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#77 Dunkle Spuren: Meine Mutter und ihr mörderisches Doppelleben

Shownotes

Eine Mutter mit einem Doppelleben. Ein Mädchen, das auf eine gefährliche Wahrheit stößt. Und ein Verbrechen, das lange unbemerkt bleibt. Heute – bei Spurlos.

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Redaktion Sylvia Lutz Natalya Prokhorenko

Ton Migo Fecke (Soundhouse Tonproduktionen GmbH)

Eine Produktion der StellaLuisa GmbH In Zusammenarbeit mit Endemol Shine Germany und Rainer Laux Productions

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Transkript anzeigen

00:00:01: Eine Mutter

00:00:02: mit einem Doppelleben.

00:00:04: Ein Mädchen, das auf eine gefährliche Wahrheit stößt und ein

00:00:08: Verbrechen,

00:00:09: das lange unbemerkt bleibt.

00:00:11: Heute bei Spurlos.

00:00:26: Das ist dem Muckelig eingemuckelt an diesem regnerischen Herbstmorgen.

00:00:31: Ja, ich liebe das auch sehr.

00:00:33: Der Fencheltee.

00:00:35: Der Fencheltee dampft.

00:00:37: Ja, aber ich muss dir leider die Suppe verhageln sozusagen.

00:00:40: Ich bin ein bisschen genervt und ich wollte mit euch über was sprechen oder ich wollte meine Meinung zu etwas kundtun.

00:00:46: Ich möchte gerne offiziell dazu aufrufen, die fünfte Jahreszeit zu streichen.

00:00:52: Weißt du was die fünfte Jahreszeit ist?

00:00:55: Für den Kölner wüsste ich es.

00:00:56: Nee,

00:00:57: nicht für den Kölner.

00:00:58: Für den Deutschen seit zehn bis fünfzehn

00:00:59: Jahren.

00:00:59: Für den Deutschen

00:01:00: bundesweit.

00:01:00: Okay, nein, was ist die?

00:01:02: Das ist die Kürbiszeit.

00:01:05: Oder wie wir Deutschen das ja auch gerne nennt Pumpkin.

00:01:09: Pumpkin.

00:01:10: Ich rufe auf... Ich

00:01:11: würde jetzt mal den Raum verlassen, weil ich... Nein.

00:01:14: Du bist voll Pumpkin oder was?

00:01:15: Voll.

00:01:16: Oh, Sylvie.

00:01:17: Voll

00:01:17: auf dem Kürbis-Trip.

00:01:19: Oh, Migo.

00:01:20: Oh, nein.

00:01:21: Okay, ist mir egal.

00:01:22: Dann sprichst du ja auch wahrscheinlich ganz vielen aus der Hörerschaft aus dem Herzen und ich weiß auch, ich setze mich da in den matschigen Kürbis mit dieser Meinung.

00:01:31: Aber

00:01:31: ist ja mein Podcast meine Meinung.

00:01:33: So, schreib mir bitte nicht böse, außer ihr seid ein Kürbis.

00:01:38: Weil es ist ja nicht gegen euch, es ist nur gegen den Kürbis.

00:01:41: Mir geht das auf den Sack.

00:01:44: Dir gar nicht.

00:01:46: Überhaupt nicht.

00:01:47: Ach Sylvie.

00:01:48: Apresotto oder Suppe.

00:01:49: Oh, von Kürbis.

00:01:50: Bitte Sylvie,

00:01:51: nein.

00:01:52: Sylvie, ab Fünfzehnten September bis dreißigsten November kriegst du nur noch Orangen, Brei, Suppen, Quark überall.

00:02:01: Und ja, ihr könnt mir jetzt bitte auch keine leckeren Kürbis-Suppen-Rezepte schicken.

00:02:06: Ich habe eine leckere gegessen bei meiner Freundin auf dem Geburtstag.

00:02:09: Einmal pro Herbst, ein orange Suppe.

00:02:12: Voll okay.

00:02:13: Aber du kannst doch nicht in jedes Kaffee, in jedem Mensa, in jedem After-Work-Essens-Situation.

00:02:21: Und was können Sie uns am besten?

00:02:22: Wir haben eine ganz tolle Kürbissuppe.

00:02:24: Und das... Nee, Sylvie, erstens das nicht.

00:02:27: Dann gehst du irgendwo einen Kaffee holen.

00:02:29: Möchten Sie einen Pumpkin-Chailate probieren?

00:02:32: Nein, ich wollte einen Kaffee.

00:02:34: dann diese Kerzen und überhaupt schon das ganze Konzept, diese orangen hässlichen Kürbisse.

00:02:42: Orange, bei Orange denke ich persönlich an Straßenreinigung.

00:02:46: Und Orange, ja in meiner Welt Orange, in der Dekorwelt, ja, Orange gibt es bei mir, Knallorange genau in zwei Varianten, auf meinen Fingernägeln.

00:02:54: Und

00:02:55: ja, und in alkoholischen Getränken, wenn es was mit Spritz ist.

00:02:58: Ansonsten bitte kein Orange.

00:03:01: So.

00:03:02: Okay, ich hab voll die Gegnerin bei mir da sitzen.

00:03:05: Also du siehst es komplett anders.

00:03:07: Du riehst auch diese Kerzen gerne.

00:03:09: Nein, ich habe auch keine Kürbis-Deko zu Hause.

00:03:13: Das finde ich auch schrecklich, aber ich esse ihn sehr gerne und ich sage dir ganz ehrlich,

00:03:17: ich habe

00:03:17: sogar kein Spice zu Hause.

00:03:19: Oh

00:03:20: Gott, ich bin inset.

00:03:21: Ich weiß nicht, ob ich mit dieser Frau... Ich weiß nicht, ob wir den Podcast weiter zusammen... Ich bin da fast diktatorisch in meiner Meinung.

00:03:29: Es ist eine Mauswinkern.

00:03:30: Herbst,

00:03:31: Kürbis-Deko habe ich jetzt nicht.

00:03:33: Also... Und was ich auch ausnehmen möchte, Kinder dürfen komplett Halloween feiern.

00:03:38: Die dürfen die Schnitzel, das habe ich auch gemacht, mir in die Finger geschnitzt, habe diese Dinger bei uns vor die Tür gestellt.

00:03:44: Die matschen ja irgendwann, irgendwann krabbeln wir mal raus.

00:03:46: Aber Kinder, die dürfen super finden.

00:03:49: Ich würde so zusammenfassen wollen.

00:03:51: Alles, was an große Orangenköpfe erinnert aus Amerika, boykutier ich generell.

00:03:57: Und ich freue mich auf einmal noch.

00:03:59: So.

00:04:01: Jetzt geht es mir, was den Kürbis angeht, besser und ich freue mich jetzt auf eine Flut von Mehls, aber ich halte das aus.

00:04:07: Ich halte das einfach aus, Leute.

00:04:10: Und jetzt kommt, wie so oft bei uns, der ganz harte Cut und ein, ja, ich würde sagen, eigentlich ein unglaublicher Fall heute.

00:04:22: Wenn man das alles hört, dann schüttelt man erstmal unglaublich den Kopf, aber wenn man diesen Fall dann entschlüsselt und zerlegt.

00:04:30: Und das werden wir heute tun.

00:04:32: Dann liegt irgendwann alles ganz klar auf der Hand.

00:04:36: Ja, wir mussten die Namen von allen Beteiligten ändern, um Dritte zu schützen, die in diese Geschichte involviert waren oder es noch sind.

00:04:46: In dieser Folge von Spurlos heute erzählt uns Lisa ihre Geschichte.

00:04:50: Auf den ersten Blick könnte man denken, Lisa erzählt einfach nur von einer sehr schwierigen Kindheit.

00:04:56: Doch das, was sie heute im Podcast schildern wird, ist weit mehr als eine persönliche Erinnerung.

00:05:03: Denn das, was Lisa jetzt gleich erzählt, das war Bestandteil einer Zeugenaussage vor Gericht.

00:05:10: Denn Lisa hat diese Erinnerung vor Gericht geschildert im Namen eines Prozesses.

00:05:15: Und ihre Aussagen flossen maßgeblich auch in das Urteil mit ein, das dort am Ende gefällt wurde.

00:05:23: Es geht also heute um ein Verbrechen, von dem jahrelang niemand überhaupt was wusste.

00:05:29: Und das ist das Ungewöhnliche.

00:05:31: Nach außen wirkte alles ganz unauffällig.

00:05:34: Das, was geschehen war, hatte sich spurlos in den Alltag eingefügt.

00:05:41: Ein Mensch verliert sein Leben und niemand erkennt, dass es Mord war.

00:05:46: Gewalt kann sich hinter Unfällen oder scheinbaren Missgeschicken verstecken und nicht alle verbrechen.

00:05:52: sind auf den ersten Blick als solcher erkennbar.

00:05:54: Und darum geht es heute, um einen Mord, der fast unentdeckt geblieben wäre.

00:06:03: Ein Gerichtszahl in einer großen Stadt in Deutschland.

00:06:06: Draußen drängen sich Menschen vor dem Eingang.

00:06:09: Reporter stehen dicht an dicht, Fotokameras klicken.

00:06:13: Drinnen im Saal ist kein Platz mehr frei.

00:06:16: Die Stimmung ist angespannt.

00:06:18: Es geht an diesem Tag um einen Fall, der schon im Vorfeld für großes Aufsehen gesorgt hat.

00:06:24: um ein Fall der Schlagzeilen gemacht hat.

00:06:27: Auf der Anklagebank sitzt eine attraktive, ältere Frau.

00:06:31: Ihr Haar ist sorgfältig frisiert, sie trägt eine weiße Bluse, darüber eine hellblaue Jacke.

00:06:38: Sie wirkt konzentriert und schaut sich immer wieder suchend im Saal um.

00:06:43: Als könne sie kaum glauben, dass sie hier sitzt.

00:06:46: Ihr Blick bleibt schließlich an der Frau im Zeugenstand

00:06:49: hängen.

00:06:50: Diese Frau, die gerade aussagt, ist jünger.

00:06:53: Sie wirkt ruhig und kontrolliert und ihre Stimme ist ganz klar, während sie spricht.

00:06:59: Die Frau im Zeugenstand heißt Lisa.

00:07:01: Und Lisa erzählt von ihrer Kindheit.

00:07:04: Von den Jahren in einer Altbauwohnung in der DDR, von der eleganten Mutter, die draußen glänzte und die zu Hause eiskalt war.

00:07:14: Lisa berichtet von fortwährender Kritik und von psychischer und physischer Gewalt.

00:07:20: Nichts, was sie als Kind tat, schien je richtig gewesen zu sein.

00:07:25: Jede Bewegung und jedes Wort konnte Anlass für Tadel sein.

00:07:29: Es gab keine Ermutigung, keine liebevollen Gesten, nur Abwertung und Spott.

00:07:35: Lisa spricht ruhig, fast sachlich.

00:07:39: Im Saal ist

00:07:40: es toten still,

00:07:41: während sie ihre Geschichte erzählt.

00:07:44: Als es später zur Urteilsverkündung kommt, rechnet Lisa mit einem Freispruch für die ältere Frau auf der Anklagebank.

00:07:50: Denn das Plädoyer der Verteidigung war sehr stark.

00:07:54: Nun steht das Urteil an.

00:07:56: In einem Fall, in dem es keine Spuren gibt.

00:07:59: Denn jahrelang deutete nichts auf ein Verbrechenhäng.

00:08:03: An diesem Tag, in diesem Gerichtssaal, geht es also um ein Verbrechen, das beinahe spurlos an der Welt vorbeigegangen wäre, ohne dass irgendjemand Verdacht geschöpft hätte.

00:08:15: Ein Verbrechen, das beinahe perfekt

00:08:18: war.

00:08:19: Beinahe.

00:08:20: Die Richter erheben sich.

00:08:22: Alle im Saal scheinen den Atem anzuhalten.

00:08:26: Und dann fällt das Urteil.

00:08:33: Dieser Fall, der hier verhandelt wird und in dem Lisa als Zeugin aussagt, der hat schon im Vorfeld für großes Aufsehen gesorgt.

00:08:42: Denn auf der Anklagebank sitzt eine Frau, die sympathischer und reizender, kaum sein könnte.

00:08:48: Brigitte ist Anfang-Siebzig, wahnsinnig gepflegt.

00:08:52: Sie wirkt unglaublich herzlich und freundlich und fast ein bisschen zerbrechlich.

00:08:57: Ja, zerbrechlich ist vor allem auch die Stimme finde.

00:09:00: Ja.

00:09:00: Also ganz ein zartes Stimmchen wie jemand, der so ganz klein und lieb ist wie so ein Vögelchen.

00:09:07: Ja.

00:09:09: Brigittes überhaupt eine Frau, die man am liebsten sofort in den Arm nehmen möchte.

00:09:14: Denn es scheint völlig abwegig, dass gerade sie hier eines Verbrechens beschuldigt wird.

00:09:21: Und zwar eines Verbrechens, das so kaltblütig geplant war, dass es kaum vorstellbar ist.

00:09:27: Brigitte, die Angeklagte, ist Lisa's Mutter.

00:09:31: Und obwohl Brigitte so wirkt, als habe sie ihrer Tochter die liebevollste und behütetste Kindheit geschenkt, die man sich vorstellen kann, erinnert sich Lisa an etwas völlig anderes.

00:09:44: Da war es eben sehr, sehr streng, sehr verletzend, sehr harsh, sehr ungerecht.

00:09:53: Und eigentlich war ich immer im Weg zu viel zu dumm, zu hässlich, zu ... nicht gut genug.

00:10:02: Ich hab mich vor allem schuldig, aber eben auch wertlos

00:10:06: gefühlt.

00:10:07: Hier sitzt also eine Frau auf der Anklagebank, die offensichtlich zwei Gesichter hat.

00:10:13: Da ist die herzliche und strahlende Brigitte, die man auf den ersten Blick ins Herz schließen möchte.

00:10:19: Und dann ist da eine Frau ... die zu einem Verbrechen fähig zu sein scheint.

00:10:24: Dass so eiskalt geplant war, dass es selbst für erfahrene Ermittler unglaublich ist und die auch sprachlos macht.

00:10:32: Wer ist diese Frau?

00:10:35: Wer ist ihre Tochter?

00:10:36: Und was wird in diesem Prozess verhandelt?

00:10:39: Wir verlassen diesen Gerichtssaal erst mal und springen zurück in dieser Kindheit.

00:10:45: Lisa wächst in der DDR auf.

00:10:47: Sie lebt mit ihrer Mutter Brigitte und ihrem Vater Paul in einer Altbauwohnung im Zentrum einer großen Stadt.

00:10:54: Lisas Mutter arbeitet als Sekretärin und kümmert sich ansonsten um den Haushalt.

00:10:59: Der Vater ist Ingenieur in einem volkseigenen Betrieb.

00:11:03: Und Lisa, die ist schon im Kinderhaut, seit sie sechs Wochen alt ist.

00:11:07: Also eine ganz normale kleine Familie in der DDR, das möchte man auf den ersten Blick meinen.

00:11:13: Die kleine Altbau-Wohnung bei den Elternteilen sind berufstätig.

00:11:17: Das Kind geht früh, wie es dort auch üblich war, in den Kindergarten, wie es halt so ist.

00:11:23: Aber wir werden noch sehen, nichts ist im Leben von und mit Lisas Mutter normal.

00:11:30: Gar nichts.

00:11:31: Es ist alles eine Fassade.

00:11:34: Und hinter dieser Fassade Da geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod.

00:11:40: Lisas Mutter ist eine außergewöhnliche Frau.

00:11:43: Sie ist, sie ist eine richtige Erscheinung.

00:11:46: Eine Frau, die auffällt, sobald sie den Raum betritt.

00:11:49: Sie hat eine Präsenz und eine Ausstrahlung, die jeden beeindruckt, der sie sieht.

00:11:54: Und auch die kleine Lisa bewundert ihre Mutter.

00:12:00: Die war für mich wunderschön.

00:12:02: Ich glaube, die war auf generell tatsächlich wunderschön.

00:12:07: Ja, lange blonde Haare, immer gut gestylt eigentlich, gut gekleidet, also für DDR-Verhältnisse schon vom Stil her wirklich einzigartig, elegant, würde ich sagen.

00:12:19: Sie ist glaube ich ein oder zweimal in der Woche zum Friseur gegangen, um sich einfach die Haare waschen und föhnen zu lassen.

00:12:25: Also das war schon Luxus zur DDR-Zeit.

00:12:27: Also ich war immer wirklich sehr bedacht auf ihr Äußeres und ist auch sehr gut, glaube ich, immer überall wahrgenommen und angenommen wurden.

00:12:38: Und auch im Kindergarten fällt Lisas Mutter natürlich auf.

00:12:42: Wenn sie die Einrichtung betritt, um ihre Tochter zu bringen oder abzuholen, dann zieht sie alle Blicke auf sich.

00:12:49: Mit ihrer eleganten Erscheinung und ihrer Ausstrahlung verzaubert Brigitte sogar die Kleinsten.

00:12:56: Da war sie eben die tolle Wow-Mutter, um die mich auch die Kinder aus dem Kindergarten beneidet haben.

00:13:05: Ich war ja auch stolz auf meine, also damals meine Mama war das für mich, trotz allem immer, weil alle anderen Kinder aus meiner Kindergartengruppe wollten so eine Mama haben.

00:13:14: Also alle haben gesagt, die sieht aus wie eine Prinzessin und boah, die ist so toll, die riecht so gut und die ist so lieb und so.

00:13:21: Und ich war schon stolz darauf, dass das jetzt meine Mutter

00:13:24: war.

00:13:25: Das ist der Kindergarten, das ist das draußen.

00:13:29: Aber kaum sind ... Mama und Lisa wieder zu Hause und kaum ist die Wohnungstür hinter den beiden Entschloss gefallen, dann verändert sich alles.

00:13:38: Lasers strahlende, elegante, herzliche Mutter, die auswärts alle Blicke auf sich zieht, die legt hier, wenn das Publikum fehlt, die Maske ab.

00:13:49: Und jetzt kommt eine Frau zum Vorschein, die mit der strahlenden Prinzessin, die im Kindergarten so hingebungsvoll bewundert wird, gar nichts mehr zu tun hat.

00:13:58: Hier zu Hause zeigt Brigitte ihr wahres Gesicht.

00:14:01: Und das ist das Gesicht einer brutalen, eiskalten und berechnenden Frau.

00:14:07: Die kleine Lisa kann es ihrer Mutter nie recht machen.

00:14:10: Wenn Lisa sich heute an die Jahre zu Hause erinnert, dann fallen ihr dazu diese Worte ein.

00:14:16: Ich war immer im Weg.

00:14:19: Lisa erzählt, dass Brigitte ihr von klein auf vermittelt hat.

00:14:22: Sie seid zu dumm, zu hässlich und ganz grundsätzlich nicht gut genug.

00:14:28: Schau mal, sagt die Mutter beispielsweise oft, du wirst nie so schöne Beine haben wie ich.

00:14:33: Und solche Sätze, die wiederholen sich ständig und sie prägen Lisa's Selbstbild.

00:14:38: Aus einem Mädchen, das wie jedes Kind nach Anerkennung sucht, wird ein Kind, das sich in der Gegenwart ihrer Mutter immer minderwertiger fühlt.

00:14:47: Und Lisa lernt, egal was sie tut, sie bleibt nicht richtig.

00:14:51: So drückt sie das heute aus.

00:14:54: Es war generell, dass ich eigentlich immer auch vermittelt bekommen habe, dass ich einfach störe, dass ich zu viel bin und dass sie besser dran wäre, wenn es mich gar nicht gebe, dass ihr das ganz wichtig gewesen ist, mich ihr gegenüber klein zu machen.

00:15:12: Statt Sicherheit erlebt dieses Kind, dass ihre bloße Existenz als Problem gilt bei der Mutter.

00:15:19: Es gibt eine aktive Abwertung durch die eigene Mutter.

00:15:24: Besonders auffällig und drüber stolpern tut man ja, wie sehr Brigitte in Konkurrenz zur eigenen Tochter tritt.

00:15:32: Es scheint ihr besonders wichtig zu sein.

00:15:34: die schönere, die attraktivere von beiden zu sein und auch zu bleiben.

00:15:40: Wer sich ein bisschen auskennt, der wird da gleich mit drüber stolpern.

00:15:43: Das ist wie ein Motiv aus dem Grimm-Märchen.

00:15:46: Das wirkt ja gerade so befremdlich, dass so ein Konkurrenzverhalten bei einer Mutter auftritt.

00:15:52: Das ist ja typisch, also im Gegenteil.

00:15:56: Mütter wollen normalerweise, die Töchter ja stärken, sie fördern, sie bewundern, zum Strahlen bringen, damit sie über sich hinauswachsen und mit sich selber fein sind und sich selber lieben.

00:16:09: Aber so ist es hier genau nicht.

00:16:10: Also umarmungen, liebevolle Gesten, Wertschöpfen des Lob, all sowas, gibt es in Lisas Kindheit nicht.

00:16:19: In der Welt ihrer Mama, da geht es nicht um Zuneigung, sondern um Bedingungen.

00:16:25: Also alles ist an Bedingungen geknüpft.

00:16:28: Und es geht um Erwartungen und gnadenlose Urteile.

00:16:32: Mütterliche Zärtlichkeit ist für Lisa wirklich ein Fremdwort.

00:16:36: Brigitte unterstützt ihre Tochter nicht.

00:16:39: Sie will sie nicht stärken, nicht fördern.

00:16:41: Sie möchte sie klein halten.

00:16:43: In regelmäßigen Abständen kommt es zu Hause zwischen den Eltern zu Streitigkeiten.

00:16:49: Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich.

00:16:51: Geld, Erziehung, Alltag, Frust.

00:16:54: Aber am Ende läuft es stets auf dasselbe hinaus.

00:16:58: Denn Brigitte macht immer schnell klar, wer die Schuld an diesem Streit trägt.

00:17:03: Nicht sie selbst, nicht ihr Mann, sondern Lisa, ihre Tochter.

00:17:08: So als wäre das Kind ein Störfaktor, der ständig Unruhe in die Welt der Erwachsenen bringt.

00:17:14: Wenn du nicht wärst, sagt Brigitte dann häufig, dann wäre alles viel besser.

00:17:19: Für Lisa ist das ein immer wiederkehrendes Muster.

00:17:22: Egal worum es geht, am Ende ist sie schuld.

00:17:26: Und so wächst sie auf, in dem Glauben, dass allein ihre Existenz das Gleichgewicht in der Familie und im Leben ihrer Mutter stört.

00:17:34: Das ist natürlich fatal, denn Lisa wächst dadurch mit dem Gefühl auf, dass ihre bloße Anwesenheit das ganze Familienklima vergiftet.

00:17:43: Dass sie der Auslöser ist für das Unglück der Mutter.

00:17:46: Und trotzdem bewundert und liebt Lisa ihre Mutter.

00:17:51: So wie alle Kinder natürlich auch ihre Mütter lieben wollen.

00:17:55: Und genauso tut sie es.

00:17:57: Das werden wir noch sehen.

00:17:58: Und sie wünscht sich nichts Sehnlicher als von ihr wahrgenommen und auch geliebt zu werden.

00:18:06: Die Abendessen sind für die kleine Lisa meistens der absolute Horror.

00:18:11: Oft wird ihr noch beim Essen übel und sie muss sich bei Tisch übergeben.

00:18:16: Aber Mitleid gibt es nicht, denn Lisa's Mutter ist gnadenlos.

00:18:20: Was auf dem Tisch und dem Teller liegt, das wird gegessen.

00:18:23: An diese Worte erinnert sich Lisa bis heute.

00:18:26: Ihre Mutter Brigitte besteht darauf, dass Lisa weiter ist.

00:18:30: Und zwar alles.

00:18:33: So hat es Lisa viele Jahre später vor Gericht im Zeugenstand erzählt und so hat sie es auch uns berichtet.

00:18:38: Also nochmal, sie musste ihr Erbrochenes

00:18:40: essen.

00:18:41: Und zwar bis nichts mehr übrig war.

00:18:44: Lisa kann sich nicht erklären, weshalb ihr immer nur zu Hause so schlecht wurde beim Essen im Kindergarten.

00:18:49: Und wenn sie irgendwo anders gegessen hat, hatte sie überhaupt keine Probleme mit dem Magen.

00:18:54: Nur zu Hause.

00:18:56: Da wurde ihr beim Abendbrot regelmäßig schlecht.

00:18:59: Und ein Kind zwingend sein, erbrochen das zu essen, das ist psychische und körperliche, schrecklichste Mishandlung.

00:19:08: Das ist eine sadistische ... Eine Machtdemonstration der Mutter ist kaum in Worte zu fassen.

00:19:17: Ich habe mich, ich glaube schon, ja, vor allem schuldig, aber eben auch wertlos gefühlt.

00:19:24: Ich habe lange, lange, lange versucht, auch einfach, dass diese wunderschöne Frau, die sie für mich gewesen ist, tatsächlich, dass sie mich einfach sieht und lieb hat.

00:19:33: Ich habe immer gedacht, ein Missverständnis.

00:19:35: Wenn sie mich erst richtig kennt, wenn ich mich noch ein bisschen mehr anstrenge, dann wird sie mich liebhaben.

00:19:42: Ja, das ist fürchterlich, fast unerträglich, aber leider ja auch typisch.

00:19:47: Kinder sind ja vollständig auf ihre Bezugspersonen angewiesen, also emotional, körperlich und ja auch existenziell.

00:19:55: Also wird ein Kind von den eigenen Eltern beschämt oder sogar misshandelt.

00:20:01: dann kann es sich die Wahrheit meistens nicht eingestehen.

00:20:04: Es kann nicht sagen, ja, diese Person, auf die ich gerade angewiesen bin, die tut mir einfach nicht gut.

00:20:11: Stattdessen wird das Kind die Geschichte dann umdrehen und denken, dann muss ich ja wohl das Problem sein.

00:20:18: Und wenn es an mir liegt, dann kann ich mich erinnern und dann wird alles irgendwie besser.

00:20:23: Also ich kann besser werden, braver, stiller, nützlicher.

00:20:28: Und dann bekomme ich ja vielleicht endlich die Zuwendung oder werde so von meiner Mama angenommen, wonach ich mich so sehne.

00:20:36: Und genau so geht's Lisa auch.

00:20:39: Die Tatsache, dass diese Mutter hier ihrer Tochter ständig suggeriert, sie sei an allem Schuld, die fällt auf fruchtbaren Boden und das weiß diese Mutter auch und deswegen tut sie es auch.

00:20:50: Also Lisa ist noch viel zu klein, um das Verhalten der Mutter wirklich kritisch zu hinterfragen und auch richtig einzuordnen.

00:20:59: Sie zieht überhaupt nicht im Betracht, dass ihre Mama etwas mit dem Streit der Kälte oder der angespannten Stimmung im Haus zu tun haben könnte.

00:21:08: Warum

00:21:08: auch?

00:21:09: Für die Lisa

00:21:11: ist

00:21:11: die Mama das Maß aller Dinge.

00:21:13: Klug, schön, selbstsicher.

00:21:16: Wenn diese Frau sagt, dass Lisa Schuld an allem ist, dann muss es einfach stimmen in ihrer Kinderwelt.

00:21:23: Ja und so strengt sich die kleine Lisa immer mehr an, um ihrer Mama zu gefallen.

00:21:28: Aber es gelingt ihr natürlich nie, den Ansprüchen von Brigitte zu genügen.

00:21:37: In der Küche ihrer Mutter gibt es deshalb neuerdings ein eigenes kleines Fach, in dem die Lebensmittel für Lisas Pausenbrote gelagert werden.

00:21:57: Und jeden Morgen bereitet Brigitte das Schulfrühstück für ihre Tochter zu.

00:22:01: Sie nimmt Brot, Wurst oder Käse aus diesem Fach, schmiert das Pausenbrot und packt es schließlich ein.

00:22:09: Lisa fällt über viele Monate nichts Ungewöhnliches auf.

00:22:12: bis sie eines Tages mit einer Klassenkameradin auf dem Schulhof sitzt und die beiden Mädchen ihre Pausenbrote hervorholen.

00:22:20: Wir haben die Schnitten, heißt es in Sachsen, haben wir getauscht und dann hat die Freundin, mit der ich getauscht hatte, irgendwie geschrien und gesagt, das ist ja eklig, was hast du denn hier?

00:22:31: Und ich habe auch gedacht, wow, also die Schnitten, die ich von ihr gehabt habe, die haben ganz anders geschmeckt.

00:22:37: Und so ist eigentlich rausgekommen, dass das Boot, was ich mitbekommen habe von ihr, das ist also... auf der Innenseite immer komplett verschimmelt war.

00:22:44: Ich habe es ab da im Auge behalten, habe dann immer die Schnitten auseinander genommen und habe dann auch den Belag runtergemacht und es war tatsächlich so, dass ich also regelmäßig immer verschimmeltes Wod bekommen habe.

00:22:57: Dieses Verhalten weist jetzt schon an der Stelle Züge einer nazistischen Persönlichkeitsstörungen auf.

00:23:05: Ich würde sagen, mit einer richtig sadistischen Tendenz, auch wenn wir beide Silvia keine Psychologinnen sind, haben wir beruflich viel mit diesen Themen zu tun.

00:23:14: Also fehlen jegliche Anzeichen von Empathie.

00:23:18: Ist es aus unserer Sicht gerechtfertigt, absolut in diese Richtung zu denken?

00:23:24: Was sagt eigentlich Lisas Vater?

00:23:27: Paul zu den Vorgängen in dieser Wohnung?

00:23:30: und in dem Zuhause?

00:23:31: sieht er, was davor sich geht.

00:23:34: Ja, Lisas Vater sieht, was da passiert, aber er greift nicht

00:23:38: ein.

00:23:39: Im Gegenteil, er scheint sogar davon überzeugt zu sein, dass seine Tochter diese Härte verdient, mit der Brigitte sie behandelt.

00:23:47: Und auch er selbst ist streng, unnachgiebig und oft extrem einschichtend.

00:23:52: wenn Lisa eine seiner Fragen nicht beantworten kann.

00:23:55: Zum Beispiel, wenn ihr eine europäische Hauptstadt nicht sofort einfällt, dann wird er sofort laut.

00:24:01: Er schreit seine Tochter dann an, ohne Vorwarnung und mit einer Wucht, die sie jedes Mal erschreckt.

00:24:07: Da hat ja diese nazistische Mutter den perfekten

00:24:10: Partner gefunden.

00:24:12: Lisa hat Angst vor ihrem Vater, doch gleichzeitig glaubt sie viele Jahre lang, dass das, was sie dazu Hause erlebt, völlig normal sei.

00:24:21: und dass es in allen Familien so zugeht, wie bei ihr zu Hause.

00:24:26: Ich glaube, in der Schule Klasse Eins war ich bei einem Kindergeburtstag eingeladen.

00:24:32: Und dort ist mir aufgefallen, dass wenn der Vater, die Mutter, wenn die plötzlich in Erscheinung getreten sind oder einfach das Kind berührt oder um Abend habt, dass die nicht gezuckt haben.

00:24:42: Also, das war so für mich so ein Aha-Moment, dass ich dachte, wow, bei dieser Party bin ich dann ... wirklich auf die Toilette und ich glaube, ich habe dort eine halbe Stunde geweint, weil ich verstanden habe, was mir zu Hause entgeht an Glück und an Liebe und

00:25:00: an allen.

00:25:02: Also plötzlich hat Lisa ein Vergleich.

00:25:05: Dieser Kindergeburtstag konfrontiert sie mit einer anderen Wirklichkeit und diese Erfahrung, die verändert nachhaltig ihre Wahrnehmung von sich.

00:25:16: und vor allem von der Mutter und der Familie.

00:25:18: Also bis zu dem Moment hatte sie ja geglaubt, dass alle Familien so funktionieren wie ihre eigene.

00:25:24: Klar, das war ja ihre Welt, aber die ist gerade größer geworden.

00:25:28: Für Lisa ist dieser Kindergeburtstag wie der Blick in eine völlig andere Welt, eine Welt, in der Kinder willkommen sind, in der ihre Bedürfnisse gesehen und erfüllt werden, ohne Bedingungen, auch so ein Kernwort in dieser Geschichte, und ohne Berechnung.

00:25:47: Und es deutet sich ja schon die ganze Zeit an, dass diese Mutter noch zu viel mehrfähig ist, als man jetzt auf den ersten Blick noch vermuten würde, doch wie weit das geht.

00:25:57: Das werden wir später noch sehen.

00:26:00: Ich frage mich, wie die kleine Lisa das alles überhaupt überstehen konnte.

00:26:03: Ja,

00:26:04: es gibt ein paar Menschen in Lisas Umfeld, die sie wahrnehmen, die sie mögen oder sogar lieben und die hinter ihr stehen.

00:26:11: Lisa erinnert sich an eine Erzieherin im Kindergarten und an eine Lehrerin in der Schule.

00:26:17: Beide wussten nichts von den Zuständen bei Lisa zu Hause, aber sie spürten wahrscheinlich, dass Lisa ein unglückliches und einsames kleines Mädchen war.

00:26:26: Und sie gaben Lisa das Gefühl, etwas wert zu sein.

00:26:30: Sie motivierten Lisa etwas vor der Klasse vorzulesen oder etwas vorzutragen.

00:26:34: Sie trauten ihr das zu und sie versuchten ihr zu zeigen, dass sie das tatsächlich alles kann und gut kann.

00:26:42: Und Lisa hat das bis heute nicht vergessen.

00:26:45: Ja, man kann so kleine Zeichen setzen.

00:26:47: Also es erfordert halt keine großen Heldentaten.

00:26:50: Das sind wir wieder bei unserem Editema.

00:26:53: Wer spurlos regelmäßig hört, der weiß wovon ich spreche.

00:26:56: Oft reicht es aus, einen unglücklichen Menschen, also egal ob Kind oder Erwachsener, einfach wahrzunehmen, ihn einfach zu sehen, ihm vielleicht mal eine Frage zu stellen.

00:27:06: Ein Blick, ein ehrliches Wort, echte Aufmerksamkeit, die können, manchmal im übertragenen Sinn, ja, Leben retten.

00:27:14: Und dann sind da noch Lisa's Großeltern.

00:27:17: Menschen, die einen sehr großen, wenn nicht sogar entscheidenden Anteil daran haben, dass Lisa sich später trotzdem zu einem starken und selbstbewussten Mädchen entwickeln kann.

00:27:28: Ich denke, wir können an der Stelle kurz vorgreifen, trotz der ständigen Erniedrigungen und Demütigungen, denen Lisa zu Hause ausgesetzt ist, wird der Plan ihrer Mutter nicht aufgehen.

00:27:40: Nicht.

00:27:41: Dieser Plan, so viel sei gesagt.

00:27:43: Denn Lisa wird nicht gebrochen, sondern sie wird später zu einer selbstbewussten und erfolgreichen, erwachsenen Frau.

00:27:51: Na zu der Frau, die später im Zeugenstand aussagt, in einem Prozess, der landesweit Schlagzeilen machen wird.

00:27:58: Und das, sagt sie heute, verdankt sie vor allem den Großeltern.

00:28:02: Lisa ist regelmäßig bei ihren Großeltern zu Gast.

00:28:05: Sie wird dort immer mit großer Herzlichkeit empfangen und ihre Großeltern interessieren sich aufrichtig für sie.

00:28:11: Sie fragen, wie es ihr geht.

00:28:12: Sie hören ihr zu, ohne sie zu unterbrechen oder zu bewerten.

00:28:16: Aber Lisa erzählt da auch nicht so viel von zu Hause.

00:28:19: Hält es auch im Geheimen?

00:28:21: Genau, sie erzählt nicht, was dort los ist zu Hause und wie die Mutter sie behandelt.

00:28:25: Perfekt.

00:28:26: Sie schenken ihr Anerkennung, sie loben sie für das, was sie tut und vor allem für das, was sie ist.

00:28:33: Ich war dort einfach in einer ganz anderen Welt.

00:28:36: Ich war dort tatsächlich geborgen.

00:28:39: Ich habe es einfach sehr genossen, diese Oase und ... hab meine Großeltern wahnsinnig lieb gehabt, dafür, dass ich dort so eine Heimat eigentlich finden durfte.

00:28:51: Und dass die mich auch ... Ich glaub, die hatten mich wirklich lieb.

00:28:55: Die haben mich, glaub ich, genauso mit so einer Liebe geliebt wie ich die auch.

00:29:01: Als Lisa neun Jahre alt ist, trennen sich ihre Eltern.

00:29:04: Ihr Vater Paul zieht aus, Lisa bleibt bei ihrer Mutter.

00:29:08: Die lernt schnell einen neuen Mann kennen, nämlich Georg.

00:29:12: Georg ist ganz anders als Lisa's Vater.

00:29:15: Er ist freundlich und aufmerksam, erfährt Motorrad und er trägt oft eine schicke Lederkombi und er ist sehr sportlich.

00:29:23: Lisa ist begeistert.

00:29:24: Das Wichtigste ist aber, Georg sieht sie.

00:29:28: Er spricht mit ihr, als wäre sie jemand gezählt.

00:29:32: Brigitte und Geoar geben sich in den Jahrhundert das Jahrwort.

00:29:35: Da ist Lisa knapp zehn Jahre alt.

00:29:38: Brigitte ist zu diesem Zeitpunkt schon schwanger.

00:29:40: Lisa ist halb Schwester unterwegs.

00:29:43: Alle sind glücklich, vor allem Lisa, die nun auf leichtere Zeiten hofft.

00:29:48: Vielleicht wird jetzt alles besser, mit dem neuen Mann ihrer Mutter im Haus.

00:29:52: Vielleicht wird dies der Anfang von etwas Gutes.

00:29:55: Aber weder Lisa noch Georg können zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass diese Ehe-Schließung in einer Katastrophe enden wird.

00:30:03: Und dass ein Verbrechen am Ende dieser Ehe stehen wird.

00:30:06: Ein Verbrechen.

00:30:07: dass auf den ersten Blick perfekt erscheint.

00:30:10: Die Monate vergehen und inzwischen ist Lisas Schwester Heike auf der Welt.

00:30:14: Brigitte kümmert sich nur im Notfall um die kleine Heike.

00:30:17: Die Betreuung des Babys bleibt deshalb zum größten Teil an Lisa hängen.

00:30:21: Die füttert und wickelt das Baby und oft bringt sie die kleine Heike vor der Schule in den Kinderhort und holt sie dort nach der Schule auch wieder ab.

00:30:29: Lisa ist sehr glücklich, sich um ihre Schwester kümmern zu können, denn sie ist einsam.

00:30:34: Freunde hat sie nicht und die Kälte und Ablehnung ihrer Mutter.

00:30:37: machen ihr nach wie vor zu schaffen.

00:30:40: Und diese Mutter weiß, was sie da tut und wie sie das ganze spielt.

00:30:44: Denn sie verbietet Lisa mit irgendjemandem über das zu sprechen, was zu Hause geschieht und was da so abläuft.

00:30:51: Sollte sie jemals erfahren, dass irgendjemand weiß, was los ist.

00:30:56: Also zum Beispiel von Lisa's Übelkeit beim Abendessen.

00:31:00: oder auch von ihrem sonstigen Verhalten.

00:31:02: Wenn sie sich also irgendwo beschweren sollte, dann, so droht sie, würde dieser Person, der sie sich anvertraut, etwas Schreckliches zustoßen.

00:31:12: So hat Lisa es in Erinnerung.

00:31:14: Sie hat Angst, sich anderen Kindern oder Menschen zu öffnen.

00:31:17: Nicht nur aus Scham, sondern aus wirklicher Furcht.

00:31:21: Furcht davor, sich zu verraten und furcht davor, dass jemand hinter die Fassade blickt.

00:31:27: Sie hat Angst vor dem, was dann passieren könnte.

00:31:31: Lisa hat auf Leichtigkeit gehofft, auf ein bisschen Frieden, aber schon kurz nach der Hochzeit beginnt sich etwas zu verschieben.

00:31:38: Erst kaum spürbar, aber dann immer deutlicher.

00:31:40: denn der Ton im Haus verändert sich.

00:31:44: Brigitte spricht mit Georg nicht mehr wie mit einem Partner, sondern wie mit einem Angestellten, einem, der zu funktionieren und der ihre Vorstellungen umzusetzen hat und das ohne Diskussionen und Widerspruch.

00:31:57: Lisa spürt diese Verschiebung früh, auch wenn sie es damals noch nicht vollständig einordnen

00:32:02: kann.

00:32:03: Was Lisa in dieser Zeit zunehmend auffällt, wenn sie abends gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater am Esszimmertisch sitzt, wird ihr beim Abendbrot oft übel.

00:32:14: Das ist nicht neu.

00:32:15: Dieses flaue Gefühl im Magen kennt sie bereits seit der frühesten Kindheit.

00:32:19: Neu ist allerdings, dass sie damit nicht mehr alleine ist.

00:32:23: Denn auch Georg, ihrem Stiefvater, scheint das Essen der Mutter immer schlechter zu bekommen.

00:32:31: Es war dann so, dass wir beide eigentlich relativ gleiche Symptome hatten, also Übelkeit oder eben dann Bauchschmerzen oder beides.

00:32:43: Für ihn war das neu und ich glaube, dass er.

00:32:45: als Kind mit zehn Jahren habe ich schon wahrgenommen, dass er den Zusammenhang nicht hergestellt hat, dass das jetzt unbedingt an den Mahlzeiten zu Hause liegt.

00:32:58: Etwa zu dieser Zeit beginnt Lisa Stiefvater Georg abends regelmäßig Alkohol zu trinken.

00:33:04: Drei, manchmal vier Flaschen Bier, dazu ein oder zwei Schnepse.

00:33:08: Manchmal auch einen Konjac, den er besonders gern mag.

00:33:12: Der Ablauf nach dem Abendessen ist immer derselbe.

00:33:15: Lisa bringt ihre kleine Halbschwester ins Bad, wäscht ihr das Gesicht und zieht ihr den Schlafanzug an.

00:33:21: Dann gehen sie zusammen ins Kinderzimmer.

00:33:23: Lisa liest eine kurze Geschichte vor und summt ein gute Nachtlied, bis Heike die Augen zufallen.

00:33:29: Dann geht sie zurück in die Küche.

00:33:31: Dort stehen schon meist die Gläser für Georg bereit, das Bier, der Schnaps, manchmal auch der Konjak.

00:33:38: Ihre Mutter hat immer schon alles vorbereitet und es ist nun Lisa's Aufgabe, die Gläser ins Wohnzimmer zu bringen und Georg zu geben.

00:33:46: Doch eines Abends ist etwas anders.

00:33:51: Und irgendwann war ich ein bisschen zu früh dran?

00:33:53: Warum auch immer.

00:33:54: Und bin in die Küche einfach gekommen und da habe ich gesehen, wie sie ein weißes Pulver in den Schnapsgränen geschüttet und eben verrührt hat.

00:34:05: Und sie hat erst gar nicht gemerkt, dass ich da gestanden habe und dass ich das gesehen habe.

00:34:10: Und ich glaube, dass ihr nicht klar gewesen ist, wie lange ich da schon stand.

00:34:13: Also sie hat dann so getan, als wäre gar nichts gewesen und hat gesagt, ich soll ihm das dann eben bringen ins Wohnzimmer.

00:34:23: Lisa nimmt das kleine Glas, in das ihre Mutter gerade das weiße Pulver eingerührt hat und bringt es ins Wohnzimmer.

00:34:30: Georg bedankt sich und trinkt.

00:34:32: Er ist einen Schluck, dann einen zweiten.

00:34:35: Und plötzlich verdreht er die Augen.

00:34:37: Schaum tritt aus seinem Mund, sein Atem wird röchelnd.

00:34:40: Lisas Stiefvater ringt um Luft und sein Körper krampft.

00:34:44: Lisa ist entsetzt, sie startet Georg an und tritt dann in Panik einen Schritt zurück.

00:34:50: Ich bin also so gegen sie gerannt und habe gesagt, was hast du dem denn jetzt gegeben?

00:34:54: Was ist denn da drin?

00:34:56: Und der stirbt.

00:34:57: und dann hat sie mich halt angeschaut und hat gesagt, also wer hat es ihm denn gegeben?

00:35:02: Ich habe ihm nichts gebracht.

00:35:04: Und da habe ich verstanden, okay, also ich bin einfach geliefert.

00:35:10: Also wenn der jetzt stirbt, bin ich eine Mörderin und dann gehe ich... Also für mich war völlig klar, ich gehe ins Gefängnis, ich habe den jetzt umgebracht.

00:35:18: Georg liegt inzwischen auf dem Boden.

00:35:20: Lisa kniet sich hin und schüttelt ihn.

00:35:22: Sie ist völlig aufgelöst.

00:35:24: Hinter ihr steht ihre Mutter, aber die scheint absolut teilnahmslos zu sein.

00:35:29: Lisa ruft Georgs Namen, ihre Stimme überschlägt sich.

00:35:33: Dann endlich geht ein Ruck durch den Körper ihres Stiefvaters.

00:35:36: Er kommt zu sich und er übergibt sich.

00:35:39: Die Krämpfe hören auf und er kann wieder atmen.

00:35:43: Ich war durchgeschwitzt.

00:35:45: Ich war körperlich völlig am Ende.

00:35:48: Also

00:35:49: da gemerkt, wir sind hier in einer völlig neuen Dimension jetzt unterwegs und haben natürlich auch dann vermutet, dass was auch immer sie da reingetan hat, sicherlich auch in unserem Essen sein wird.

00:36:00: Lisa ist da noch ein Kind.

00:36:02: Sie ist etwa zwölf Jahre alt.

00:36:04: Als ihr klar wird, womit sie es hier zu tun hat.

00:36:08: Das ist hier wirklich eine neue Dimension, wie sie es nennt.

00:36:12: Ihre Mutter greift offenbar gezielt zu Substanzen, zu Medikamenten, zu Pulver, zu irgendetwas, das man beim Kochen oder beim Einschenken unbemerkt untermischen kann.

00:36:23: Nicht aus Versehen, sie hat es ja gesehen, sondern mit Absicht, um Menschen zu schaden, um Georg zu schaden und auch ihr, dem eigenen Kind, Lisa.

00:36:34: Für die Zwölfjährige ist das ein tiefer Schock.

00:36:37: Sie erkennt in diesem Moment, dass ihre Mutter bereit ist, mit dem Leben anderer zu spielen.

00:36:44: Eiskalt, berechnend und ohne sichtbare Reue.

00:36:48: Denn dass Georg gerade eben auch hätte sterben können, das ist Lisa völlig klar.

00:36:54: Also ab da bin ich davon ausgegangen, dass sie wirklich etwas ins Essen reinmixt und dann tatsächlich ... Richtig Angst gehabt.

00:37:06: Und noch mal aus Sicht von Lisa kann sie sich niemandem anvertrauen.

00:37:10: Sie wird von der Mutter zu der Zeit schon massiv bedroht, was das angeht.

00:37:16: Also wenn sie sich jemandem anvertraut, dann wird diesen Menschen etwas Schreckliches passieren.

00:37:22: Genau.

00:37:22: Das ist ganz schlimm.

00:37:24: Also das Kind weiß ja jetzt, es geht um Leben um Tod.

00:37:28: Das hat sie kapiert.

00:37:29: Lisa spricht mit niemandem.

00:37:31: Also dieses System ihrer Mutter, diese Drohung, dass demjenigen, dem Lisa sich anvertraut, etwas Schreckliches passieren wird, das funktioniert bestens.

00:37:41: Also Lisa hat Angst um ihr eigenes Leben, aber sie hat auch Angst um das Leben desjenigen, dem sie erzählen würde, was sie zu Hause erlebt hat.

00:37:49: Und sie hat ja an diesem Abend eine eindrucksvolle Demonstration davon erhalten, zu was ihre Mutter fähig ist.

00:37:56: Und auch das, ein ganz klares Symptom oder Merkmal der nazistischen Persönlichkeitsstörung, Drohung.

00:38:04: Drohung mit einem Übel und die einzelnen Menschen, die Opfer, dadurch auch immer mehr isolieren.

00:38:13: Und so kommt es auch.

00:38:14: Das Kind spricht nicht in der Schule, nicht bei Freundinnen, nicht mal bei den geliebten Großeltern.

00:38:19: Wenn sie gefragt wird, ob zu Hause alles in Ordnung ist, dann nickt sie immer nur.

00:38:24: Und sie redet auch nicht mit Georg über ihre Beobachtung.

00:38:27: Ihr ist klar, dass jede, nennen wir es jetzt mal, indiskretion ihrerseits, Tod bedeuten kann.

00:38:34: Von wem auch immer.

00:38:36: Und dass es hier nicht ob etwas Wages geht, um etwas Ungefähres, das weiß Lisa seit diesem Abend, als ihre Mutter das weiße Pulver in Georgs Glas gemischt hat.

00:38:46: Und das weiß sie ganz genau.

00:38:48: Hier herrscht eine konkrete... greifbare Gefahr.

00:38:52: Genau.

00:38:53: Und jetzt könnte man ja immer noch meinen, ja, das handelte sich hier lediglich um die subjektive Wahrnehmung einer Tochter, die halt ein geringes Selbstwertgefühl hat.

00:39:04: Doch, das sei gesagt an der Stelle schon, es wird der Moment kommen, an dem Clown deutlich wird, dass ihre Einschätzungen begründet sind, dass die richtig sind und dass ihre eigene Mutter eine sehr gefährliche Frau ist.

00:39:18: Georgs Alkoholkonsum nimmt nun rapide zu.

00:39:22: Er gibt seine früheren Hobbys auf, auch den Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie lässt ihr zunehmend schleifen.

00:39:29: Lisa vermutet, dass ihren Stiefvater eine große Scham belastet.

00:39:34: Dass ihm klar geworden ist, in welche Abhängigkeit er hier geraten ist.

00:39:39: Vielleicht waren es aber auch einfach die Pulver vom Brigitte, die diesen lebenslustigen und sportlichen Mann so verändert haben.

00:39:46: Wir wissen es nicht.

00:39:48: Beziehungsweise, ich denke, er ist auf anderer Art, auf Erwachsenen-Ebene genauso Opfer dieser Isolation.

00:39:56: Das ist eben wieder dieses nazistische System.

00:39:59: Auch ihn wird es immer mehr abgewertet haben und eben von anderen getrennt haben.

00:40:05: Irgendwann fühlst du dich alleine.

00:40:06: Lisa geht damit anders um.

00:40:08: Der Vater, der Stiefvater, der flüchtet sich in den Alkohol.

00:40:13: Tatsache ist, Georg und Lisa entfremden sich dadurch auch immer mehr.

00:40:19: Auch das Herzsystem in der eigenen Familie, die Gräben immer größer machen.

00:40:25: Sie verstehen sich nicht mehr und zwischen ihnen herrscht nun Unverständnis und Distanz.

00:40:31: Für Lisa hat sich sonst nichts geändert.

00:40:33: Ihre Mutter kritisiert sie weiterhin, unablässig und gnadenlos.

00:40:37: Sie erniedrigt sie, schikaniert sie und findet in allem, was Lisa macht, einen Fehler.

00:40:43: Nichts ist gut genug.

00:40:44: Und nichts ist richtig.

00:40:46: Lisa erinnert sich genau.

00:40:48: In der Schule lässt sie nie etwas fallen.

00:40:50: Bei den Großeltern stößt sie sich nicht.

00:40:52: Sie läuft nirgends dagegen, benimmt sich unauffällig, ruhig und kontrolliert.

00:40:57: Doch sobald sie die Wohnung ihrer Mutter betritt, scheint sich etwas zu verändern.

00:41:01: Sie wird fahrig, unsicher, ein tollpatschiges Mädchen, wie ihre Mutter sie spöttisch nennt.

00:41:06: Dabei weiß Lisa im Grunde ganz genau, es liegt nicht an ihr.

00:41:09: Es ist die Angst, die sie aus dem Gleichgewicht bringt und das Wissen, dass ein einziger falscher Handgriff reichen kann, um neuen Zorn auszulösen.

00:41:18: Die Fachleute, die über nazistische Persönlichkeitsstörung berichten, ernähren das.

00:41:24: diese Kinder und auch Familienmitglieder.

00:41:28: gehen ständig auf Eierschalen.

00:41:30: Es ist ein Leben, als würdest du auf Eierschalen gehen.

00:41:33: Und ich finde, das beschreibt sehr gut, so kann man sich das gut vorstellen.

00:41:36: Innerhalb der älterlichen Wohnung ändert sich für Lisa nichts, aber außerhalb sehr wohl.

00:41:41: Denn Lisa, die nie Freunde hatte, die lernt nun nach einem Schulwechsel ein Mädchen und einen Jungen kennen, die sie einfach mögen.

00:41:49: So schließt sie zum ersten Mal richtige Freundschaften, natürlich ohne zu erzählen, wie es bei ihr zu Hause aussieht.

00:41:57: Ich war total dankbar dafür, dass die mich einfach mochten.

00:42:01: Und ich habe aber auch gemerkt, dass ich mich da nicht immer entschuldigen muss für irgendwas oder nicht immer bedanken muss für irgendwas.

00:42:07: Ich habe also nur erzählt, dass es mir schlecht geht zu Hause.

00:42:13: Und ich habe das meistens mit so Worten gesagt, so schlimm wie du es dir vorstellen kannst und noch ein bisschen schlimmer.

00:42:18: So ist es bei mir zu Hause.

00:42:22: Und die Mutter lernt sogar diese Freundin kennen und auch die Freundin, natürlich wie alle, findet die Mutter ganz toll.

00:42:32: Also die Mutter ist immer einnehmend und nett und ich finde, das macht sie ja noch schlimmer.

00:42:37: Das führt ja oft auch bei Opfern von Narzisten dazu, dass die an sich selber zweifeln.

00:42:43: Dieses Umdrehen, ich bin gar nicht die Böse, du hast den Knall, was spinnst du denn, was bildest du dir denn ein und so.

00:42:51: Und wenn dann auch noch das ganze Umfeld manipuliert wird und alle sagen, du hast da so eine tolle Mutter, das ist schon gruselig, wenn du dir selber ja auch nicht mehr trauen kannst.

00:43:01: Hier kommen also ganz viele Mosaik-Steine zusammen, die das Bild der Mutter ganz klar zeichnen.

00:43:09: Lisa ist jetzt siebzehn Jahre alt und nun kommt Bewegung in ihr Leben.

00:43:13: Sie möchte die Wohnung ihrer Mutter verlassen.

00:43:15: Sie möchte frei sein und unabhängig und sie bewirkt sich heimlich bei der Wohnungsvergabe ihrer Heimat statt.

00:43:22: In dieser Zeit lernt Lisa Klaus kennen einen jungen Mann, in den sie sich verliebt.

00:43:26: Die beiden werden ein Paar und Lisa ist mehr denn je entschlossen, die Flucht zu wagen.

00:43:30: Sie schließt die Schule mit siebzehn Jahren ab und beginnt mit einer Ausbildung zu erziehern.

00:43:36: Lisa bemüht sich jetzt um eine Wohnung.

00:43:38: Heimlich, alles heimlich.

00:43:39: Immer wieder spricht sie bei der Wohnungsvergabe vor und eine Sachbearbeiterin dort ist der erste Mensch, dem Lisa alles erzählt.

00:43:48: von ihrer eiskalten Mutter, von den verschimmelten Lebensmitteln, von der ständigen Übelkeit und von ihrem Stiefvater, der vor einigen Jahren fast gestorben wäre, als Lisa in das Glas mit Alkohol und Pulver gereicht hatte.

00:44:01: Es sprudelt plötzlich nur so aus Lisa heraus.

00:44:04: und diese Sachbearbeiterin, die handelt.

00:44:07: Sie sucht sofort eine freie Wohnung heraus und bietet sie Lisa an.

00:44:12: Ja, und ich habe gesagt, ich nehme die Wohnung, ich gehe da gar nicht hin.

00:44:15: Also ich brauche die gar nicht angucken, ich nehme die Wohnung und da hat sie dann wirklich auch geweint und hat... Entschuldigung.

00:44:26: Das ist eigentlich dann die Person, der ich eben unfassbar viel verdanke, weil ich habe dann... Also sie hat mich gezwungen quasi, sie hat gesagt, ja, die Wohnung ist dir sicher, jetzt geht trotzdem, guck die an, verdammt.

00:44:36: Und dann bin ich dahin gegangen, habe die angeguckt.

00:44:39: Und hab die bin zurück, war in zehn Minuten da wieder zurück und hab gesagt, ja, natürlich nehm ich die.

00:44:44: Und dann hat sie mir sofort alles Mietvertrag geschrieben und so weiter.

00:44:48: Ja, stark.

00:44:49: Ein Schlüsselmoment im wahrsten Sinne.

00:44:53: Ab diesem Moment beginnt Lisa heimlich, sich auf ihre Flucht und ihr neues Leben vorzubereiten.

00:44:58: Immer, wenn sie mal kurz alleine zu Hause ist, sucht sie nach Dokumenten, nach ihren Zeugnissen, ihrer Geburtsurkunde.

00:45:05: Alles, was sie später halt mal brauchen könnte.

00:45:07: Bevor sie wie gewohnt ihre Schwester von der Schule abholt oder einkaufen geht, bringt sie alles in ihre neue Wohnung.

00:45:14: deponiert sie es, dann kehrt sie zurück und erfüllt wie gewohnt ihre Aufgaben im Elternhaus, in der Hoffnung, dass nichts aufliegt.

00:45:24: Eines Morgens, es ist ein Freitag, erklärt Lisa ihrer Mutter, dass sie an diesem Tag ihre Schwestern nicht aus dem Hork abholen könnte.

00:45:31: Ihre Mutter müsse eine andere Lösung finden.

00:45:33: Dann verabschiedet sie sich und verlässt die Wohnung ihrer Mutter.

00:45:37: Lisa ist siebzehn Jahre alt und sie vertraut sich im Vorfeld ihrer Flucht niemandem an, nicht einmal ihren geliebten Großeltern.

00:45:45: Sie zieht das alles ganz alleine durch.

00:45:48: Und Lisa geht an einem Freitag, wenn sie weiß, dass ihre Mutter ihr am folgenden Tag vor der Schule auflauern würde, wenn sie einen anderen Wochentag gewählt hätte.

00:45:56: So hat Lisa das Wochenende, um sich erst einmal zu sammeln.

00:46:00: Hab quasi eine Decke irgendwie noch gehabt und hab dann in einer leeren Wohnung einen Waschbecken gab's.

00:46:07: Ein Klo halbetreppet tiefer gab es und es war, es.

00:46:09: mehr hatte ich nicht.

00:46:12: Das war meine Wohnung und ich war superglücklich.

00:46:16: Freiheit.

00:46:18: Lisa hat in den folgenden Jahren nur noch sehr wenig Kontakt zu ihrer Mutter und später dann gar kein mehr.

00:46:25: Sie schließt ihre Ausbildung zur Erzieherin ab und geht nach der Wende in den Westen, nach Baden-Württemberg.

00:46:31: Dort macht sie einen weiteren Abschluss und arbeitet in einer Einrichtung für Kinder.

00:46:36: Lisa ist zufrieden.

00:46:38: Nur dass sie keinen Kontakt mehr zu ihrer kleinen Schwester Heike hat, das schmerzt sie.

00:46:42: Dennoch sieht Lisa kein Weg, sich Heike zu nähern, ohne dabei zwangsläufig auch den Kontakt zu ihrer Mutter wieder aufzunehmen.

00:46:50: Und genau das kommt für sie auf gar keinen Fall infrage.

00:46:54: Nach einiger Zeit kehrt Lisa in ihre Heimatstadt zurück.

00:46:58: Sie studiert noch einmal und baut sich ein eigenes, ein selbstbestimmtes Leben

00:47:03: auf.

00:47:04: Irgendwann im Herbst, Er fährt Lisa, dass ihr Stiefvater Georg verstorben ist.

00:47:09: Sie hört es von ehemaligen Nachbarn und auch ihre Großeltern haben inzwischen davon erfahren.

00:47:15: Lisa ist schockiert, aber sie meldet sich trotzdem nicht bei ihrer Mutter.

00:47:19: Sie will nichts zu tun haben mit der Frau, die sie ihre ganze Kindheit und Jugend übererniedrigt und transaliert hat.

00:47:26: Und deshalb weiß Lisa auch nicht, wie ihr Stiefvater zu Tode gekommen ist.

00:47:30: Und es wird noch sehr, sehr viele Jahre dauern, bis sie erfährt.

00:47:34: was passiert ist.

00:47:36: Aber wir wissen, was in der Nacht vom zehnten Mai im Haus ihrer Mutter geschehen ist.

00:47:42: Oder, um es genauer zu sagen, wir wissen, was die einzige Zeugin dieses Todesfalls darüber

00:47:48: ausgesagt hat.

00:47:52: Am Abend des zehnten Mai scheint im Haus von Georg um Brigitte alles normal.

00:47:59: Brigitte ist oben in der Küche, während Georg noch unten im Keller arbeitet.

00:48:04: Dort, im Untergeschoss ihres großzügigen Bungalows, befindet sich sein Arbeitszimmer.

00:48:11: Der neunundvierzigjährige ist seit kurzem selbstständiger Versicherungsmarkler, doch das Geschäft läuft schleppend und der Druck ist sehr groß.

00:48:19: Kurz vor dem Zubettgehen bringt Brigitte ihrem Mann noch eine Schüsselpfeffer-Mins-Eis in sein Büro im Keller.

00:48:26: Danach nimmt sie eine Schlaftablette und geht zu Bett.

00:48:30: Was in den nächsten Stunden geschieht, wird in den folgenden Tagen Gegenstand polizeilicher Ermittlungen sein.

00:48:36: Georg ist das Eis und trinkt eine große Menge Alkohol.

00:48:41: Irgendwann in der Nacht verliert er das Bewusstsein.

00:48:45: Er fällt nach vorn, schlägt mit dem Kopf auf den Schreibtisch auf und rutscht dann vom Stuhl auf dem Boden.

00:48:52: Dort findet Brigitte ihrem Mann gegen sieben Uhr morgens.

00:48:56: Er liegt auf dem Rücken, hat eine kleine Platzwunde am Kopf und reagiert nicht, als Brigitte seinen Namen ruft.

00:49:03: Sie läuft zum Telefon und wählt die Notrufnummer.

00:49:07: Da ist es sieben Uhr zwanzig.

00:49:09: Wenige Minuten später trifft das Rettungsteam ein.

00:49:12: Der Notarzt kann nur noch Georgs Tod feststellen.

00:49:16: Eineinhalb Stunden später, gegen acht Uhr dreißig, betreten zwei Kriminalbeamte das Haus vom Brigitte.

00:49:24: Sie untersuchen Georgs Arbeitszimmer.

00:49:27: Auf seinem Schreibtisch steht eine halbleere Bierflasche.

00:49:30: Sein Computer läuft noch.

00:49:32: Spuren eines Kampfes oder eines Einbruchs sind nicht zu erkennen.

00:49:37: Der Todeszeitpunkt wird auf etwa zwanzig Uhr geschätzt.

00:49:41: Nun wird Brigitte von den Kriminalbeamten befragt.

00:49:45: Sie berichtet unter Tränen von der langjährigen Alkoholabhängigkeit ihres Mannes.

00:49:50: Und sie fügt hinzu, dass ihr Mann gelegentlich sogar Desinfektionsmittel getrunken habe, um seine Sucht zu befriedigen.

00:49:58: Georg wird inzwischen in die Rechtsmedizin

00:50:01: gebracht.

00:50:01: Dort stellen die Gutachter fest, dass er drei Promille Alkohol im Blut hatte.

00:50:06: Außerdem finden sie eine hohe Konzentration des Wirkstoffs

00:50:11: Nitrazepan

00:50:12: in seinem Körper.

00:50:13: Ein Wirkstoff, der oft in Schlafmitteln enthalten ist.

00:50:17: Die Kombination von Schlafmittel und Alkohol ist für Georgs Tod verantwortlich.

00:50:23: Ob Georg die Substanzen bewusst zu sich genommen hat oder ob es sich um einen tragischen Unfall handelte, bleibt ungewiss.

00:50:31: Fremdverschulden jedenfalls wird ausgeschlossen.

00:50:34: Und kurze Zeit später wird Georg eingeäschert und in einem urnen Grab

00:50:39: beerdigt.

00:50:46: Wie gesagt, Lisa weiß von all dem nichts.

00:50:48: Sie hört nur, dass ihr Stiefvater gestorben ist.

00:50:52: Aber sie meldet sich nicht bei ihrer Mutter.

00:50:54: Sie möchte nach wie vor keinen Kontakt haben.

00:50:56: Lisa will mit der Vergangenheit abschließen.

00:50:59: Sie lebt jetzt, Gott sei Dank, ihr eigenes Leben.

00:51:02: Details über den Tod von Georg sind ihr nicht bekannt.

00:51:07: Aber ... Natürlich fragt man sich trotzdem, sie hat ja einiges gesehen als Kind zu Hause.

00:51:13: Da konnte sie ja eigentlich nicht ausschließen, dass die Mutter vielleicht irgendwas mit dem Tod des Stiefers das zu tun gehabt haben könnte.

00:51:21: Lisa sagt, dass sie die Erinnerungen an beide wegschieben musste, also auch an Georg, denn sie hatten sie schlecht behandelt und hatten ihr die Kindheit zur Hölle gemacht.

00:51:30: Und sie beschäftigte sich einfach nicht mehr mit dem Thema.

00:51:32: Es ging sie nichts an, so hat sie das gesehen?

00:51:35: Also der Stiefvater war der Mitläufer, das wirft sie ihm auch vor.

00:51:39: Genau.

00:51:39: Und so hat sie es verdrängt.

00:51:40: Und so hat sie es verdrängt, genau.

00:51:42: Es gibt ja auch keine Berührungspunkte mehr.

00:51:44: Lisa hat nach wie vor zwar engen Kontakt zu ihrer mittlerweile alten Oma, aber auch die Oma hat zur eigenen Tochter.

00:51:53: mittlerweile den Kontakt abgebrochen.

00:51:55: Also ganz klar, Lisa und die Mutter leben dadurch jetzt wirklich in völlig getrennten Welten.

00:52:02: Und das ist natürlich für Lisa auch gut und richtig so.

00:52:06: Und in meiner Frage sollte auch kein Vorwurf stecken.

00:52:09: Man muss aber ja das schon nachvollziehen können, warum sie sich wie verhält.

00:52:15: Es vergehen viele Jahre.

00:52:17: Lisa ist inzwischen selbst Mutter geworden.

00:52:20: Sie hat drei Kinder, die sie mit großer Fürsorge und Achtsamkeit begleitet, ganz anders als sie es selbst in ihrer Kindheit erlebt hat.

00:52:28: Und Lisa wagt noch einmal einen Neuanfang.

00:52:30: Sie nimmt ein weiteres Studium auf, sie arbeitet hart und baut sich Schritt für Schritt eine eigenständige Existenz auf.

00:52:38: Ihre Großeltern sind inzwischen gestorben, aber Lisa denkt sehr oft an sie.

00:52:42: Sie weiß, dass sie vieles von dem, was jetzt ihr Leben ausmacht, der Liebe ihrer Großeltern zu verdanken hat, die immer an sie geglaubt und sie bedingungslos geliebt haben.

00:52:53: Im Jahr zwei Tausend Zwanzig erhält Lisa einem Brief.

00:52:57: Es ist eine Vorladung, eine Vorladung vor Gericht.

00:53:01: Es geht um eine Zeugenaussage in einem Mordfall.

00:53:06: Lisa denkt im ersten Moment gegen sie, läge irgendetwas vor.

00:53:12: Dann habe ich eben dort angerufen und habe gefragt, ja, was ist jetzt los?

00:53:15: Und dann haben die gesagt, nee, es geht nicht um sie, sondern es geht um ihre Mutter.

00:53:22: Und sie sollen

00:53:23: als

00:53:24: Zeugebitter aussagen.

00:53:26: Und dann habe ich gefragt, um welchen Mord das geht.

00:53:28: Und dann haben die gesagt, dass da offensichtlich tatsächlich jetzt ein Mord nachweisbar war.

00:53:34: Was Lisa jetzt nach und nach erfährt, das klingt wie aus einem Psycho-Thriller.

00:53:39: Doch es ist die Geschichte ihrer eigenen Familie.

00:53:43: Nach dem plötzlichen Tod des Mannes im Jahr zwei Tausend drei hatte Brigitte nicht lange allein gelebt.

00:53:51: Schon wenige Monate später heiratete sie erneut.

00:53:55: Lisa's Schwester Heike hatte sich mit diesem dritten Ehemann vom Brigitte sehr gut verstanden.

00:54:00: Sie mochte ihn.

00:54:02: Doch im Jahr zwanzig, also siebzehn Jahre nach dem Tod ihres Vaters Georg, beobachtete Lisa's Schwester etwas, das ihr Sorgen bereitete.

00:54:13: Ihr Stiefvater wirkte zunehmend geschwächt.

00:54:17: Heike lebte natürlich schon lange nicht mehr zu Hause.

00:54:20: Sie war jetzt eine erwachsene Frau, aber sie war zu dieser Zeit sehr oft Gast bei ihren Eltern.

00:54:26: Und ihr fiel auf, dass es immer wieder zu Streit zwischen den Ehepartnern kam und dass ihre Mutter ganz massiv versuchte, ihren dritten Ehemann unter Druck zu setzen, ihn herabzuwürdigen und zu demütigen.

00:54:40: Kurz und gut, Lisa Schwester Heike hatte Angst, dass ihrem Stiefvater etwas zustoßen könnte.

00:54:47: Deswegen fasste sie einen Entschluss.

00:54:49: Im Sommer of the year of the year, im Sommer of the year of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the year, im Sommer of the.

00:55:15: Ihre Mutter Brigitte gab sich sehr auskunstfreudig.

00:55:17: Sie berichtete, wie ihr zweiter Ehemann Georg Heikes Vater, siebzehn Jahre zuvor in seinem Büro im Keller des Hauses verstorben war.

00:55:27: Brigitte erzählte, dass sie Georg Gift in einen Becher mit Pfefferminzeis gemixt hätte und ihm danach noch eine ganze Flasche Cognac eingeflößt hätte.

00:55:36: Dann habe sie Georg noch Desinfektionsmittel zu trinken gegeben und danach noch Schnaps.

00:55:41: Dann sei sie schlafen

00:55:42: gegangen.

00:55:43: Also Fakt ist, der Tod von Heikes Vater, Georg, der zweite Ehemann, das war kein Unfall.

00:55:50: Es war nicht das tragische Ende eines Alkoholkranken.

00:55:53: Das war ein gezielter, geplanter Mord, ja eigentlich ein Giftmord.

00:55:59: Was unglaublich ist.

00:56:01: Und worüber man ja sofort stolpert ist, wie auskunftsfreudig Eitelfass, denn wir kennen diese Aussagen, wir haben das alles nachgelesen.

00:56:13: Sie, dass der Tochter, die ihr eine Falle gestellt hat, wie sie das schildert.

00:56:18: In aller Ausführlichkeit.

00:56:20: Also sie ist da hochzufrieden mit sich.

00:56:24: Und schildert genau, ja, das hat er ja dann noch geschluckt.

00:56:27: Und dann habe ich noch hinterher und dann habe ich noch das Desinfektionsmittel.

00:56:31: Das hat schon eine besondere Qualität.

00:56:34: Hier schließt sich auch der Kreis.

00:56:38: der nazistischen Persönlichkeitsbehaltung, denn diese Störung hat ja ganz viel mit der Gier nach Anerkennung zu tun.

00:56:47: Und wenn du siebzehn Jahre lang als krankhafter Nazist darüber schweigen musstest, was du für einen perfekten Mord gemacht hast, dann kannst du natürlich leicht in so eine Falle dappen.

00:56:58: Das hat die Tochter, glaube ich,

00:57:00: auch

00:57:01: genutzt und gespürt.

00:57:02: Die wusste auch, wenn sie davor sich hatte.

00:57:05: Wie sie sie dran kriegen würde.

00:57:06: Wie sie sie

00:57:06: dran kriegen würde.

00:57:07: Und wenn sie einmal spricht, dann wird sie sich so gefallen, dass sie alles erzählt.

00:57:13: Das finde ich unglaublich.

00:57:15: Also und auch was für

00:57:18: ein

00:57:19: schlimmer Moment und auch ein Konflikt für die Tochter.

00:57:22: Also da schildert ihr deine eigene Mutter, die guckt ihr ins Gesicht.

00:57:27: Und schildert dir, ich glaube, das ging ja über eine halbe Stunde dieses Gesprächs, circa, ne?

00:57:32: Ja, ja,

00:57:32: zwanzig Minuten.

00:57:33: So

00:57:33: ist es aktenkundig.

00:57:35: Schildert dir, wie sie deinen Vater getötet hat.

00:57:39: Ja, die schaut dir ins Gesicht und erzählt dir das im Detail.

00:57:43: Heike beriet sich zunächst mit einer Freundin ihrer Mutter und dann noch mit einem Seelsorger.

00:57:47: Dann ging sie zur Staatsanwaltschaft.

00:57:49: Sie bat darum, mit einem Staatsanwalt zu sprechen und sie wurde tatsächlich vorgelassen.

00:57:55: Im Büro des Staatsanwalts nahm Heike Platz und sie schilderte knapp, worum es ging.

00:58:00: Dann griff sie in ihre Tasche, holte ihr Handy hervor und legte es auf den Schreibtisch.

00:58:05: Sie tippte auf den Bildschirm und ein Video begann zu laufen.

00:58:08: Und was darauf zu sehen und vor allem zu hören war, das veränderte alles.

00:58:14: Heike hatte das Gespräch mit ihrer Mutter nämlich mit ihrem Handy heimlich aufgezeichnet.

00:58:20: Also die Unterhaltung war kein Zufall.

00:58:23: Im Gegenteil, Heike hatte alles sorgfältig geplant.

00:58:27: Unter dem Vorwand, selbst große Probleme mit dem Ex-Partner zu haben, stellte sie der Mutter eine Falle.

00:58:35: Ihr eigentliches Ziel war es, Brigitte zum Reden zu bringen.

00:58:39: Und genau das war ihr tatsächlich gelungen.

00:58:43: Wenige Tage später zeigt Heike ihre Mutter an.

00:58:47: Zunächst musste geklärt werden, ob heikes Thonaufnahme überhaupt verwendet werden durfte.

00:58:51: Denn nach deutschem Recht sind heimlich aufgenommene Gespräche grundsätzlich illegal.

00:58:56: Sowohl die Aufnahme an sich als auch ihre Verwertung oder Verbreitung sind rechtswidrig.

00:59:03: Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.

00:59:07: Aber in ganz wenigen Fällen kann eine solche Aufnahme strafrechtlich gerechtfertigt sein.

00:59:13: Eine Verwendung etwa vor Gericht ist in ganz besonderen Ausnahmefällen möglich, beispielsweise wenn ein übergeordnetes Interesse vorliegt, wie der Schutz eines Kindes oder die Aufdeckung einer schweren Straftat.

00:59:26: Und das war hier der Fall.

00:59:28: Die Aufzeichnung des Gesprächs zwischen Heike und ihrer Mutter Brigitte wurde zugelassen.

00:59:33: Nun begannen die Ermittlungen.

00:59:34: Ein Toxikologe wurde hinzugezogen.

00:59:37: Seine Aufgabe?

00:59:38: Er sollte klären, ob die Details die Brigitte in dem aufgezeichneten Gespräch preisgab mit dem Obduktionsbericht und den toxikologischen Befunden von zwei Tausend drei übereinstimmten.

00:59:50: In dem Gespräch mit ihrer Tochter erwähnte Brigitte, dass sie ihrem Ehemann Georg zwei Tausend drei Nitrazepan in seinem Pfefferminzeis gemischt hatte.

01:00:01: Und tatsächlich, bereits vor siebzehn Jahren war im toxikologischen Gutachten genau dieser Wirkstoff nachgewiesen worden.

01:00:09: Nitrazepam in auffälliger Konzentration kombiniert mit einer erheblichen Menge Alkohol.

01:00:32: Das Brigitte ausgerechnet für Verminzeis gewählt hatte, um ihrem Mann das Nitrazepam zu verabreichen, war kein Zufall.

01:00:40: Der Wirkstoff stammte aus einem rezeptpflichtigen Schlafmittel, das nach Pfefferminze schmeckte.

01:00:45: Eine ungewöhnliche, aber für Brigittes Plan äußerst nützliche Eigenschaft.

01:00:51: Denn in dem Eis, das ja ebenfalls Pfefferminzaroma enthielt, fiel der Eigengeschmack der Tabletten nicht mehr auf.

01:00:58: Georg, der das Eis an jenem Abend völlig ahnungslos aß, konnte nichts Verdächtiges bemerkt haben.

01:01:04: Es war eine gezielte Entscheidung und ein Hinweis darauf, dass Brigitte ihren Ehemann bewusst und geplant vergiftet hatte.

01:01:12: Nicht im Affekt, nicht aus Versehen, sondern mit Kalkül.

01:01:17: Am dreißigsten Juni, zwei Tausend zwanzig, fand eine Hausdurchsuchung bei Brigitte und ihrem aktuellen Ehemann statt.

01:01:25: In mehreren Schränken stießen die Ermittler auf eine auffällig große Menge an Medikamenten, Packungen, Blister, Fläschchen.

01:01:33: Vieles davon Rezeptpflichtig.

01:01:35: Und zwischen all dem ein unscheinbares, aber hochinteressantes Buch.

01:01:41: Es trägt den Titel Rote Liste und es war ein Verzeichnis sämtlicher in Deutschland zugelassener Arzneimittel, inklusive Wirkstoffe, Anwendungsgebiete, Dosierungen und Nebenwirkungen.

01:01:53: Ein Nachschlagewerk, das vor allem in medizinischen Fachkreisen genutzt wird.

01:01:58: Brigitte hatte auf mehreren Seiten handschriftliche Notizen gemacht.

01:02:03: Sie hatte einzelne Medikamente markiert und sich Wirkstoffe notiert.

01:02:07: Darunter auch Nitrazepam.

01:02:11: Neben den Medikamenten und dem Exemplar der Routenliste stießen die Ermittler bei der Hausdurchsuchung auch auf einen weiteren Fund.

01:02:19: Sie entdeckten Unterlagen zu einer Lebensversicherung, abgeschlossen auf den Namen von Georg.

01:02:25: Aus diesen Papieren ging hervor, dass Brigitte nach dem Tod ihres Mannes eine Auszahlung in Höhe von thirty-fünftausend Euro erhalten hatte und zwar schon kurz nach der offiziellen Todesfeststellung im Mai.

01:02:39: Damals ging man von einem natürlichen Tod oder einem Unfall aus.

01:02:42: Der Anspruch auf die Versicherungssumme war damit unstrittig.

01:02:46: Jetzt, siebzehn Jahre später, warfen diese Versicherungsunterlagen ein ganz neues Licht auf das Geschehen.

01:02:54: Denn nicht nur die Wahl des Wirkstoffs, die gezielte Tarnung im Pfefferminseis und die offensichtliche Vorbereitung sprachen für eine geplante, vorsätzliche Tat.

01:03:04: Nun stand zusätzlich auch ein mögliches finanzielles Motiv im Raum.

01:03:09: Was zunächst wie ein tragischer Unglücksfall gewirkt hatte, entwickelte sich immer mehr zu einem Fall von eiskalt kalkuliertem Mord.

01:03:18: Brigitte wurde verhaftet und im Oktober-Zw-Zw-Zig erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Lisas Mutter.

01:03:26: Und genau das ist der Moment, in dem Lisa von den ganzen Ereignissen erfährt.

01:03:31: Sie wird als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren wegen eines möglichen Tütungsdelikt vorgeladen.

01:03:37: Von all den Umständen des Todes und den jüngsten Entwicklungen von dem aufgezeichneten Gespräch zwischen ihrer Schwester Heike und ihrer Mutter von der Hausdurchsuchung und der Verhaftung von Brigitte hatte sie bis zu diesem Moment nichts gewusst.

01:03:51: Lisa betritt wenige Tage später den Gerichtsaal.

01:03:54: Und sie macht sich bereit für ihre Aussage.

01:03:56: Zunächst stellt ihr die Richterin ein paar Fragen.

01:03:59: Dann bittet sie Lisa einfach zu erzählen, was sie erlebt hat.

01:04:03: Lisa holt Tiefluft und beginnt zu sprechen.

01:04:06: Im Saal ist es ganz still, als Lisa redet.

01:04:09: Gefasst, geordnet und ohne Zorn.

01:04:14: Die Richterin war so zwei Meter von mir weg und diese Frau saß vielleicht ein Meter fünfzig rechts von mir und das war ein unfassbar krasser Moment, weil sie völlig die Fassung verloren hat, als sie mich gesehen hat.

01:04:28: Also sie weiß sie nicht.

01:04:30: Sie war total entsetzt.

01:04:32: Ich glaube, die hat bis zum Ende nicht gedacht, dass ich wirklich vielleicht da jetzt kommen würde.

01:04:37: Und sie sagt, diese Frau, sie nennt sie bewusst nicht mehr Mutter.

01:04:41: Brigitte ist nur noch Die Frau, diese Frau für sie.

01:04:45: Und es ist das erste Mal, dass Lisa ihrer Mutter direkt sagen kann, was sie ihr angetan hat, was ihre Worte, ihr Verhalten und ihre Kälte in ihrer Kindheit angerichtet haben.

01:04:57: Und nun sitzt Brigitte da, sie kann nicht weglaufen, denn sie ist gefesselt an Händen und Füßen.

01:05:04: Und sie ist ihr ganzes Leben.

01:05:05: Also, solange ich das geteilt hatte, ist sie mit allem immer durchgekommen.

01:05:10: Und ich wusste ja von vielen Sachen, Und ich habe immer gedacht, wie in den Geschichten bei meinen Großeltern, wie in den Piratenfilmen, dass es rauskommt.

01:05:19: Es ist nie rausgekommen.

01:05:20: Plötzlich ist das alles auf dem Tisch.

01:05:23: Und es lag alles offen da.

01:05:24: Und ich war völlig überwältigt.

01:05:28: Und weil für mich war einfach das Triumphale, dass ihre Fasade so gebröckelt ist und dass sie selber zum ersten Mal, glaube ich, Angst hatte, was jetzt wird.

01:05:41: Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück und dann wird das Urteil verkündet.

01:05:46: Brigitte habe ihren Ehemann heimtückisch ermordet, so das Urteil.

01:05:50: Brigitte wird schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

01:05:55: Als dann das Gericht zurückgekommen ist und hat dann das Urteil verkündet, ist es, glaube ich, für sie, also für diese Frau eine Well zusammengebrochen.

01:06:04: Lisa verlässt den Gerichtssaal.

01:06:06: Sie blickt nicht zurück.

01:06:08: Sie wendet sich wieder ihrem eigenen Leben zu, ihrer Praxis, die sie inzwischen als Psychologin führt, ihren drei Kindern und ihrem Alltag.

01:06:16: Von Brigitte konnte Lisa sich innerlich abkoppeln.

01:06:20: Und auch dieser Prozess hat nicht dazu geführt, dass Lisa in Hass oder Trauer verfallen wäre.

01:06:27: Wenn ich an sie denke, fühle ich gar nichts.

01:06:29: Da ist nichts.

01:06:30: Also da ist kein Hass.

01:06:32: Die Trauer ist auch nicht mehr da.

01:06:36: Da ist einfach Leere.

01:06:37: Aber nicht eine schlimme Leere, sondern eine schöne Leere.

01:06:40: Das klingt jetzt vielleicht auch komisch.

01:06:42: Aber wenn ich an sie denke, ist einfach nichts da.

01:06:47: Der Prozess liegt nun schon einige Jahre zurück und Brigitte ist seitdem inhaftiert.

01:06:53: Und obwohl Lisa mit ihrer Vergangenheit Frieden geschlossen hat, bewegt sie ein Thema nach wie vor.

01:06:59: Es ist nicht Brigitte im Speziellen, es ist eher das Thema Mutter im Allgemeinen.

01:07:04: Oft beobachtet Lisa Mütter und Töchter, egal welchen Alters, und oft versetzt es ihr einen Stich, wenn sie diese ganz spezielle Innigkeit spürt, die Mütter und Töchter miteinander verbinden kann.

01:07:16: Lisa erinnert sich an einen Nachmittag, an dem sie an einem Straßencafé vorbeikam.

01:07:21: Und an einem der Tische saß eine fremde Frau mit ihrer erwachsenen Tochter.

01:07:25: Beide wirkten vertraut, lehnten sich leicht zueinander und sprachen ruhig und lachten zwischendurch.

01:07:33: Ja, und die Mutter hatte offensichtlich auch so die Hand auf die Hand ihrer Tochter gelegt.

01:07:40: Das macht mich dann schon sehr ... sehr traurig in dem Moment, weil ich das nie hatte und weil ich das natürlich auch nicht haben kann.

01:07:48: Also ich kann die Person sein, die ihrem Kind die Hand auf die Hand legt, aber ich werde nie diese Person sein, deren Hand unter der Hand beschützt liegen wird.

01:08:01: Und das ist schon etwas, was mich, glaube ich, bis zu meinem Lebensende traurig macht.

01:08:09: Ja, und da wir ja alle Kind von irgendjemand sind, kann man das, glaube ich, sehr, sehr gut nachvollziehen und auch gut verstehen, was sie da fühlt.

01:08:19: Ja, das war heute eine Geschichte eines Verbrechens, das siebzehn Jahre lang anscheinend erst mal keine Spuren hinterlassen hat.

01:08:28: Und Gott sei Dank hat sich aber am Ende die Wahrheit sozusagen ihren Weg gebahnt durch die Falle der Tochter.

01:08:36: Und andererseits ging es heute auch viel um das Thema Nazismus.

01:08:40: Natürlich ist uns sehr bewusst, dass man sehr vorsichtig sein muss mit der Abgrenzung und auch der Benutzung dieses Begriffs, denn das ist im Moment ja auch ein Modebegriff.

01:08:50: Also da sollte man schon sensibel hingucken.

01:08:55: Aber mit einem wirklich nazistisch gestörten Menschen über eine längere Zeit im näheren Kontakt zu sein, Das kann gefährlich sein, vielleicht nicht immer in körperlicher Hinsicht, Gott sei Dank nicht, aber in emotionaler Hinsicht wird es immer vor allem bei Kindern einen Schaden hinterlassen in der Seele.

01:09:16: Schreibt uns gerne zu diesem Thema, schreibt uns auch eure Erfahrungen damit oder auch eure Meinung zur heutigen Folge an info.spurlos.podcast.de.

01:09:28: Und alle weiteren Informationen findet ihr in den Show Notes.

01:09:31: Es sehe wie.

01:09:32: vielen Dank auch für die ganze Vorarbeit und fürs Miterzählen.

01:09:37: Ich

01:09:37: danke dir.

01:09:38: Danke an euch fürs Zuhören.

01:09:40: Bis ganz bald und passt aufeinander auf.

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