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#78 Novemberschatten: Die Wahrheit hinter dem Foto.

Shownotes

Eine Unterschrift, die alles verändert. Ein Brief, der nicht zugestellt werden kann. Und ein Mann, der vor einem fremden Haus wartet. Heute – bei Spurlos.

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Redaktion Sylvia Lutz Natalya Prokhorenko

Ton Migo Fecke (Soundhouse Tonproduktionen GmbH)

Eine Produktion der StellaLuisa GmbH In Zusammenarbeit mit Endemol Shine Germany und Rainer Laux Productions

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Transkript anzeigen

00:00:01: Eine Unterschrift, die alles verändert.

00:00:04: Ein wichtiger Brief, der niemals ankommt und ein Mann, der vor einem fremden Haus wartet.

00:00:11: Heute bei Spurlos.

00:00:23: Hallöle.

00:00:26: Hallöle.

00:00:27: Wie man sich so jedes Mal so eine Neue begrüßt.

00:00:29: Irgendwann ist es

00:00:29: aus, ne?

00:00:30: Neue Region wählt.

00:00:31: Ja, oder Sprachen.

00:00:33: Wir müssen, er weiß ja immer, variieren.

00:00:34: Man muss den... Ja, immer, immer ganz international bleiben heutzutage.

00:00:37: Und

00:00:38: den Zuhörer dranhalten.

00:00:39: Ja.

00:00:40: Hör mal du, weißt du, was mir aufgefallen ist?

00:00:43: Nein.

00:00:44: Ich finde ja, es ist eine Erkenntnis, dass man sich im Podcast oft fast ungewollt outet, also eigentlich zum Horst macht, weil ich möchte was erzählen und da denke ich auch wieder, okay, ich mache wieder so einen neuen Abgrund über mich selber auf.

00:01:01: Es hat ja auch immer was vom Beichtstuhl auch, schon allein die Situation hier, findest du nicht?

00:01:05: Ist mir nicht aber wirklich neugierig.

00:01:07: Nee, so schlimm ist es nicht, aber ich habe wirklich heute Morgen, ich war ja noch ein bisschen einkaufen, ich habe festgestellt, ich bin so ein Horder, so ein Hamster.

00:01:18: Ein Schmader und Hamster.

00:01:19: Ja,

00:01:20: ich schleppe so Dinge nach Hause immer wieder und auch immer wieder die gleichen Dinge.

00:01:24: Was für Dinge?

00:01:25: Also du hast dann sieben Päckchen Zucker zu Hause,

00:01:28: oder wie?

00:01:28: Genau das.

00:01:30: Es ist jetzt bei mir nicht der Zucker.

00:01:32: Es gibt einfach Dinge, die ich einfach irgendwie wie aus dem Zwang heraus immer wieder kaufen muss.

00:01:38: Was ist das denn du?

00:01:39: Ja, da stehe ich da so im Geschäft und dann mahl ich mir dazu aus, was ich ja damit tolles tue.

00:01:44: Also zum Beispiel Kichererbsen.

00:01:47: Ich stehe immer wieder vor Kichererbsen und dann hast du ja irgendwo auf Instagram oder irgendwo so ganz fancy Rezepte gesehen, was die da kochen und so eine Eier mit Kichererbsen, diesen Brutausstrich und mit dem, das mache ich auch mal.

00:02:00: Und beim Umzug gab mein Mann dann irgendwie so zehn Gläser-Kichererbsen aus den Regalen gezogen.

00:02:06: Bei mir ist es, also ich habe eine Liste gemacht, es ist die Kichererbse, ist die Körpermilch und es ist die Duftkerze.

00:02:13: Das sind meine Kaka-Ka.

00:02:15: Kichererbsenkörpermilchkerze.

00:02:17: Hast du das, ne?

00:02:19: Gar

00:02:19: nicht.

00:02:20: Bist du so eine von diesen Frauen, die so eine teure Duftkerze

00:02:26: auf so einem clean

00:02:27: Tisch haben, die ich so ein bisschen so richtig beneide?

00:02:31: Weil ich mag dich nicht.

00:02:33: Nein, ich

00:02:35: mag dich sehr, by the way.

00:02:39: Wie bist denn du?

00:02:39: Du bist genau die goldene Mitte, oder was?

00:02:41: Ja, ich hab fünf Gläser, Kichererbsen zu Hause, die verbrauchen wir auch.

00:02:48: Ich hab vielleicht bei anderen Themen, bei Kleidung oder bei Handtaschen, da würdest du mich erwischen.

00:02:54: Aber supermarkt und auch nicht.

00:02:56: Wie gesagt, nicht bei diesen Themen.

00:02:58: Ich habe definitiv zu viele Schuhe, zu viele Handtaschen, zu viele Jassen.

00:03:02: Aber das

00:03:03: ist ja was anderes.

00:03:04: Das ist ja ein Grundbedürfnis.

00:03:06: Also bitte, ich hab eine Tasche.

00:03:08: mit Vitrinenfunktion mit Glasscheiben und da stehen mittlerweile die Taschen an einer ganzen Brand.

00:03:15: Also da brauchen wir mal gar nicht drüber reden.

00:03:17: Und ich finde es schade, dass ich mich hier zum Horst mache und zum Hamster.

00:03:21: Und du nicht mit mir singst.

00:03:24: Ich würde dir gerne beistringen.

00:03:27: Aber beim

00:03:27: Thema Kichererbse und Duftkerze.

00:03:31: Und Körpermilch?

00:03:32: Und Körpermilch.

00:03:33: Bist du raus?

00:03:33: Bin ich eigentlich raus, wenn ich ehrlich bin.

00:03:35: Hoffentlich hört man die Folgen nicht.

00:03:37: Weil der sagt ja, dass das nicht normal ist.

00:03:39: Und du verlässt mich ja jetzt auch noch.

00:03:41: Aber ich habe heute ernsthaft die KI gefragt hin und her und hab halt gefragt, sag mal, bin ich normal?

00:03:46: und so weiter.

00:03:47: Ich werde euch jetzt den ganzen Verlauf ersprach euch.

00:03:50: Aber es kam letztendlich raus und so werde ich das Thema jetzt auch beschließen.

00:03:55: Er hat mir nämlich dann folgendes gesagt am Schluss und damit kann ich gut leben.

00:03:59: Ganz genau,

00:04:00: du bist absolut normal und es ist ja auch schön, wenn man kleine Freuden im Alltag hat.

00:04:05: Wenn du also

00:04:05: Spaß an Kerzen

00:04:06: und Kichererbsen hast, dann ist das doch völlig in Ordnung.

00:04:13: Da ihr mich alle nicht versteht, aber eher schon möchte ich das so einfach stehen lassen.

00:04:18: Ich bin normal und kriege ja ja so einen Kerzen.

00:04:21: Das sind meine kleinen Freunden in diesem Sinne.

00:04:25: Also zum Thema Beichtstuhl.

00:04:26: Die KI hat absolutioner

00:04:28: Teil.

00:04:29: Also mir hat es sehr gut getan, dass er es so sieht und damit gehe ich heute vielleicht nochmal nach der Folge los und kaufe mir noch eine gemütliche Kerze oder so.

00:04:39: Und wir starten in die Geschichte.

00:04:42: Heute erzählt uns Andreas seine Geschichte.

00:04:46: Es ist eine Geschichte von Verlust, von Mut und von Hoffnung.

00:04:50: Von einer Hoffnung, die stärker ist als jede Verzweiflung.

00:04:54: Und es ist die Geschichte einer Suche.

00:04:56: Viele Jahre hat Andreas alles versucht.

00:04:59: Er hat jede Spur verfolgt, er hat nie aufgegeben, aber am Ende stand er immer wieder vor verschlossenen Türen.

00:05:09: Es ist der fünfte November, und wir sind in Berlin.

00:05:14: Es ist kalt an diesem Tag.

00:05:16: Die Temperatur liegt knapp über dem Gefrierpunkt und graue Wolken hängen über der Stadt.

00:05:22: Ein Mann wartet in einem Auto.

00:05:24: Er sitzt schon seit einigen Stunden hier in seinem Wagen und beobachtet das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

00:05:31: Es ist ein Mehrparteinhaus mit drei Stockwerken.

00:05:35: Neben dem Mann im Wagen sitzt ein junges Mädchen auf dem Beifahrersitz.

00:05:39: Beide schweigen.

00:05:41: Der Mann heißt Andreas.

00:05:43: Er ist nervös.

00:05:45: Neben sich in der Ablage zwischen ihm und dem Mädchen liegt ein Briefumschlag.

00:05:50: Und nun wartet Andreas auf einen Mann.

00:05:53: Ihm will er diesen Brief persönlich geben.

00:05:56: Er weiß, dass dieser Mann hier in diesem Haus auf der anderen Straßenseite lebt.

00:06:01: Im Erdgeschoss.

00:06:03: Er hat seinen Namen vorhin auf dem Klingelschild gesehen, aber es hat niemand geöffnet.

00:06:08: Ob der Mann, auf den er wartet, heute noch nach Hause kommen wird, das weiß Andreas nicht.

00:06:14: Er weiß gar nichts.

00:06:16: Nicht, wie der Mann aussieht und nicht, wie er reagieren wird, wenn Andreas ihn anspricht und ihm diesen wichtigen Brief überreicht.

00:06:25: Andreas weiß nicht einmal, ob dieser Mann tatsächlich die Person ist, die er seit vielen Jahren sucht.

00:06:32: Andreas hat schon mehrfach geglaubt, am Ziel zu sein.

00:06:36: Doch jedes Mal war es ein Irrtum, eine falsche Fährte.

00:06:40: Nun kommt jemand den Gehsteig entlang.

00:06:43: Ein Mann, etwa Ende zwanzig.

00:06:46: Er bleibt vor dem Haus stehen, das Andreas beobachtet.

00:06:49: Und er sucht in seiner Tasche nach dem Schlüssel.

00:06:52: Andreas atmet tief durch.

00:06:55: Er hat Angst.

00:06:56: Aber er nickt dem Mädchen zu und eröffnet die Wagentüre.

00:07:00: Die beiden steigen aus und überqueren die Straße.

00:07:04: Andreas spricht den Mann, der seinen Haustürschlüssel inzwischen gefunden hat, an.

00:07:09: Die beiden unterhalten sich kurz.

00:07:11: Der Fremde ist sehr freundlich, aber als Andreas ihm den Brief hinhält, da schüttelt er den Kopf.

00:07:18: Er nimmt den Brief nicht an.

00:07:21: Für einen Augenblick stehen sie einfach da, Andreas und das Mädchen und der Fremde Mann.

00:07:27: Es ist November und es ist kalt.

00:07:29: Andreas dreht sich zu dem Mädchen um und die beiden sehen sich an.

00:07:34: Andreas weiß, dass das hier nicht das Ende seiner Suche ist.

00:07:38: Er weiß, dass er niemals aufgeben wird, egal wie oft er noch vor falschen Türen stehen wird.

00:07:44: Er wird weitergehen, ganz gleich, was sich ihm noch in den Weg stellt.

00:07:49: In diesem Moment holt der Fremdemann Luft und sagt etwas.

00:07:53: Und diese Worte, die werden alles verändern.

00:07:56: Andreas Suche, nach dem Menschen, der seit fast dreißig Jahren spurlos verschwunden ist und dessen Name auf dem Umschlag des Briefes steht, den er in der Hand hält, nimmt in diesem Moment eine neue Wendung.

00:08:16: Als Andreas an diesem Abend im November, vor der Tür des fremden Mannes steht, des Mannes, der seinen Brief nicht annehmen will, da liegen schon viele Jahre der Suche hinter ihm.

00:08:27: Er hat gekämpft und er hat verloren.

00:08:29: Und nun sucht er verzweifelt die Person, an die der Brief adressiert ist.

00:08:34: Denn in diesem Brief steht die ganze Wahrheit.

00:08:39: Man kann dich zu etwas zwingen, ohne dir eine Waffe an den Kopf zu halten.

00:08:44: Man kann das so umschreiben, dass du glaubst, dass die Entscheidung richtig war.

00:08:50: Auch damals habe ich das Handeln nicht in Frage gestellt.

00:08:55: Ich hab mich ja auch machtlos gefühlt, weil ich war ja ... bereit Verantwortung zu übernehmen und war aber gar nicht in der Lage, weil ich die Chance nicht bekommen habe.

00:09:04: Ja, und das ist eigentlich diese Geschichte, eine Geschichte von Machtlosigkeit.

00:09:09: Viele Türen haben sich da in den vergangenen Jahren geschlossen.

00:09:13: Viele Menschen haben sich abgewandt, viele Zufälle gab es.

00:09:18: Manchmal scheint es als würde das Schicksal diesen Menschen hier, der uns seine Geschichte heute erzählt, sagen wollen, komm, lass los, gib jetzt auf.

00:09:27: Aber genau das kann Andreas nicht.

00:09:30: Und obwohl er weiß, dass er kaum noch eine Chance hat, den man zu finden, dessen Vorname auf dem Umschlag des Briefes steht, macht er immer weiter.

00:09:40: Und deswegen ist es heute auch eine besondere Geschichte.

00:09:43: Andreas wächst in den Neunzehnhundertsebziger und Achtzigerjahren in Ostberlin auf.

00:09:48: Er ist ein ausgelassener Jugendlicher, der immer unterwegs ist.

00:09:52: Zusammen mit seinen Freunden streift er täglich durch die Straßen der Stadt.

00:09:56: Er verbringt jede freie Minute draußen.

00:09:59: Und Andreas erinnert sich bis heute noch ganz genau an das Berlin seiner Jugend an die grauen Plattenbauten, an diesen unverwechselbaren Geruch der Zweitaktmotoren und an das Geräusch der ratternden alten Straßenbahnen.

00:10:13: Wir waren halt frei.

00:10:14: Also man konnte sich frei bewegen.

00:10:17: Du konntest das Haus verlassen, ohne dir Gedanken machen zu müssen, dass dir etwas passiert.

00:10:22: Wir haben ja auch nichts vermisst, wir kannten nichts.

00:10:25: Es gab halt nur drei verschiedene Tafelschokolade und dann war es uns egal, welchen es ist.

00:10:31: Da wir nichts anderes kannten, hatten wir auch nicht das Gefühl, dass uns etwas fehlt.

00:10:37: Andreas ist schon als Jugendlicher jemand, der das Leben nimmt, wie es kommt.

00:10:43: Also mit vierzehn, fünfzehn Jahren.

00:10:45: Denkt er einfach nicht über das Morgen nach.

00:10:47: Ich glaube, das ist aber auch ein Privileg der Jugend.

00:10:50: So soll es sein.

00:10:51: Für ihn ist das Leben einfach, klar und unbeschwert.

00:10:55: Aber bald wird Andreas lernen, was Verlust bedeutet und was es heißt, ohnmächtig zuzusehen, wie Dinge verschwinden, die man nicht festhalten kann.

00:11:05: Andreas wächst in Berlin Hohenschönhausen auf und zwar in dem alten Teil von Hohenschönhausen.

00:11:11: Und er lebt hier mit seinem älteren Bruder und seiner Mutter Regina in einer kleinen Altbauwohnung.

00:11:16: Seine Mutter ist alleinerziehend und sie arbeitet Tag und Nacht und zwar im wahrsten Sinn des Wortes.

00:11:21: Sie ist nämlich Krankenschwester in einer Klinik und ihr Dienstplan sieht Tag und Nachtschichten vor.

00:11:28: Andreas liebt seine Mutter über alles und er sieht, dass sie jeden Tag ihr Bestes gibt.

00:11:34: Auch wenn sie oft müde ist, versucht sie für ihre Söhne stark zu bleiben.

00:11:38: Andreas spürt, wie sehr sie kämpft und zwar für ihn, für sein Bruder und für ein bisschen Sicherheit in einer Zeit, in der es oft an vielem fehlt.

00:11:47: Durch die vielen Schichten im Dienstplan seiner Mutter wächst Andreas sehr frei auf und mit fünfzehn Jahren ist er schon jeden Abend unterwegs.

00:11:57: Ich war an der Disku, ich habe auch mal ein paar Jahre Turniertanz gemacht und hatte Spaß daran.

00:12:03: Also ich hatte relativ viel Freiheit oder wir hatten beide relativ viele Freiheiten durch meine Mutter.

00:12:09: Sie hat uns nicht gegängelt, wann wir zu Hause sein müssen.

00:12:13: Ich liebe übrigens das Wort Disco.

00:12:15: Ich würde gerne dafür plädieren, das Wort Club oder Lounge oder sonst was bitte abzuschaffen und einfach bitte einfach durchgängig Disco zu nennen.

00:12:24: Ich finde Disco ist toll und es ist auch ein Lebensgefühl.

00:12:29: Andreas besucht jeden Abend die Disco in Hohenschönhausen und seine Lieblingsdisco ist die Klubgaststätte Kiev.

00:12:37: Okay, das klingt jetzt nicht so cool, aber sie hieß halt so.

00:12:41: Und wenn die geschlossen ist, zieht er einfach ein paar Häuser weiter in die nächste Disco in die Klubgaststätte Schillerglocke.

00:12:48: Andreas ist immer mit seinen Freunden unterwegs, die Jungs tanzen und sie genießen ihre Nächte.

00:12:54: Und Andreas, dem hat es vor allem eine Band angetan, eine Band aus dem Westen.

00:12:59: Und deren Songs werden gelegentlich in der Disco in Hohenschönhausen gespielt.

00:13:04: Und es ist The Police.

00:13:06: Andreas sammelt alles, was er über die Bandpolis finden kann.

00:13:10: Fotos, Zeitungsartikel, Plattenhöhlen, winzige Schnipsel aus Westmagazinen, die irgendjemand irgendwo aufgetrieben hat.

00:13:18: Und oft sitzt er nach der Schule in der Küche seiner Mutter in dieser kleinen Altbauwohnung in Hohenschönhausen an einer alten Nähmaschine und ernäht aus alten Stoffresten die Kleidung der Bandmitglieder nach.

00:13:32: Also das ist schon üblich.

00:13:34: Das ist wirklich verrückt.

00:13:37: Aber sag mal, darf da eigentlich in der Disco im Osten?

00:13:41: Darf da Westmusik gespielt werden?

00:13:43: Ja, in den Discos in Ost-Berlin darf gelegentlich Westmusik gespielt werden und in der Schillerglocke in Wunschenhausen.

00:13:50: Da wird wohl sehr, sehr oft.

00:13:52: Musik aus dem Westen gespielt.

00:13:53: Und das bedeutet, dass Andreas in seinem coolen, selbstgenähten Outfit sehr häufig zu Polis die Tanzfläche klarmachen

00:14:00: kann.

00:14:00: Der hat da die Nacht zum Tag gemacht und morgens ist er dann in die Schule.

00:14:03: Ja,

00:14:04: aber Andreas ist ein sehr, sehr guter Schüler und nichts spricht aus Sicht seiner Mutter Regina dagegen, dass er abends ausgeht und in der Schule klappt.

00:14:12: Das ist die Hauptsache.

00:14:14: Übrigens geht Andreas auch nicht jeden Abend aus.

00:14:17: Montags bleibt er nämlich immer zu Hause.

00:14:19: Denn jeden Montag wird im Westfernsehen, im ZDF, Magnum ausgestrahlt.

00:14:25: Und das ist ein Pflichttermin für Andreas.

00:14:27: Denn er liebt diese Serie fast so sehr, wie er die Musik von Polis lebt.

00:14:31: Lustig.

00:14:32: Also Tom Selleck hier, der mit dem Schnurr ist.

00:14:34: Genau, der auf Hawaii lebt mit dem Ferrari.

00:14:39: Und auf diese Serie, auf Magnum will Andreas auf gar keinen Fall verzichten und deshalb müssen seine Freunde und die Club-Gaststätten montags immer ohne ihn auskommen.

00:14:49: Mit sechzehn Jahren beendet Andreas die Schule und zwar mit einem sehr, sehr guten Abschluss.

00:14:54: Kurz darauf beginnt er mit einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker.

00:14:58: In einer Werkstatt in Berlin-Weißensee erlernt er zunächst die Grundlagen.

00:15:03: Sägen, Schleifen, Schweißen, alles, was man braucht, um später an Motoren und Karosserien zu arbeiten.

00:15:09: Danach wird er am Bushof in Berlin-Lichtenberg eingesetzt, wo er erste praktische Erfahrungen sammelt.

00:15:15: Nebenher arbeitet Andreas inzwischen auch als Hilfspflegerin in dem Krankenhaus, in dem seine Mutter Regina als Krankenschwester tätig ist.

00:15:23: Aber an seinem Abendprogramm ändert sich mit dem Beginn seiner Ausbildung überhaupt nichts.

00:15:28: Jeden Abend ist Andreas mit seinen Freunden unterwegs.

00:15:31: Sie tanzen und feiern und genießen das Leben.

00:15:34: Nur Montags.

00:15:35: Da macht Andreas nach wie vor Pause.

00:15:38: Da ist Tom Selleck am Start.

00:15:40: Jetzt kam auch vor, dass ich von der Disku direkt an meinen Arbeitsplatz gefahren bin.

00:15:46: Es war halt der große Bushof in Berlin-Lichtenberg.

00:15:49: Dort gab es ein Kanalsystem, wo die Mechaniker unter die Busse kamen und da gab es Ecken, in denen man schlafen konnte.

00:15:56: Dann waren wir um halb fünf auf der Arbeit und haben dann bis um sieben geschlafen, bis die Arbeit anfing.

00:16:03: Andreas ist gerade sechzehn Jahre alt geworden, als er Heike kennenlernt.

00:16:07: Heike ist siebzehn und möchte Krankenschwester werden.

00:16:11: Sie ist Azubi auf der Station, auf der auch Andreas Mutter Regina arbeitet.

00:16:16: Und es kommt, wie es offensichtlich kommen muss.

00:16:19: Der Pfleger Andreas und die auszubildende Heike begegnen sich im Krankenhaus.

00:16:24: Und sie finden einander sofort sympathisch.

00:16:26: Sie beginnen sich zu treffen, sie gehen zusammen aus und sie verbringen Zeit miteinander.

00:16:31: Zwei junge Menschen, die sich verlieben.

00:16:34: Ihre Welt fühlt sich leicht an und voller Möglichkeiten.

00:16:37: Doch Andreas und Heike ahnen nicht, dass ihr Glück bald von Entscheidungen überschattet wird, die ihr ganzes Leben verändern.

00:16:46: Das war meine erste Freundin, meine erste Liebe.

00:16:50: Sie war sehr hübsch, sie hatte Rehaugen.

00:16:52: Sie war ein angenehmer Mensch, sie war freundlich, sie konnte gut tanzen.

00:16:56: Und ich war schon fasziniert.

00:16:58: Wir haben uns im Krankenhaus kennengelernt, haben uns an der Trocken verabredet.

00:17:02: Sie hatte auch ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Mutter.

00:17:04: Meine Mutter hat sie sehr geliebt.

00:17:06: Und irgendwann, ich kann mich noch entsinnen, der erste Abend, den wir als ... Haar verbracht haben war der Abend meiner Abschlussfeier, zehnte Klasse.

00:17:17: Da hab ich sie das erste Mal richtig geküsst.

00:17:21: Im Sommer, die beiden Frischverliebten setzen sich auf Andreas Moped und sie verlassen für ein paar Tage Berlin.

00:17:28: Im Gepäck haben sie ein kleines Zelt und Badesachen, denn ihr Ziel ist die Mecklenburgische Seenplatte.

00:17:35: Dort angekommen, stellt sich schnell heraus, dieser Urlaub ist für die beiden Frischverliebten ein Traum.

00:17:40: Sie lernen schnell jede Menge junger Leute kennen und genießen die Zeit.

00:17:44: Tagsüber spielen sie Karten oder Tischtennis oder sie schwimmen im See und abends gehen sie tanzen.

00:17:52: Es war für mich auch eine ganz neue Situation.

00:17:54: Es war meine allererste Freundin.

00:17:56: Man hat Schmetterlinge im Bauch und man freut sich, wenn man sich sieht.

00:18:01: Da kann man sich das Gefühl jetzt schon gut vorstellen.

00:18:04: Mit den Schmetterlingen im Bauch am See.

00:18:06: Ganz süß.

00:18:08: sich mit Sonnenöl, mit Lichtschutzfaktor.

00:18:10: Drei damals wahrscheinlich, ein Creme gegenseitig am besten.

00:18:18: Ich

00:18:19: fühl's.

00:18:21: Zwei Wochen sind Andreas und Heike auf dem Campingplatz an der Müritz.

00:18:25: Das Wetter ist herrlich und sie verbringen eine wunderbare Zeit.

00:18:29: Es ist eigentlich so ein Sommer, von dem man später sagen könnte, er sei perfekt gewesen.

00:18:35: Doch hier in diesem Sommer und an diesem Seder verändert sich alles.

00:18:40: Ich glaube, sie hat gespürt, dass sie schwanger wurde schon in der Nacht.

00:18:44: Und ich denke, es ist so eins der ersten fünf Male gewesen, wo sie schwanger wurde.

00:18:49: Also als wir aus dem Urlaub zurückkamen, da war sie schon schwanger.

00:18:54: Wenige Wochen nach ihrer Rückkehr nach Berlin geht Heike zum Arzt.

00:18:59: Seine Diagnose ist eindeutig und er bestätigt ... was Heike schon auf dem Campingplatz an der Müritz geahnt hatte.

00:19:06: Sie ist schwanger.

00:19:08: Da war natürlich bei uns zu Hause relativ viel Theater.

00:19:11: Meine Mutter war wütend im ersten Moment.

00:19:16: Ich war überfordert.

00:19:17: Und dann hat es eine ganze Weile gedauert, bis wir uns mit dem Gedanken angefreundet haben, dass wir betern werden.

00:19:28: Ein sechzehnjähriger und eine siebzehnjährige, die sich ja erst seit ein paar Monaten kennen, die müssen sich jetzt ja wörtlich mit dem Gedanken an Freunden, sagt er, dass sie plötzlich Eltern werden.

00:19:40: Die sind selber ja noch halbe Kinder, sie sind Jugendliche.

00:19:44: Hat

00:19:45: da jemand an Schwangerschaftsabbruch gedacht?

00:19:48: Ich glaube nicht, dass das ein Thema war, denn Heike's Mutter hatte direkt gesagt, dass es nicht in Frage käme.

00:19:54: und da Heike Minderjährig war und sie das zu entscheiden hatte.

00:19:57: war das Fakt.

00:19:59: Und die Mutter von Andreas, die Regina, die war absolut bereit, sich um das Baby zu kümmern.

00:20:04: Was

00:20:04: ja schön ist.

00:20:05: Genau.

00:20:05: Und von daher vermute ich, dass darüber gar nicht nachgedacht oder gesprochen wurde.

00:20:11: So, nun heißt es also, Strambler, Babybett und Windeln besorgen.

00:20:16: Andreas' Mutter Regina kümmert sich gemeinsam mit Andreas um alles.

00:20:21: Obwohl Regina sich sicherlich gewünscht hätte, dass ihr erstes Enkelkind etwas später und unter geordneteren Umständen zur Welt gekommen wäre, freut sie sich auf das Baby.

00:20:30: Regina weiß, dass sie sich auf ihren Sohn grundsätzlich verlassen kann.

00:20:34: Andreas ist ein wunderbarer Junge, also der charmant, witzig mit vielen verrückten Ideen im Kopf, aber auf der anderen Seite ist er superverlässlich und sehr pflichtbewusst.

00:20:45: Aber er ist eben noch sehr, sehr jung.

00:20:48: Ein Junge, der plötzlich selber Vater wird.

00:20:52: Ich ging dazu, dass ich zu dem Zeitpunkt mir über die Verantwortung überhaupt nicht im Klaren war.

00:20:58: Für mich ging mein Leben normal weiter.

00:21:00: Wir waren nach wie vor tanzen.

00:21:02: Sie hat ihre Ausbildung weitergemacht.

00:21:04: Ich hab meine Ausbildung weitergemacht.

00:21:08: Sie ist dann irgendwann auch zu uns gezogen.

00:21:10: Mein Bruder hat damals schon studiert, der war in Dresden.

00:21:14: In meinem Zimmer war dann sozusagen ein Bett frei.

00:21:18: Eigentlich ist er objektiv zu jung und heike ja genauso.

00:21:23: Alle sind sich dessen bewusst, dass das Ganze nur klappen kann, weil diese Mutter von ihm sofort bereit steht und die Hauptverantwortung für dieses Baby übernehmen möchte, weil sie es einfach muss in der Situation.

00:21:39: Übrigens gibt es auch eine neue Konstante in dieser kleinen Familie, also Mutter Regina und Sohn, denn die Mama hat inzwischen einen neuen Partner, der heißt Dieter.

00:21:51: Er ist Busfahrer und er ist ebenfalls bereit, die Familie von Regina und Andreas, die jetzt unerwarteten Zuwachs bekommt, zu unterstützen.

00:22:00: Das ist natürlich viel wert, denn alle wissen, Ab dem Tag der Geburt wird da jeder gebraucht werden.

00:22:06: Im Frühjahr, hier ist alles vorbereitet und die werden den Eltern und die Großeltern freuen sich.

00:22:14: Und trotzdem ist es natürlich für alle Beteiligten ein Sprung ins Ungewisse und bald werden Schwierigkeiten auftauchen, mit denen zu diesem Zeitpunkt noch niemand gerechnet hat.

00:22:26: Und diese Schwierigkeiten werden das Leben von allen erschüttern und verändern.

00:22:32: Ja, aber bis dahin dauert es noch ein bisschen, denn zunächst gibt es Grund zur Freude.

00:22:36: Denn im Frühjahr, in den Jungen, wird Sebastian geboren.

00:22:41: Es ist eine ganz normale, unkomplizierte Geburt und Andreas ist im Kreisseil mit dabei, genau wie seine Mutter Regina.

00:22:48: Andreas trägt seinen kleinen Sohn nun vorsichtig und voll erstaunend durch die Räume der Klinik.

00:22:54: Er betrachtet jedes winzige Detail, jeden kleinen Finger und jede Bewegung.

00:22:59: Und in diesen Momenten.

00:23:00: ist er einfach nur glücklich.

00:23:03: Ich weiß noch, wie es aussah, wie das Krankenzimmer aussah.

00:23:08: Ich glaube, ich war ... Also, ich war erfreut natürlich, hab es auch genossen.

00:23:13: Also, ich war ja schon ein bisschen stolz, darauf ein Kind zu haben.

00:23:19: Das find ich ja schon sehr berührend, weil du musst ja vorstellen, das ist ein Teenie.

00:23:24: Also, ich glaub, da gäbe es auch viele andere.

00:23:26: Und auch das wär nachvollziehbar.

00:23:28: die da sagen, ja, aber bei der Geburt will ich nicht dabei sein oder die da mit eigentlich nur überfordert wären.

00:23:34: Aber er stellt sich jetzt so diesen neuen Weg, den er sich eigentlich nicht ausgesucht hat und findet sich da sofort rein.

00:23:42: Das finde ich bewundernswert.

00:23:44: Natürlich würden Andreas und Heike nicht alleine zurechtkommen mit ihrer neuen Rolle, denn beide stecken mitten in der Ausbildung, beide arbeiten in Schichten und sie sind natürlich viel zu jung, um plötzlich Eltern zu sein.

00:23:57: Aber zum Glück gibt es Regina, Andreas' Mutter, die stolze Oma.

00:24:01: Sie ist die Stütze, die alles zusammenhält.

00:24:03: Sie hilft, sie organisiert und sie tröstet und sie übernimmt, wo Andreas und Heike noch nicht oder nicht mehr können.

00:24:12: Andreas beobachtet seine Mutter oft, wenn sie Sebastian in den Armen hält und in jedem Lächeln, in jeder sanften Bewegung und in jedem Lied, dass seine Mutter dem Baby vorsinkt, erkennt Andreas, dass sein Kind dass Sebastian hier in sicheren Händen ist.

00:24:27: Und gleichzeitig wird ihm klar, wie sehr seine Mutter das Leben der jungen Familie zusammenhält.

00:24:34: Meine Mutter hat uns soziale Werte beigebracht.

00:24:38: Und so war sie auch selbst.

00:24:39: Also sie war immer eine Stütze.

00:24:42: Sie war an manchen Tagen vielleicht mehr Mutter für das Baby als die Mutter selbst und mehr Mutter, als ich Vater war, weil die einfach noch zu jung war.

00:24:52: Vier Menschen kümmern sich nun um Sebastian.

00:24:55: Andreas und Heike, die jungen Eltern, Andreas Mutter Regina und der Partner Dieter.

00:25:00: Alle vier jonglieren zwischen Arbeit, Ausbildung und der Betreuung des Säuglings hin und her.

00:25:05: Der Alltag ist jetzt eng getaktet und jede Stunde zählt.

00:25:09: Die Kinderkrippe wird zu einer unverzichtbaren Stütze.

00:25:13: Ohne sie wäre die Betreuung des Babys schlicht unmöglich.

00:25:17: Andreas nimmt es wie es kommt.

00:25:18: Zwischen Früh- und Spätschichten, Windeln, Füttern und Schlafmangel ist er immer da, wenn er gebraucht wird.

00:25:25: Es gibt Tage, an denen Andreas seinen Sohn morgens schon um fünf Uhr dreißig in die Kinderkrippe bringen muss, weil Heike und seine Mutter Nachtschicht im Krankenhaus haben, während er selbst seine Frühschicht im Bushof antreten muss.

00:25:38: Jeder Tag ist ein Balanceakt, aber jeder Tag ist auch ein kleiner Sieg, denn die vier schaffen gemeinsam das Fast Unmögliche.

00:25:47: Doch noch mehr keiner, dass sich unter der Oberfläche etwas zu verändern beginnt.

00:25:52: Noch scheint alles gut zu laufen.

00:25:54: Das Kind entwickelt sich prächtig und Andreas ist verliebt in seinen kleinen Sohn.

00:26:01: Ich kann mich daran entsinnen, weil er das erste Mal gelacht hat, dass er ein Lächler war.

00:26:05: Sobald er ein Gesicht gesegnet hat, hat er gelächelt, egal, wie er es war.

00:26:09: Aber er hatte natürlich schon eine Bindung zu seiner Mutter, eine Bindung zu meinen Eltern, also zu meiner Mutter ganz besonders.

00:26:15: Meine Mutter war ihm sehr nahe.

00:26:18: Und er war ein Komischin, um es mal so zu sagen.

00:26:23: Als Sebastian fünf Monate alt ist, da deutet Heike an, dass sie gerne ausziehen möchte.

00:26:29: Sie will sich von Andreas trennen und von nun an mit Sebastian zu Hause bei ihren eigenen Eltern wohnen.

00:26:35: Und Andreas stimmt Heike zu.

00:26:37: Die beiden kennen sich nun etwas länger als ein Jahr und Andreas spürt auch, dass er und Heike nicht wirklich zusammengehören.

00:26:45: Vielleicht hätten sie unter anderen Umständen eine Chance gehabt, aber in diesem eng getakteten Alltag, zwischen Ausbildung, Nachtschichten und Windeln, da bleibt kein Raum für eine junge Liebe.

00:26:57: Ja, Heike ist da gerade mal achtzehn Jahre alt.

00:26:59: Andreas ist siebzehn.

00:27:02: Das ist ja eigentlich auch viel zu früh, um sich ernsthaft zu binden.

00:27:05: Also es gibt da vielleicht... Ausnahmen, aber gerade mit den Umständen schwierig.

00:27:10: Es gibt ja Gott sei Dank keinen Strel zwischen den beiden und sie beschließen sich trotz der Trennung weiterhin gemeinsam, um ihr Baby zu kümmern.

00:27:19: Heike zieht also mit dem Baby zu ihren Eltern und der Kontakt zwischen ihr und Andreas kommt aber weitgehend zum Erliegen.

00:27:26: Schon allein weil Heikes Eltern kein Telefon besitzen.

00:27:29: Sebastian wird aber weiterhin regelmäßig von Heike in den Kinderhard gebracht und Andreas und seine Mutter besuchen ihn dort fast täglich.

00:27:37: Manchmal übernachtet Sebastian auch bei Andreas und Regina.

00:27:41: Seit Heikes Auszug benötigen Andreas und Regina nun für jeden Besuch im Hort eine schriftliche Einverständniserklärung von Heike und ihrer Mutter, denn Heikes Mutter ist Sebastians gesetzlicher Vormund.

00:27:54: Sie bestimmt, wer Sebastian wann und wie lange sehen darf.

00:27:58: Also die Mutter der leiblichen Mutter, die ist grundsätzlich die, die alles bestimmt auch in der Geschichte.

00:28:03: Genau, ganz genau.

00:28:04: Wahnsinn, ne?

00:28:04: Die ist der gesetzliche Vormund von Heike und von ihrem Enkelkind.

00:28:09: Das ist alles zunächst kein Problem, denn Heike und Regina regeln diese Formalitäten immer, wenn sie beide im Krankenhaus sind, denn dort sehen sie sich regelmäßig.

00:28:19: Ich finde, es gibt hier zwei Dinge, wo du schon dran fühlen kannst.

00:28:22: Das ist zum großen... Problem kommen kann.

00:28:25: Das erste, da darf man nicht so drüber weggehen, dass die Eltern, wo jetzt dieses Baby lebt, dass es da kein Telefon gibt.

00:28:33: Also wir beide sind in der Zeit aufgewachsen, wo jeder schon Telefon hatte zu Hause, aber natürlich kein Handy.

00:28:39: Festanschluss.

00:28:40: Das war schon schwierig.

00:28:43: miteinander in Verbindung zu bleiben, weil dieses Telefonjahr an einem fixen Ort war.

00:28:47: Aber man muss sich mal eine Zeit vorstellen oder eben Umstände wie in der DDR zum Teil und davor auch in Westdeutschland, wo noch nicht jeder ein Telefon hatte.

00:29:00: Also gar kein Telefon.

00:29:03: Ist irgendwie gar nicht mehr nachvollziehbar, wie Menschen gut in Verbindung bleiben konnten.

00:29:08: Kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen.

00:29:10: Und das ist ja schon ein Riesengraben.

00:29:12: Und der andere gefühlte Riesengraben, glaube ich, entsteht dadurch, wenn in so einer riesigen irgendwie bunten Patchwork-Familie, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, genau ein Mensch über alles entscheidend darf letztendlich rechtlich.

00:29:28: Da kann es ja schon daran fühlen.

00:29:30: dass das dem Bach runtergeht.

00:29:33: Anfang nineteenhundertfünfundachtzig wird Heike in eine andere Klinik versetzt.

00:29:37: Sie ist immer noch in der Ausbildung und soll nun in einem anderen Krankenhaus eine neue Abteilung kennenlernen.

00:29:44: Die Absprachen zwischen Heike Und Andreas' Mutter, die werden jetzt komplizierter.

00:29:50: Und deshalb können Andreas und seine Mutter das Baby in dieser Zeit deutlich seltener in der Krippe besuchen, als sie es bisher getan haben.

00:29:59: Im Frühjahr, den kleinen Jungen sehen sie drei Wochen lang nicht, denn es gibt Schwierigkeiten mit den Einverständniserklärungen.

00:30:08: Der Grund dafür, Heike und ihre Mutter sind nicht zu erreichen.

00:30:13: Eines Tages erhält Andreas Mutter einen Anruf aus der Klinik, in die Heike versetzt wurde.

00:30:20: Eine Oberschwester erkundigt sich besorgt nach Heike.

00:30:24: Sie erklärt, dass Heike seit drei Wochen nicht mehr bei der Arbeit und in der Berufsschule erschienen sei.

00:30:30: Heike sei verschwunden und niemand wisse, wo sie ist.

00:30:34: Das ist der erste Moment, in dem klar wird, dass etwas nicht stimmt.

00:30:39: Der zweite folgt einen Tag später.

00:30:44: Es war so, irgendwann klingelt er bei uns zu Hause an der Wohnungstür und erstand jemand vom Jugendamt vor der Tür, gemeinsam mit einem Polizisten.

00:30:53: Sie fragten mich, ob ich wüsste, wo mein Sohn und seine Mutter sich aufhalten würden, weil er weder in der Kita auftaucht, noch zu den Reihuntersuchungen erscheint.

00:31:06: Heike ist verschwunden mit Sebastian und niemand weiß, wo sie ist.

00:31:11: Der Mitarbeiter des Jugendamtes erzählt, dass auch Heikes Mutter keine Ahnung hat, wo sich ihre Tochter mit dem Baby aufhält.

00:31:18: Offensichtlich leben die beiden schon seit einiger Zeit nicht mehr bei ihr.

00:31:23: Und weil Heikes Mutter keine Auskunft geben konnte, wendeten sich alle an Andreas und Regina in der Hoffnung, dass sie wüssten, wo Heike und das Baby sind.

00:31:32: Doch auch Andreas und seine Mutter sind ratlos.

00:31:36: Ratlos und sehr besorgt.

00:31:38: Sie versuchen zunächst, alle Freunde und Kollegen von Heike anzurufen, die sie kennen.

00:31:43: Einen nach dem anderen.

00:31:44: Aber niemand kann helfen.

00:31:46: Ja, kannst du das vorstellen?

00:31:47: Du bist ein junger Vater, du liebst dein Kind über alles.

00:31:50: Es ist eh schon hart, dass die Mutter weggeht, dass ihr getrennt lebt, dass du das Kind immer in der Kindergrippe besorgen musst.

00:31:58: Und dann verschwindet diese Mutter mit deinem Kind spurlos.

00:32:02: Und weder der Arbeitgeber kann sie finden, Und noch die Polizei offensichtlich, die ja

00:32:08: auch

00:32:08: vor Andreas Tür steht, um nach Heike zu fragen.

00:32:10: Ich hätte keine ruhige Sekunde mehr.

00:32:12: Andreas hat dann aber zum Glück eine Idee.

00:32:15: Er weiß, dass Heike abends gerne und oft ausging, auch nachdem Sebastian schon auf der Welt war.

00:32:21: Sie liebte das Ostberliner Nachtleben und vielleicht ist Heike in einem der Clubs zu finden.

00:32:27: Oder vielleicht ist dort irgendwo jemand, der weiß, wo sie sich aufhält und was passiert

00:32:32: ist.

00:32:33: Andreas trommelt seine Freunde zusammen und bittet sie, an diesem Abend mit ihm zusammen die Clubs der Stadt zu durchkämmen und Heike zu suchen.

00:32:41: Da er selbst gelegentlich in der Schillerglocke und in anderen Diskos als Türsteher arbeitet, kennt er außerdem viele Menschen in der Nachtszene aus Berlins und er nutzt nun jeden dieser Kontakte.

00:32:55: Zwei Stunden, nachdem der Mitarbeiter des Jugendamtes die Wohnung von Regina verlassen hat, Informiert Andreas sämtliche Türsteher, DJs und Barkeeper, die er kennt.

00:33:05: Und die wiederum geben die Nachricht weiter, von Klub zu Klub, von Tresen zu Tresen.

00:33:10: In dieser Nacht gehen sie alle auf die Suche nach Heike.

00:33:14: Währenddessen bleibt Andreas Mutter zu Hause.

00:33:17: Sie soll die Anrufe der bekannten und Freunde entgegennehmen, die nun die Clubs und Bars in Ostberlin durchstreifen.

00:33:25: Gegen die Uhr kommt endlich der erlösende Anruf.

00:33:29: Andreas Freunde haben Heike tatsächlich in einem der Clubs gefunden.

00:33:34: Regina ist sehr erleichtert, als sie die Nachricht hört.

00:33:38: Es stellt sich heraus, dass Heike schon seit einiger Zeit mit Sebastian bei einem jungen Mann lebt, mit dem sie nun zusammen ist.

00:33:45: Die Aufregung ist groß, bei der Familie, bei der Polizei, beim Jugendamt, beim Krankenhaus, im Kinderhort, überall.

00:33:54: Doch schließlich findet sich eine Lösung.

00:33:56: Heike zieht mit ihrem Baby in ein Schwesternwohnheim.

00:34:00: Sie wird ihre Ausbildung fortsetzen und Sebastian wird in einer Wochenkrippe untergebracht.

00:34:06: Die Wochenkrippen in der DDR waren eine spezielle Betreuungseinrichtung für Kleinkinder.

00:34:11: Sie waren rund um die Uhr, also vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage die Woche geöffnet.

00:34:17: Die Kinder konnten dort auch über Nacht betreut werden und die Unterbringung für mehrere Tage und Nächte war ebenfalls überhaupt kein Problem.

00:34:26: Andreas und seine Mutter erhalten nun die Erlaubnis, Sebastian dort täglich zu besuchen.

00:34:31: Und das tun sie auch, und zwar jeden einzelnen Tag.

00:34:36: Einer von uns, entweder meine Mutter oder ich, wir waren ihn jeden Tag besuchen.

00:34:41: Wir durften mit ihm spazieren.

00:34:43: Wir durften mit ihm Eis essen gehen, wir durften mit ihm alles machen, was wir wollten, aber er musste abends wir in die Kita.

00:34:49: Wir haben auch dieses Handeln des Jugendamtes nie in Frage gestellt.

00:34:52: Für uns war klar, das Kind gehört zu der Mutter, die wollen uns helfen.

00:34:57: Es sollte alles schon wohl des Kindes geschehen.

00:34:59: Wir haben dieses Handeln des Jugendamtes nie in Frage gestellt.

00:35:03: Für Andreas ist es immer schwer, Sebastian zurück zur Wochenkrippe zu bringen.

00:35:08: Die beiden sind einander so vertraut und bei jedem Abschied spürt Andreas diese Mischung aus Sehnsucht, Sorge und dem tiefen Wunsch für sein Sohn da zu sein.

00:35:17: Und eines Tages geschieht etwas, das Andreas nie wieder vergessen wird.

00:35:22: Sein Sohn sagt sein erstes Wort und das ist Papa.

00:35:27: Ja, wenn Andreas da geahnt hätte, was noch kommt, dann hätte er sein Kind bei seinen Besuchen in dieser Grippe sicher noch öfters und noch fester an sich gedrückt.

00:35:38: Als Andreas achtzehn Jahre alt wird, beantragt er gemeinsam mit seiner Mutter das Sorgerecht für seinen Sohn.

00:35:45: Doch das Jugendamt lehnt den Antrag ab.

00:35:47: Die Begründung?

00:35:48: Ein Kind werde in der DDR nur in eine intakte sozialistische Familie integriert.

00:35:54: Und Andreas Familie sei keine solche Familie.

00:35:57: Er ist gerade achtzehn geworden, alleinstehend und noch in der Ausbildung.

00:36:01: Und auch, dass Regina nicht mehr mit Andreas Vater zusammenlebt, sondern mit einem neuen Mann.

00:36:06: Das gefällt den Mitarbeitern des Jugendamtes nicht.

00:36:09: Aus der Sicht des Systems entspreche das alles nicht dem Idealbild einer Familie, heißt es.

00:36:15: Andreas Antrag auf das Sorgerecht wird abgelehnt.

00:36:18: Im Herbst, hier holt Regina ihr Enkelkind wie so oft aus der Wochenkrippe ab.

00:36:25: Sie zieht ihm die kleine Jacke an, setzt ihm die Mütze auf und geht mit ihm spazieren, wie an so vielen Nachmittagen zuvor.

00:36:33: Als sie später zur Einrichtung zurückkehrt, übergibt sie Sebastian der Betreuerin, ohne zu wissen, dass sich in diesem Moment ihr Leben für immer verändern wird.

00:36:45: Die Erzieherin nimmt mein Sohn auf den Arm, dreht sich um und sagt zu meiner Mutter, also ich möchte sie darüber in Kenntnis setzen, sie dürfen ihr Enkelkind ab heute nicht mehr besuchen.

00:36:58: Und mit diesem Satz haben sie meine Mutter letztendlich entlassen.

00:37:02: Meine Mutter kam völlig hilflos nach Hause, konnte dort mit gar nicht umgehen.

00:37:07: Ein Mitarbeiter des Jugendamtes kommt zu ihnen nach Hause.

00:37:10: Er informiert Andreas, dass er sein Kind nicht mehr besuchen darf.

00:37:15: Die Begründung lautet, dass er mit seinen vielen Besuchen der Mutter das Kind entfremde.

00:37:20: Sebastians Verhältnis zu seiner Mutter Heike sollte gestärkt werden und dabei steht Andreas im Weg.

00:37:28: Und ich habe dann wirklich gedacht, okay, jetzt ist die Mutter dran und jetzt ziehe ich mich einfach zurück.

00:37:32: Ich habe nicht darunter, ich bin auch davon ausbegangen und geschwurt wieder.

00:37:37: Mehrere Monate haben Andreas und seine Mutter den Kleinen nun nicht mehr gesehen.

00:37:42: Beide sind verzweifelt, sie vermissen den Jungen.

00:37:45: Und sie bitten beim Jugendamt immer wieder um einen Termin, denn sie wollen hören, ob vielleicht doch eine Regelung möglich wäre.

00:37:53: Am zweiten Dezember, Ninzehundertfünfundundachtzig scheint es Hoffnung zu geben, denn ein Mitarbeiter des Jugendamtes ruft bei Andreas an.

00:38:01: Er bittet ihn, sofort vorbeizukommen, um etwas Wichtiges zu besprechen.

00:38:06: Um elf Uhr ist Andreas bereits vor Ort.

00:38:09: Ein Mitarbeiter teilt ihm mit, dass sich die Gesetze der DDR geändert haben und er nun doch die Möglichkeit hätte, das Sorgerecht für sein Kind zu erhalten.

00:38:19: Allerdings müsse er bis zum nächsten Morgen um neun Uhr alle Voraussetzungen erfüllen und nachweisen, dass er ein Baby dauerhaft aufnehmen und betreuen könne.

00:38:29: Denn um zehn Uhr findet dann eine Sitzung der Jugendhilfekommission statt eines Gremiums aus Sozialarbeitern und weiteren Fachleuten, die die Situation prüfen werden.

00:38:42: Andreas weiß, dass er das auf keinen Fall schaffen kann.

00:38:45: Zweiundzwanzig Stunden sind viel zu kurz, um alles für ein Leben mit einem Baby vorzubereiten.

00:38:51: Von der Organisation des Alltags über die Betreuung bis hin zu all den Dingen, die ein Kind braucht, um sich sicher und geborgen zu fühlen.

00:39:00: Jetzt saß ich im Jugendamt und sollte innerhalb von zweiundzwanzig Stunden aus meinem Drei-Schicht-Betrieb eine Einschichtarbeit machen.

00:39:07: Meine Mutter war auch Drei-Schichten-Arbeiten, mein Vater war Bundesfahrer.

00:39:12: Ich hatte keine eigene Wohnen, ich hatte kein Kinderbett, ich hatte keine Kinderkleidung, keine Kindernahrung.

00:39:17: Ich hatte gar nichts.

00:39:19: Und man konnte auch nicht einfach in den Laden gehen und etwas kaufen.

00:39:23: Es gab, es war ja eine Mangelware.

00:39:25: Es gab halt kaum etwas, zumindest nicht.

00:39:28: Schon gar nicht in dieser Zeit.

00:39:30: Dann bin ich nach Hause.

00:39:32: Zu einem Zeitpunkt wusste meine Mutter noch nichts davon.

00:39:36: Dann haben wir zusammen gesessen mit meinem ... Stiefvater und meiner Mutter und haben darüber gesprochen, was das Jugendamt mir angebunden hat.

00:39:44: Meine Mutter sagt, sie will das Kind und ich sage mal, ich möchte auch, aber wir können die Voraussetzung nicht schaffen.

00:39:51: Im folgenden Tag ist Andreas wieder beim Jugendamt.

00:39:55: Haben sie alles klären können, fragt der Mitarbeiter.

00:39:58: Andreas spürt Verzweiflung in sich aufsteigen.

00:40:01: Natürlich nicht, sagt der Leise, ich brauche mehr Zeit.

00:40:06: Der Mitarbeiter legt ein Dokument auf den Tisch.

00:40:08: Es ist ein Formular, das Andreas unterschreiben soll.

00:40:12: Der Sorgerechtsverzicht.

00:40:14: In diesem Moment wird Andreas klar, dass er diesen Kampf endgültig verloren hat und sicher auch niemals hätte gewinnen können.

00:40:23: Er ist gerade achtzehn geworden.

00:40:25: Bisher hat er immer alles mit müheloser Leichtigkeit und seinem ganz eigenen Scham geregelt.

00:40:30: Aber hier in diesem Amt stoßen seine Entschlossenheit und seinen Mut an ihre Grenzen.

00:40:37: Andreas fühlt sich zum ersten Mal in seinem Leben klein und machtlos.

00:40:41: Er weiß, diese Schlacht gegen dieses System kann er nicht gewinnen.

00:40:46: Er nimmt das Formular und er unterschreibt.

00:40:49: Zur gleichen Zeit unterschreibt auch Heike ein Sorgerechtsverzicht.

00:40:53: Weshalb sie unterschreibt, das weiß Andreas nicht.

00:40:56: Aber damit ist die Entscheidung gefallen.

00:40:59: Sein Sohn ist freigegeben.

00:41:01: Freigegeben für eine Adoption.

00:41:03: Und es gibt keinen Weg mehr zurück.

00:41:07: Das ist so schrecklich, was mich wirklich immer völlig auf die Palme treibt und sehr, sehr wütend macht, ist, wenn Systeme so gestrickt sind, dass eigentlich klar ist, du kannst nichts dagegen tun.

00:41:20: Es ist schon so gestrickt.

00:41:22: Das Formular liegt da schon.

00:41:23: Da sind wir wieder bei dem Thema Machtlosigkeit.

00:41:26: Weißt du, du musst wenigstens eine Chance kriegen, aber gar keine Chance zu haben.

00:41:30: Das ist so unmenschlich.

00:41:31: Genau, es ist ja nur der Schein einer Chance.

00:41:33: Das

00:41:34: macht ja so fürchterlich.

00:41:35: Genau.

00:41:36: Andreas und seine Mutter beginnen jetzt Fotos vorzubereiten.

00:41:40: Bilder aus Sebastians ersten eineinhalb Lebensjahren.

00:41:44: Es sind sorgfältig ausgewählte Aufnahmen, auf denen nur Sebastian zu sehen ist, niemand sonst.

00:41:50: Und sie kleben die Bilder behutsam in ein Album Seite für Seite und dieses Album ist ein Geschenk an Sebastian.

00:41:59: Aber beide Andreas und Regina wissen, dass Sebastian niemals erfahren wird, wer diese Bilder.

00:42:05: da so liebevoll in das Album geklebt

00:42:07: hat.

00:42:08: Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie es den beiden ging bei jedem einzelnen Foto, das sie da reingeklebt haben.

00:42:15: Andreas gibt dieses Album dann ab beim Jugendamt und bittet darum, es irgendwann den Adoptiveltern von Sebastian zu übergeben.

00:42:24: Und wahrscheinlich ist ihm dabei das Herz gebrochen bei diesem letzten Gruß an seinen Sohn.

00:42:29: Sebastian wird zunächst in einem Kinderheim untergebracht, aber Andreas zahlt immer noch Unterhalt.

00:42:35: Als man ihn informiert, dass er die Zahlungen einstellen kann, da weiß er, Sebastian wurde adoptiert.

00:42:42: Sein Sohn hat eine neue Familie bekommen.

00:42:45: Andreas ist jetzt achtzehn Jahre alt und er fühlt sich machtlos und überwältigt von einem Verlust, der alles übersteigt, was er bisher kannte.

00:42:54: Andreas wird sein Kind nicht mehr sehen.

00:42:56: Er, der gerade dabei ist, erwachsen zu werden, er hat einen Sohn, der ohne ihn aufwächst, irgendwo bei Menschen, die er nicht

00:43:03: kennt.

00:43:04: Aber Andreas wird sein Sohn Sebastian niemals vergessen.

00:43:08: Es dauert noch lange, bis Andreas die Trauer und den Schmerz über den Verlust seines Kindes in den Griff bekommt.

00:43:16: Die Trauer um Sebastian bleibt.

00:43:17: Sie ist Andreas stetiger Begleiter, der nie ganz verschwindet.

00:43:22: Doch Andreas lernt damit zu leben.

00:43:24: Er lernt das einfach auszuhalten, ohne dass es ihn lebt.

00:43:28: Und irgendwann beginnt er seine Zukunft zu gestalten und seine Träume zu verwirklichen.

00:43:33: Er beendet seine Ausbildung, er beginnt zu arbeiten und er findet wieder ins Leben.

00:43:38: In ein gutes Leben.

00:43:41: Und im Jahr und ein, wurde unsere Tochter geboren.

00:43:53: Dann denkt man mehr darauf, was ist aus ihm geworden?

00:43:57: Wie geht's ihm?

00:43:58: Ist er gesund?

00:43:59: Ist er glücklich?

00:44:00: Und hab dann im Jahr zum ersten Mal angefangen, nach ihm zu suchen.

00:44:13: Andreas spürt nun eine wachsende Sehnsucht, die ihn nicht mehr loslässt.

00:44:17: Er möchte wissen, wie es Sebastian geht, ob er glücklich ist und ob es das Leben gut mit ihm gemeint hat.

00:44:23: Und wenn nicht, dann will Andreas für seinen Sohn da sein.

00:44:27: Er gibt eine Anzeige auf, mit den wenigen Informationen, die er über seinen Sohn hat.

00:44:32: Er kennt sein Geburtsdatum und seinen Geburtsort, aber er weiß nicht, wie Sebastian heute heißt und wo er lebt.

00:44:39: Trotzdem hofft er, dass sein Sohn sich meldet.

00:44:41: Oder jemand?

00:44:44: Aber die Anzeige ist kein Erfolg.

00:44:46: Es melden sich ein paar Wahrsager, die gegen Bezahlung ihre Hilfe anbieten.

00:44:50: Und das war's auch schon.

00:44:51: Andreas beschließt sich an das Jugendamt zu wenden.

00:44:54: Er möchte einen Brief schreiben und ihn in die Adoptionsakte legen lassen.

00:44:59: Für den Fall, dass sein Sohn eines Tages selbst nach ihm suchen sollte.

00:45:04: Dann kann er mich finden, sagt Andreas.

00:45:07: Das Jugendamt vermittelt ihm den Kontakt zu einer speziellen Abteilung, die sich um Adoptionen aus der DDR Zeit kümmert.

00:45:15: Bei einem ersten Telefonat bittet ihn eine Mitarbeiterin, ihr seine Unterlagen zu schicken.

00:45:21: Die alte Vaterschaftsanerkennung, ein paar Dokumente aus jener Zeit und eine Kopie seines Ausweises.

00:45:28: Und dann erklärt sie ihm, wenn die Akte keinen Sperrvermerk enthalte, können sie ihn zu einem Gespräch einladen und entscheiden, ob eventuell eine freiwillige Kontaktaufnahme zu seinem Sohn möglich sei.

00:45:43: Man glaubt ja auch, man kennt ja aus dem Fernsehen, man glaubt auch irgendwann klingelt jemand und dann steht jemand vor der Tür und sagt, da ist jemand, der sucht.

00:45:50: sie, können sich vorstellen, wer das ist.

00:45:53: Und das wünscht man sich natürlich.

00:45:54: Und dann geht einem so, okay, jetzt ist er so alt, jetzt ist er achtzehn, jetzt ist er zwanzig.

00:45:59: So langsam kommt er in das Alter, wo wir vielleicht nach uns suchen.

00:46:04: Andreas schickt seine Unterlagen an das Jugendamt.

00:46:06: Zwei Wochen später erhält er einen

00:46:08: Anruf.

00:46:09: Die Sachbearbeiterin lädt ihn zu einem persönlichen Gespräch ein.

00:46:13: Für Andreas ist das ein erstes Zeichen der Hoffnung, denn er weiß nun, auf der Akte seines Sohnes liegt kein Sperrvermerk.

00:46:21: Später erfährt er, dass solche Sperrvermerke vor allem in den Fällen angelegt wurden, in denen Kinder gefährdet waren oder in denen Gewalt in den Herkunftsfamilien im Spiel war.

00:46:31: Das trifft in seinem Fall ja nicht zu.

00:46:35: Beim Gespräch im Jugendamt erzählt Andreas seine Geschichte so, wie er sie erlebt hat.

00:46:39: Die Mitarbeiterin hört ihm aufmerksam zu.

00:46:42: Dann sagt sie ruhig, sollte ihr Sohn keinen Kontakt wünschen, müssen sie das respektieren.

00:46:49: Andreas kennt die Regeln und er weiß, dass dem Jugendamt die Hände gebunden sind, wenn ein adoptiertes Kind keinen Kontakt zur Ursprungsfamilie wünscht.

00:46:58: Und Andreas respektiert das natürlich auch.

00:47:01: Er möchte seinem Sohn ja nur anbieten, für ihn da zu sein, wenn er ihn brauchen sollte.

00:47:06: Andreas hört nun viele Monate nichts mehr vom Jugendamt.

00:47:10: Deshalb beschließt er, parallel einen zweiten Weg zu gehen.

00:47:14: Er beantragt Akteneinsicht beim Stasi-Unterlagenarchiv, in der Hoffnung, dort endlich irgendeinen Hinweis auf das Schicksal seines Sohnes zu finden.

00:47:24: Er wird zu einem Termin eingeladen, aber es stellt sich heraus, über Andreas existiert keine Stasiakte.

00:47:31: Er nimmt das zur Kenntnis, auch wenn er sich sehr wundert.

00:47:34: Fast jeder hatte damals eine Akte, doch offiziell gibt es über ihn keine.

00:47:40: Enttäuscht verabschiedet sich Andreas von dem Sachbearbeiter.

00:47:44: Wenige Minuten später, genau in dem Moment, als er das Gebäude verlassen will, fällt sein Blick auf ein kleines Schild im Eingangsbereich.

00:47:53: Beratungsstelle und Opfer von Zwangsadoptionen ist darauf zu lesen.

00:47:59: Ein Zufall, der alles verändern wird.

00:48:06: Und diese Dame hat mir zugehört, eine ganze Weile.

00:48:14: Und am Ende sagte die Dame zu mir, sie sind eine klassische DDR-Zwangsadoption.

00:48:21: Und dann sage ich zu ihr, ich sage, wieso eine Zwangsadoption?

00:48:24: Man hat mich doch nicht gezwungen, mein Kind abzugeben.

00:48:28: Sie haben ja doch mein Kind sogar angeboten.

00:48:29: Und dann sagte die Dame zu mir, wenn die ihn hätten ihr Kind geben wollen, hätten sie ihn jetzt auch drei Monate feuern.

00:48:37: Sie haben sie kaltgestellt.

00:48:39: damit sie ihre Unterschrift bekommen.

00:48:42: Ja, und das ist ein großer Themenkomplex, der uns nur allzu gut bekannt ist.

00:48:47: Und übrigens in diesem Zusammenhang, diese Frau, mit der sich da unterhält, das ist Katrin Baer.

00:48:53: Das ist eine Frau, die auch uns und das Team und die Redaktion schon ganz oft beraten hat, wenn wir auf der Suche nach zwangsadoptierten Kindern der DDR waren.

00:49:02: Ich habe mich vor einigen Jahren auch im Zuge einer Suche selbst mit ihr getroffen und habe da viele interessante Fakten zum Thema erfahren.

00:49:11: Ja.

00:49:13: Für Andreas ist dieses Gespräch mit Kathrin Bär ein Wendepunkt in seinem Leben.

00:49:18: Jahrelang hatte er den Verlust seines Sohnes ohne Groll hingenommen, immer in dem Glauben, dass die DDR-Behörden nur das Beste für Sebastian gewollt hätten.

00:49:27: Und dass sie ihm Andreas ja sogar die Möglichkeit gegeben hatten, Verantwortung zu übernehmen.

00:49:32: und dass er selbst an diesem kleinen Zeitfenster von zwanzig Stunden gescheitert war.

00:49:38: Doch jetzt wird ihm bewusst, das war naiv.

00:49:41: Die ganze Adoption war kein behördlicher Schutz und kein unvermeidbares Schicksal.

00:49:46: Sie war ein großes Unrecht.

00:49:49: Andreas beschließt, dass er nicht mehr länger warten und schweigen wird.

00:49:53: Dass er seinen Sohn suchen und ihn wiederfinden wird, egal wie lange das Jugendamt ihn noch hinhalten sollte.

00:49:59: Und dieser Entschluss, der setzt eine ungeahnte Kraft in Andreas frei.

00:50:04: Die Kraft eines Vaters, der niemals aufgibt.

00:50:08: Wenige Wochen später meldet sich die Mitarbeiterin des Jugendamtes bei Andreas.

00:50:12: Sie fragt, ob er kurz Zeit habe.

00:50:15: Am folgenden Tag sitzt Andreas in ihrem Büro und die Mitarbeiterin schaut ihn ernst an.

00:50:21: Nach einer langen Pause sagt sie, eine Kontaktaufnahme zu ihrem Sohn ist nicht möglich.

00:50:27: Andreas versucht ruhig zu bleiben, aber ihm schießen tausend Gedanken durch den Kopf.

00:50:31: Vielleicht will sein Kind keinen Kontakt, vielleicht wollen seine Adoptiveltern es nicht, oder der schlimmste Gedanke, vielleicht sitzt sein Sohn im Gefängnis oder ihm ist irgendetwas zugestoßen.

00:50:43: Er fragt vorsichtig nach und die Mitarbeiterin antwortet, nein, ihm geht es gut.

00:50:50: Er stebt mitten im Leben, er lebt in Berlin, aber... Er weiß nicht, dass er adoptiert ist und deswegen ist eine Kontaktaufnahme nicht möglich.

00:51:00: Andreas verlässt das Jugendamt.

00:51:02: Seine Suche, das spürt er, die geht jetzt erst los.

00:51:06: Denn er hat gerade entscheidende Informationen erhalten.

00:51:09: Sein Sohn lebt.

00:51:10: Es geht ihm gut.

00:51:12: Er heißt immer noch Sebastian und er wohnt in Berlin.

00:51:15: Und darüber hinaus weiß er noch nicht einmal, dass er adoptiert wurde.

00:51:20: In diesem Moment weiß Andreas, dass ihn nichts mehr aufhalten kann.

00:51:23: Er ist ein Vater, der betrogen wurde und er möchte, dass sein Sohn weiß, dass er sich an ihn wenden kann, wann immer er ihn braucht.

00:51:31: Nicht mehr und nicht weniger.

00:51:33: Andreas wird nun alles daran setzen, seinen Sohn zu finden.

00:51:36: Mit einer ungeheuren Zähigkeit, mit der Beharrlichkeit eines Vaters, der weiß, dass Liebe stärker ist als jedes Hindernis.

00:51:45: So macht er sich an die Arbeit.

00:51:47: Andreas verbringt nun unzählige Nächte vor seinem Computer.

00:51:51: Er durchsucht die sozialen Netzwerke und alle möglichen Internetseiten nach Sebastians, die in Berlin leben, und die in den ersten Jahren in den letzten Jahren geboren seien könnten.

00:52:00: Nach einigen Wochen hat er eine Liste erstellt, mit eineinthausend siebenhundert Personen, die ungefähr in sein Suchprofil passen könnten.

00:52:08: Er überprüft nun jeden einzelnen Genauer, sucht nach weiteren Angaben im Netz, nach Informationen, die ihn weiterbringen könnten.

00:52:16: Eines Nachts, er hat inzwischen eintausend dreihundert Sebastian zu seiner Liste ausschließen können, sieht er im Internet das Foto eines jungen Mannes.

00:52:26: Er heißt Sebastian und er wurde nineteenhundertvierundachtzig in Berlin geboren.

00:52:31: Andreas start auf das Bild.

00:52:33: Er kann nicht glauben, was er da sieht.

00:52:35: Die Ähnlichkeit ist überwältigend.

00:52:38: Andreas hat das Gefühl, dass er sich selbst aus dem Bildschirm ansieht.

00:52:42: Er, nur einige Jahre jünger.

00:52:45: Andreas spürt sofort, das ist sein Sohn.

00:52:48: Sein Herz schlägt schneller und seine Hände zittern.

00:52:51: Endlich, nach all den Jahren, ist er seinem Sohn ganz nah.

00:52:55: Die Foto, wo ich dachte, das ist mein Kind.

00:52:58: Ich

00:52:59: war mir ganz, ganz sicher.

00:53:01: Ich hab meine Frau wach gemacht.

00:53:02: Ich hab jetzt Foto ausgedruckt.

00:53:04: Hab meine Frau wach gemacht.

00:53:06: Ich sag, guck mal hier und meine Frau guckt drauf und sagt, das ist er.

00:53:09: Andreas kann sich überhaupt nicht beruhigen.

00:53:12: Er hat in vielen Nächten die Profile von einem Tausend dreihundert Sebastian aus Berlin gelesen.

00:53:17: Und da ist er nun.

00:53:19: Oder da könnte er sein, der Junge, dessen erstes Wort damals in der Kindergrippe Papa

00:53:26: war.

00:53:26: Ich konnte nicht schlafen, ich war total libbelig.

00:53:29: Jetzt habe ich ihn gefunden.

00:53:30: Aber ich hatte von ihm weder eine Adresse, noch hatte ich ein Geburtsdatum.

00:53:36: Also, da stand und da war nur der Name Sebastian.

00:53:38: Ich weiß nicht mehr, wie der Nachname war.

00:53:41: Und ich hatte sein Bild.

00:53:46: Am folgenden Tag nimmt Andreas Kontakt zu diesem jungen Mann auf und noch mit ein paar anderen Personen, die er in dem selben Profil im Internet gefunden hat.

00:53:55: Der junge Mann meldet sich nicht, aber eine Frau, die Andreas auch angeschrieben hat und die eine Schulfreundin von diesem Sebastian zu sein scheint.

00:54:03: Leider ... Schreibt sie, stimmt das Geburtsdatum des Gesuchten nicht mit dem des gefundenen Sebastian überein.

00:54:10: Auch andere Kontakte des jungen Mannes bestätigen, dieser Sebastian ist an einem anderen Tag geboren als Andreas Sohn.

00:54:17: Er ist es also nicht.

00:54:19: Der junge Mann, der auf dem Foto aussieht, als sei er Andreas wie aus dem Gesicht geschnitten, ist nicht der richtige Sebastian.

00:54:26: Ja und die Erkenntnis ist... Er hat sich das einfach eingebildet und wahrscheinlich wollte auch, dass es so ist.

00:54:32: Und das ist natürlich eine sehr große Enttäuschung für ihn.

00:54:36: Ja, Andreas ist verzweifelt, aber er ist nicht gebrochen.

00:54:39: Er hat schon einmal alles verloren und ist trotzdem weitergegangen.

00:54:42: Tief in ihm ist etwas viel stärker als jede Enttäuschung.

00:54:45: Es ist der Wunsch für sein Sohn da zu sein.

00:54:49: Andreas weiß, dass Sebastian nichts von seiner Geschichte ahnt, dass er nicht ahnt, was man ihm und seinem Vater damals angetan hat.

00:54:57: dass man Andreas in der DDR seinen Sohn weggenommen hat gegen seinen Willen.

00:55:02: Andreas will sich nicht in Sebastians Leben drängen.

00:55:04: Er weiß, dass Sebastian eine neue Familie hat.

00:55:07: Er will nur eins, eine Chance, eine einzige Gelegenheit seinem Jungen zu zeigen, dass er einen Vater hat, der ihn nie vergessen

00:55:15: hat.

00:55:19: Andreas nimmt noch einmal Kontakt mit dem Verein für Opfer von Zwangsadoptionen auf.

00:55:24: Er will verstehen, was damals wirklich geschehen ist.

00:55:27: und vielleicht endlich eine Spur zu Sebastian finden.

00:55:31: Gleichzeitig spricht er mit seinen Freunden.

00:55:34: Sie erinnern sich an die Nächte in Ostberlin, an die Zeit, als sie schon einmal gemeinsam aufgebrochen sind, um das Kind zu finden.

00:55:42: Und jetzt tun sie es wieder.

00:55:43: Und wie damals, vor all den Jahren, als Heike mit Sebastian verschwunden war, stehen sie wieder an Andreas Seite.

00:55:51: Es gibt noch viele Sebastians im Internet, die Andreas Sohn sein könnten.

00:55:56: Und zählige Profile, Gesichter, Spuren.

00:55:59: Und jeder kennt jemanden, der jemanden kennt.

00:56:02: Und so schwärmen sie aus.

00:56:04: Alle mit demselben Ziel.

00:56:08: Andreas und seine Freunde haben einen Vorteil.

00:56:11: Sie wissen, dass Sebastian in Berlin lebt.

00:56:14: Dass ihr Suchradius so deutlich umrissen ist, gibt ihnen eine Chance, den Sohn zu finden.

00:56:20: Nacht für Nacht durchkämmen sie die sozialen Netzwerke, vergleichen Fotos, lesen auch zwischen den Zahlen, suchen nach einem Detail, das passen könnte.

00:56:30: Andreas und seine Mutter Regina koordinieren die Suche.

00:56:34: Und diese Suche dauert fast ein Jahr.

00:56:36: Aber dann, an einem Vormittag im November, zwei Tausend Fünfzehn, klingelt Andreas Telefon.

00:56:43: Einer seiner Freunde ruft an.

00:56:46: Andreas Herz schlägt schneller, noch bevor er abnimmt.

00:56:49: Andreas, sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung, ich glaube, ich glaube, wir haben ihn.

00:56:56: Andreas erstarrt.

00:56:57: Für einen Moment wagt er nicht zu atmen.

00:57:00: Der Freund nennt Andreas eine Adresse in Berlin.

00:57:03: Dort soll der junge Mann wohnen, der der Sohn von Andreas sein könnte.

00:57:14: Ja, verrückt.

00:57:15: Die Freunde von Andreas und Andreas selbst haben jeden Stein in Berlin umgedreht.

00:57:21: Aber da sie den Nachnamen von Sebastian nicht kannten, mussten sie wirklich Schritt für Schritt gehen und zum Amt konnten sie ja auch nicht.

00:57:28: Denn weder das Einwohnermeldeamt noch das Standesamt hätten ihnen in diesem Fall helfen können.

00:57:36: Leider ganz anders als in so vielen Fällen, die sich ja dann auch oft an uns wenden, die Leute, dass die natürlich so die Schwarmintelligenz hatten.

00:57:44: Der hatte um sich herum ein Bitte melde dich Team.

00:57:47: Genau.

00:57:47: Sein persönliches.

00:57:49: Und dann haben die mit vereinten Kräften gesucht.

00:57:52: Und der Raum war begrenzt.

00:57:54: Sie wussten, er wohnt in Berlin.

00:57:56: Also wirklich richtig gut.

00:57:58: Und natürlich stand jetzt alles Kopf bei Andreas.

00:58:02: Ich war so aufgeregt, Ich habe zuerst meine Mutter angerufen.

00:58:06: Ich habe ihn gefunden.

00:58:08: Ich habe Leute angerufen, die mir über die Zeit geholt waren.

00:58:13: Andreas setzt sich an seinen Küchentisch und schreibt

00:58:15: einen Brief.

00:58:16: Ein Brief an seinen Sohn.

00:58:18: Und er hofft, dass er eine Gelegenheit bekommen wird, ihm diesen Brief persönlich zu geben.

00:58:23: Dann setzt er sich in sein Auto und fährt zu der Adresse.

00:58:28: Ich habe meine Tochter mitgenommen, damit er keine Angst kriegt.

00:58:32: Da steht ein fremder Mann vor seiner Tür und sagt, ich will was mit ihm besprechen.

00:58:36: Und mit so einem Kind an der Hand sehe ich ja nicht aus wie ein Eingrecher.

00:58:40: Meine Tochter war damals zwölf Jahre alt.

00:58:43: Zu der Wohnung meines Sohnes, er wohnte damals in Berlin-Weißensee und hab vor der Tür gestanden.

00:58:48: Ich hab dann geklingelt.

00:58:52: Erst bei ihm, da war niemand da.

00:58:55: Vier Stunden warten Andreas und seine Tochter im Auto.

00:58:58: Beide sind aufgeregt.

00:59:00: Andreas' Tochter weiß schon, seit sie ein Kleinkind war, dass sie einen älteren Bruder hat.

00:59:05: Andreas ist immer ganz offen mit der Tatsache umgegangen, dass er noch einen Sohn hat.

00:59:11: Und dann kommt ein junger Mann auf das Haus zu.

00:59:14: Das muss er sein.

00:59:15: Andreas und seine Tochter springen aus dem Wagen und laufen zum Hauseingang.

00:59:19: Dort spricht Andreas den Mann an und fragt, ob er Sebastian heiße.

00:59:24: Ja, bestätigt er, er sei Sebastian.

00:59:28: Andreas hat ein Brief vorbereitet, in dem alles steht, was er ihm sagen möchte.

00:59:33: Und diesen

00:59:44: Brief reicht er.

00:59:51: nun, Sebastian.

00:59:58: Kommt doch mal eine in meine Wohnung, ein Bad.

01:00:00: der uns in seine Wohnung, wir gehen in die Küche und sagt, was gibt's denn so spannend jetzt?

01:00:05: Ja, Andreas war sehr nervös, läuft jetzt auch ganz anders als er denkt.

01:00:10: Ich kenne das, es läuft eigentlich ganz oft alles ganz anders als man denkt und das ist ja auch in vielen Fällen

01:00:17: gut so.

01:00:18: Jedenfalls ist er sehr aufgeregt und hat weiche Knie.

01:00:21: Aber Sebastian, sein Sohn, der war völlig entspannt.

01:00:25: Er war ganz trocken, ganz locker, ganz freundlich, überhaupt nicht voreingenommen.

01:00:30: Und dann sagt er, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

01:00:33: Dann sagt er, mein Sohn, man fängt am besten immer mit den Beschissensten zuerst an.

01:00:39: Ich sage, Sebastian, ich bin dein Vater.

01:00:45: Das ist ja irgendwie einmalig, diese Situation.

01:00:49: Sebastian schüttelt aber den Kopf.

01:00:51: Das kann nicht sein, sagt er freundlich.

01:00:53: Ich habe Eltern.

01:00:55: Andreas atmet tief durch und beginnt zu erzählen.

01:00:58: Er berichtet von dem Ostberlin der neunzehnachtziger Jahre, von Heike, von der Geburt seines Sohnes, von den Kinderkrippen und dem Jugendamt, von der schmerzhaften Trennung und den langen Jahren der Suche.

01:01:11: Dann holt Andreas zehn Babyfotos von Sebastian aus seiner Tasche.

01:01:16: Es sind die Fotos, deren Abzüge er, zuvor, mit seiner Mutter in ein Album geklebt hatte und die er Sebastian's Adoptiveltern über das Jugendamt zukommen

01:01:27: ließ.

01:01:28: Um diese zehn Fotos lege ich vor ihm auf den Küchentisch.

01:01:31: Da fällt meinem Sohn emotional vom Stuhl und sagt zu mir, was machst du denn mit den Bildern meiner Eltern?

01:01:39: Dann sag ich zu ihm, ich sag Sebastian, das sind die Bilder meiner Eltern, die deine Eltern heute haben.

01:01:45: Ja, und ich glaube, das ist der Moment, wo sich auch bei Sebastian die Stimmung von locker und entspannt sehr ändert, als er begreift, was hier gerade passiert.

01:01:56: Und Andreas ist völlig außer sich.

01:01:58: Er hat seinen Sohn gefunden.

01:02:00: Und die Babybilder sind ja der Beweis dafür, dass das der Sohn ist.

01:02:04: Das wussten wir so genau gar nicht bis jetzt.

01:02:06: Genau.

01:02:07: Und das wird jetzt auch Sebastian klar.

01:02:09: Und die beiden verabreden sich für den folgenden Tag.

01:02:12: Sebastian kommt mit seiner Freundin zu seinem Vater nach Hause.

01:02:17: Andreas' Frau ist auch da.

01:02:19: Und die Vier unterhalten sich.

01:02:21: Und in dem Gespräch stellt sich heraus, Sebastian hat acht Jahre lang direkt neben dem Büro von Andreas Ehefrau gearbeitet, also nur wenige Meter entfernt.

01:02:32: Und nicht nur das.

01:02:34: Sebastian ist genau wie sein Papa KfZ-Mechaniker.

01:02:38: Und Andreas hat seinen Wagen des Öfteren in die Werkstatt gebracht, in der Sebastian arbeitet.

01:02:46: Unglaubliche Zufälle.

01:02:49: Oder vielleicht auch kein Zufall.

01:02:51: Wer weiß das?

01:02:51: Wer weiß das?

01:02:53: Und Sebastian erinnert sich noch gut daran, wie alles begann.

01:02:57: Er hatte Quatschstunde gehabt, eigentlich ihn gar nicht bevollenommen, bis er die Babyfotos rausgeholt hatte.

01:03:02: Welche Ecke selber hatte, war natürlich seltsam.

01:03:08: Ab da wurde dann strange.

01:03:10: Ja, so ist es.

01:03:11: Heute bin ich definitiv froh, dass ich ihn habe.

01:03:14: Es ist unglaublich unfassbar, wie viele Ähnlichkeiten wir uns in den Wesenszügen haben.

01:03:20: Wir haben schon sehr viel gemeinsam und ich bin froh, dass ich ihn habe.

01:03:24: In der folgenden Zeit kommen alle zusammen und sie sind überglücklich, sich wiedergefunden zu haben.

01:03:30: Sebastian lernt natürlich auch seine Großmutter, die Regina, kennen.

01:03:34: Und die weint beim ersten Treffen vor Freude, Glück und Rührung.

01:03:39: Und sie kann es nicht fassen, dass ihr Enkelsohn endlich vor ihr steht.

01:03:43: Es ist für alle kaum zu fassen, dass sie sich begegnen dürfen.

01:03:47: Er scheint allen wie ein Wunder.

01:03:50: Sebastians Adoptiv Eltern bleiben für ihn weiterhin seine Eltern.

01:03:54: Doch auch zu seiner leiblichen Familie entwickelt sich schon bald eine tiefe und herzliche Verbundenheit.

01:04:01: Und er spürt, dass er nun zwei Familien hat, die ihn lieben und die ihn unterstützen.

01:04:07: Ja, seitdem sind viele Jahre vergangen und Sebastians Adoptiveltern sind in der Zwischenzeit leider verstorben.

01:04:14: Sebastian ist aber in die Nähe von Andreas gezogen.

01:04:17: Vater und Sohn wohnen nun ganz nah beieinander.

01:04:19: Sie telefonieren täglich und sehen sich eigentlich ständig.

01:04:24: Und Andreas ist auch Opa geworden, denn Sebastian ist in den Jahren nach ihrem Wiedersehen selbst Vater geworden.

01:04:32: Ich bin dankbar dafür, dass wir so ein tolles Verhältnis haben.

01:04:36: Ich bin auch dankbar dafür, was die Eltern aus ihnen gemacht haben.

01:04:40: Ich freue mich auf das, was noch kommt.

01:04:42: Ich bin jetzt acht und fünf.

01:04:43: Ich bin ja noch, ich sag mal, als Opa noch relativ jung.

01:04:47: Meine Enkeltochter ist zehn.

01:04:49: Und deshalb, ich hab keinen Grund, mit Gräuel zurückzulegen.

01:04:56: Das finde ich übrigens auch total gut, dass er Groll nicht zulässt, sondern nur das Gute sieht.

01:05:04: Ja, das war heute eine besondere Geschichte, weil das hier jemand selbst, wie wir schon gesagt haben, mit so einem privaten Team geschafft hat, einen langvermisten Menschen zu finden.

01:05:15: Es gibt natürlich unzählige Fälle, wo man allein überhaupt nicht weiter kommt, aber dafür gibt es ja unter anderem uns.

01:05:25: Wenn ihr jemanden sucht, einen langvermisten Menschen oder uns eure besondere Geschichte erzählen wollt, dann könnt ihr uns gerne schreiben an.

01:05:36: Mittlerweile kann ich die Adresse auch selber sagen.

01:05:39: Info-Ed-Spurlos-Podcast.de.

01:05:42: Genau.

01:05:43: Und zur Sendung noch.

01:05:44: Alle weiteren Informationen findet ihr in den Shownotes.

01:05:48: Danke, Selvi, fürs Nichtunterstützen beim Horderproblem, aber fürs Tolle Miterzählen dieser Geschichte.

01:05:57: Ich danke dir, Julia.

01:05:58: Wünsche dir viel Spaß mit den Kirchererbsen.

01:06:00: Nee, ich gehe jetzt erst mal eine schöne Kerze kaufen.

01:06:04: Danke an euch fürs Zuhören.

01:06:05: Bis ganz bald und passt aufeinander auf.

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