde?
01:04:24: oder gehört diese Geschichte nicht genauso sehr den Kindern.
01:04:30: Gabi lädt Rolf ein und er kommt.
01:04:32: Ihr Bruder Thomas kann an diesem Treffen leider nicht teilnehmen, er wohnt zu weit weg und er kann sich außerdem so schnell nicht frei nehmen.
01:04:41: Das erste Treffen mit meinem Bruder, da war mein Vater vor Ort.
01:04:46: Und ich hatte hinten im Garten ein Kaffetisch gedeckt.
01:04:50: Wir hatten alles schön gemütlich gemacht und dann fing die Lene an zu wählen.
01:04:57: Und da sagte Melman, da ist jemand vorne am Türsen.
01:05:01: Und bin ich auf, ich bin wirklich auf.
01:05:05: Und mein Vater, mit einer der See, sah ich, dass er sich verspannte.
01:05:09: Das war ja auch das erste Mal, dass die sich sahen.
01:05:12: Und dann bin ich ums Hausturm herum und da kommt mir ein Mann entgegen, der sah so aus wie ich.
01:05:21: Der Hund sprang herum und mein Bruder hat wirklich die Blumen fallen lassen.
01:05:27: Und dann bin ich erst mal hin und hab die aufgehoben.
01:05:30: Ich musste irgendwie das überbrücken, so, ne?
01:05:34: Und dann lagen wir uns wirklich in den Arm.
01:05:39: Gabi bringt ihren Bruder Räuf in den Garten.
01:05:42: Und dort wird Rolf zum ersten Mal in seinem Leben seinen Vater sehen.
01:05:46: Und Werner, das erste Mal seinen Sohn.
01:05:49: Rolf ist jetzt Mitte sechzig.
01:05:50: Sein Vater Werner ist über achtzig Jahre alt.
01:05:55: Und dann sind wir um die Hecke und dann stand mein Vater auf.
01:05:57: Und das war auch sehr emotional.
01:06:00: Und wer hat mir mein Vater auch ein Stück Leid getan, so ein alter Mann dann noch gern.
01:06:05: Und mein Vater guckte mich dann an über den Rücken, wo er es ihnen so in Ahnung hat und sagt, danke Mädchen, mein Mädchen, danke.
01:06:13: Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen, so viele Jahre des Schweigens und der Ungewissheit liegen zwischen diesen beiden Männern und so viele verpasste Chancen.
01:06:23: Beiden Männern, Vater und Sohn, bedeutet dieser Moment unbeschreiblich viel.
01:06:29: Und ich kriegte dann von meinem Vater eine Uhr geschenkt, so ein Herz und dann war ein kleines Mädchenbrauch, so ein Tridä-Unterstand.
01:06:42: Früher mein kleines Mädchen, heute mein ganzer Stolz.
01:06:45: Oh, wie schön.
01:06:48: Sehr schön.
01:06:50: Gabi hat es geschafft und sie hat so viel geschafft.
01:06:53: Sie hat niemals aufgegeben.
01:06:55: Nach ganz vielen Jahren der Ungewissheit, vor allem des Schweigens.
01:07:00: Sie hat ihrem Bruder gegen alle Widerstände gefunden und sie hat ihn in ihr Leben geholt.
01:07:07: Und sie hat ihn aber auch in das Leben des Vaters geholt, dieses alten Vaters, also welche Gnade auch, dass er das noch erleben darf und dass sie die beiden zusammen erleben kann.
01:07:17: Sie hat also geschafft, dass dieser Vater, der sie als Kind ganz oft übersehen hatte, jetzt im hohen Alter begreift, wer sie eigentlich ist und was in ihr steckt und wozu sie fähig ist, wie sie handeln kann aus Liebe und aus Entschlossenheit und aus Sehnsucht.
01:07:34: Und wir können berichten, dass heute alle unzertrennlich sind.
01:07:39: Gabi ist Vater, Gabis alter Papa ist glücklich seinen Sohn Rolf an seiner Seite zu wissen.
01:07:45: und auch Rolf, der so lange kaum etwas über seine Herkunft wusste, der hängt sehr an diesem alten Vater und der hat ihm, glaube ich, auch verziehen.
01:07:57: Die Geschwister Gabi, Thomas und Rolf, die sind einander sehr verbunden und alle Zusammen sind das, was sie eigentlich schon immer hätten sein können.
01:08:07: Eine Familie.
01:08:10: Und um bei dem Wort zu bleiben am Ende, die Moral von der Geschichte, traut euch, egal um was es geht, Schweigen zu brechen.
01:08:22: Nicht umsonst gibt es diesen unheilvollen Begriff Mauer des Schweigens.
01:08:27: In der Geschichte wurden Mauern eingerissen.
01:08:30: Und wir werden das weiterhin auch versuchen, Mauern einreißen, Sylvie und Leute zusammenbringen.
01:08:36: Danke, Sylvie, fürs Miterzählen.
01:08:38: Ich danke dir, Julia.
01:08:39: Ich reiße gerne Mauern mit dir ein.
01:08:41: Auch weiterhin.
01:08:42: Auch weiterhin.
01:08:44: Wenn ihr uns schreiben möchtet, dann lautet unsere Adresse info-edge-spurlos-podcast.de und alle weiteren Informationen findet ihr in den Shownotes.
01:08:52: Danke an euch fürs Zuhören.
01:08:54: Bis ganz bald und passt aufeinander auf.
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