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#80 In Lebensgefahr entdeckt: Pauls Geheimnis

Shownotes

Eine Routineuntersuchung mit dramatischen Folgen. Ein Geheimnis, das eine Familie entzweit. Und ein junger Mann, der auf einen See starrt. Heute – bei Spurlos.

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Redaktion Sylvia Lutz Natalya Prokhorenko

Ton Migo Fecke (Soundhouse Tonproduktionen GmbH)

Eine Produktion der StellaLuisa GmbH In Zusammenarbeit mit Endemol Shine Germany und Rainer Laux Productions

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Transkript anzeigen

00:00:02: Eine Routineuntersuchung mit dramatischen Folgen.

00:00:05: Ein Geheimnis, das eine Familie entzweit.

00:00:09: Und ein junger Mann, der auf einen See start.

00:00:12: Heute bei Spurlos.

00:00:26: Morgen an diesem im übertragenen Sinn besonderen Morgen.

00:00:31: Guten Morgen.

00:00:32: Im übertragenen Sinn, denn Selvi, wenn diese Folge hier online geht, dann ist ja Heiligabend.

00:00:39: Und deswegen finde ich genau die richtige Gelegenheit, heute mal Danke an euch da draußen sozusagen zu sagen, an euch Zuhörerinnen und Zuhörer.

00:00:50: Einfach, dass ihr da seid, weil ohne euch gibt es uns nicht.

00:00:56: Da ist es.

00:00:56: Das kann man mal einfach mal so sagen.

00:00:58: Also wenn ich mir überlege Selvi, wie das alles angefangen hat, ich weiß noch in den Starttagen dieses Podcasts, Migo weiß ja auch noch, haben wir doch immer ganz aufgeregte, guckt bei ein paar tausend Leuten, die das dann tatsächlich gehört haben.

00:01:15: Ja.

00:01:16: Und jetzt sind das im Monat rund eine Million Menschen, wir sind weniger mal schon richtig drüber.

00:01:23: Also wir sind mittlerweile mit jeder neuen Folge bei den sogenannten Top-Folgen, sage ich für uns, voll er stolz, also bei den meist gehörten Folgen in ganz Deutschland.

00:01:34: Selvi!

00:01:35: Hättest du das erwartet?

00:01:37: Ist dir bewusst, wie viele uns zuhören?

00:01:39: Hätte

00:01:39: ich nicht erwartet und ist ein wunderbares Weihnachtsgeschenk.

00:01:43: Ich dachte, ein Weihnachtswunder.

00:01:45: Ein Weihnachtswunder?

00:01:46: Ja, vielleicht auch ein Wunder.

00:01:48: Vielleicht auch.

00:01:49: Das ist einfach total schön.

00:01:51: Ehrlich, ich bin ein bisschen stolz darauf.

00:01:53: Und wir sind so froh darüber.

00:01:55: Und wir bekommen natürlich auch ganz viel Feedback von euch.

00:01:57: Ganz viele interessante Gedanken.

00:02:00: Total viele liebevolle Nachrichten, wo ihr uns hört, wie ihr uns hört, was wir euch bedeuten.

00:02:05: Und ich möchte euch zu den Nachrichten sagen, wir lesen alles.

00:02:09: Das ist mir ganz wichtig.

00:02:12: Aber bitte seht uns nach, wenn wir je nachdem nicht alles beantworten, alles lesen geht, alles beantworten geht im Einzelfall nicht.

00:02:23: Jedenfalls finde ich es eure Treue und euer Interesse, unser Weihnachtsgeschenk hier, oder heute?

00:02:29: Absolut.

00:02:30: Und ein wunderbares Weihnachtsgeschenk.

00:02:33: Und dafür von Herzen danke.

00:02:35: Und jetzt macht es euch gemütlich, macht euch kuschelig, zündet euch ein Kerzchen an, schnappuliert ein paar Blätzchen.

00:02:41: und so viel werde ich heute zu dieser Folge verraten, denn es ist Weihnachten und am Ende könnte alles gut werden.

00:02:49: Erzähl von unserer Folge.

00:02:51: Ja, heute erzählt uns Paul seine Geschichte.

00:02:54: Paul ist siebzehn Jahre alt als sein Leben völlig durcheinander gerät.

00:02:58: Plötzlich findet er sich in einer Lebenssituation wieder, auf die er überhaupt nicht vorbereitet ist.

00:03:04: Ganz allein muss er sich seinen Gefühlen und seinen Ängsten stellen.

00:03:08: Und er beginnt, sich selbst zu suchen.

00:03:11: Wer bin ich und wo gehöre ich hin?

00:03:13: Das sind große Fragen für einen Siebzehnjährigen.

00:03:16: Und Paul ruht daran auch zu zerbrechen.

00:03:23: Eine Schulklasse in einem kleinen Ort in Norddeutschland.

00:03:26: Die Schüler der Oberstufe haben gerade Deutschunterricht.

00:03:30: Die Lehrerin schreibt etwas an die Tafel.

00:03:33: Schiller schreibt sie.

00:03:34: Und dann zeichnet sie einen Pfei.

00:03:37: Paul schaut kurz hin.

00:03:38: Er ist ein guter Schüler.

00:03:40: Er liebt den Deutschunterricht.

00:03:42: Doch heute ist er mit seinen Gedanken ganz woanders.

00:03:45: Er startet auf dem Baum vor dem Fenster, auf die kahlen Äste, die sich im Wind bewegen.

00:03:51: Graues Winterlicht fällt in den Klassenraum.

00:03:55: Paul sieht das alles, aber er nimmt es nicht wirklich wahr.

00:03:59: Dann lässt er unauffällig den Blick sinken und schaut heimlich auf das Display seines Mobiltelefons.

00:04:06: Es ist lautlos gestellt.

00:04:07: Im Unterricht dürfen die Telefone natürlich nicht benutzt werden.

00:04:11: Das weiß Paul.

00:04:12: Trotzdem kann er nicht anders.

00:04:14: Erwartet.

00:04:15: Erwartet auf einen Anruf.

00:04:18: Auf einen Anruf, der in diesem Moment wichtiger ist als die Literaturanalyse an der Tafel.

00:04:24: Eigentlich wichtiger als alles in seinem Leben.

00:04:29: Eine Viertelstunde vergeht, dann noch eine.

00:04:32: Und dann plötzlich vibriert Pauls Handy.

00:04:35: Er sieht die Nummer auf dem Display und er weiß, das ist der Anruf, auf den er nun schon den ganzen Morgen wartet.

00:04:43: Paul verlässt einfach das Klassenzimmer und geht hinaus auf den

00:04:46: Flur.

00:04:47: Er ruft die Nummer des entgangenen Anrufs zurück.

00:04:51: Eine Frau meldet sich.

00:04:52: Sie begrüßt ihn freundlich und dann sagt sie, ich habe alles hier liegen.

00:04:57: Wann möchten Sie denn vorbeischauen?

00:05:00: Paul bekommt kaum Luft.

00:05:02: Die Sachen sind da.

00:05:04: Die Sachen, die sein Leben verändern könnten.

00:05:06: Paul sagt, dass er schon am folgenden Tag kommen könnte.

00:05:10: Wunderbar, sagt die Frau, zehn Uhr.

00:05:12: Paul legt auf.

00:05:14: Plötzlich bekommt er keine Luft mehr.

00:05:16: Sein Herz rast, seine Hände werden taub.

00:05:19: Ihm ist eiskalt und er merkt, dass er das Bewusstsein verliert.

00:05:24: Er sinkt zu Boden.

00:05:26: In diesem Moment kommt seine Deutschlehrerin heraus auf den Flur.

00:05:30: Sie erschrickt, kniet sich sofort zu ihm und spricht beruhigend auf ihn ein.

00:05:35: Paul ist immer noch schwindelig, doch langsam kann er wieder atmen.

00:05:40: Dieser Anruf gerade eben, das weiß er genau, der ist der Anfang von etwas Großen, von etwas Ungewissen.

00:05:47: Der Beginn einer Suche, die für ihn wichtiger ist als alles andere.

00:05:52: Denn Paul sucht Antworten.

00:05:54: Und er sucht die eine Person, bei der alle Fäden zusammenlaufen.

00:05:59: Die Person, die die Wahrheit kennt und den Schlüssel zu allem in Händen hält.

00:06:04: Doch diese Person ist spurlos verschwunden.

00:06:08: Und mit ihr ist der Schlüssel zu einer Wahrheit verschwunden,

00:06:11: die niemand aussprechen

00:06:13: will.

00:06:18: Als Paul sich etwas erholt hat, wird er nach Hause geschickt.

00:06:23: Er ist froh, dass er das Schulgebäude verlassen darf, denn er ist tief verletzt und er ist verzweifelt.

00:06:29: Er hat erst vor kurzem etwas erfahren, dass ihn zutiefst erschüttert und verunsichert hat.

00:06:35: Dieser Vertrauensbruch hat alles für mich irgendwie verändert.

00:06:40: Und das war für mich auch erst mal eine Phase, wo ich wirklich sortieren musste, wie ich weitermachen kann und wo meine Prioritäten liegen.

00:06:50: Also, dieser junge Kerl, der Paul, steckt fest zwischen seiner Vergangenheit und seiner Zukunft, zwischen, glaube ich, auf der einen Seite Verbundenheit.

00:06:59: aber auch verrat.

00:07:01: Auf der einen Seite ist das ein bisheriges Leben, achtzehn Jahre, da hat man auch schon viele Erinnerungen, Routinen und Gewissheiten und auf der anderen Seite steht da plötzlich eine Wahrheit vor ihm, eine Wahrheit, die das alles in ganz anderes Licht rückt.

00:07:18: Im Pauls Leben gibt es jetzt einen Riss, eine richtige Kluft, es gibt also den alten Paul und es gibt jetzt den neuen Paul.

00:07:26: Und die beiden haben jetzt nichts mehr miteinander gemeinsam.

00:07:30: Und um zu verstehen, was passiert ist, springen wir zurück zu diesem alten Paul, zu dem Paul, der noch vertraut, der glaubt und der sehr unbeschwert liebt.

00:07:42: Ja, Paul ist in two-hundert-zwei-nein-neinzig geboren worden und er ist ein fröhlicher Junge, ein echtes draußenkind, wie er selber sagt.

00:07:50: Seine Nachmittage verbringt Paul immer auf dem Fußballplatz.

00:07:54: Sobald er seine Hausaufgaben beendet hat, verliert er keine Sekunde.

00:07:58: Er schnappt sich seine Sportsachen und läuft los hinüber zum Sportverein, wo seine Freunde und Mannschaftskollegen schon auf ihn warten.

00:08:07: Paul ist Torwart und er ist ein ziemlich guter Torwart.

00:08:10: Und jeden Nachmittag steht Paul im Tor und in diesen Stunden fühlt es sich für ihn an, als gehöre ihm die ganze Welt.

00:08:18: Warst du draußen, Kind?

00:08:19: Ähm, eigentlich nicht.

00:08:21: Ich war draußen.

00:08:22: Ja.

00:08:23: Ja,

00:08:23: warst du drinnen, Kind?

00:08:24: Ja, ich

00:08:25: war drinnen und draußen, Kind.

00:08:27: Warst

00:08:28: du drinnen und draußen?

00:08:29: Aber ich bin jetzt auch nicht ein Mädchengewicht.

00:08:32: Echt?

00:08:33: Direkt schon raus musste nach dem

00:08:34: Mittagessen.

00:08:35: Ich war immer draußen,

00:08:36: immer auf den Fahrrad.

00:08:37: Ich war drinnen viele Dinge zu tun und draußen viele Dinge, ja.

00:08:39: Hast du so mit Puppen gespielt und so?

00:08:41: Puppen

00:08:41: gespielt und Fahrrad gefahren und Rollstuhl gelaufen und so.

00:08:44: Ja, das

00:08:44: ist ja draußen, Sylvie.

00:08:45: Ich

00:08:45: sag ja drinnen und draußen, aber nicht jetzt nur draußen.

00:08:49: Also, die Sylvie war ein alles Kind?

00:08:50: Ein alles Kind.

00:08:52: Ich war ein draußen Kind und habe abends blaue Flecke voll der Stolz

00:08:56: gezählt.

00:08:58: Wenn Paul dann abends nach dem Training nach Hause kommt, wird es etwas ruhiger.

00:09:02: Dann sitzt Paul meistens allein in seinem Zimmer.

00:09:05: Dort liest er viel oder übt Geige.

00:09:08: Geige spielt er schon seit der fünf Jahre alt ist.

00:09:11: Und das ist so gut, dass er schon mehrere Male vor einem größeren Publikum auftreten durfte.

00:09:18: Paul lebt mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester in einem Haus in einer ländlichen Gegend in Norddeutschland.

00:09:25: Seine Familie ist ganz normal, liebevoll und sehr zugewandt.

00:09:29: Pauls Eltern umsorgen ihre Kinder und unterstützen die beiden, wo sie nur können.

00:09:35: Was Paul zwischen Fußballplatz, Geige und Abendessen nicht ahnen kann, über seine unbeschwerten Kindheit und Jugend liegt schon jetzt ein dunkler Schatten.

00:09:46: Und das, was er für selbstverständlich hält, das ist nur eine scheinbare Sicherheit, eine Illusion, die ihn nicht beschützen kann vor dem, was da kommen wird.

00:09:57: Dieser Schatten, von dem alle zu Wissen scheinen und von dem nur Paul nichts ahnt, der kommt immer näher.

00:10:03: Paul ist jetzt siebzehn Jahre alt und eine Routineuntersuchung beim

00:10:08: Arzt steht an.

00:10:09: Für Paul ist das zunächst ein ganz normaler Termin, die mir gar keine große Bedeutung beimisst.

00:10:15: Doch als an diesem Morgen die Arzthelferin eine Nadel im Pauls Armbäu gesticht, um Blut zu entnehmen, da ändert sich alles.

00:10:24: In diesem Moment endet Pauls unbeschwerte Kindheit und Jugend und das Leben, wie er es bis jetzt

00:10:31: kannte.

00:10:32: Denn wenige Tage später wird Paul ein anderer sein, ein junger Mann, der sich selbst völlig fremd

00:10:38: ist.

00:10:39: Ja, eigentlich hätte diese Routineuntersuchung beim Hausarzt nichts weiter sein sollen als ein kurzer Termin zwischen Schule, Fußballtraining und Pauls ganz normalem Alltag.

00:10:49: Doch es kommt anders.

00:10:51: Kurze Zeit später treffen die Ergebnisse der Blutuntersuchung in der Praxis ein und sie versetzen die Ärzte in höchste Alarmbereitschaft.

00:10:59: Denn Pauls Leberwerte sind katastrophal.

00:11:02: Seine Leberfunktion ist massiv beeinträchtigt.

00:11:05: Paul schwebt in Lebensgefahr.

00:11:08: und die Hausärzte beschließen, den siebzehnjährigen noch am selben Tag in die nicht gelegene Klinik zu überweisen.

00:11:14: Paul wird in der Leberambulanz der Klinik aufgenommen.

00:11:18: Weitere Untersuchungen folgen, doch die Ergebnisse bestätigen das Schlimmste.

00:11:23: Die Werte bleiben weit außerhalb des Normbereichs und sind bedrohlich.

00:11:29: Die Ärzte sprechen schließlich offen über die möglichen Ursachen.

00:11:33: Entweder es handelt sich um einen Tumor in der Leber oder um einen seltenen genetischen Defekt, bei dem die Leber ein lebenswichtiges Enzym nicht bilden kann.

00:11:44: Zwei Möglichkeiten, die beide lebensgefährlich sind.

00:11:48: Paul hört zu, als Stünde erneben sich.

00:11:50: Er hatte gedacht, er käme nur zu einer Routineuntersuchung.

00:11:55: Und nun steht er am Rand eines Abgrunds, denen er nicht hat kommen sehen.

00:11:59: Plötzlich geht es für ihn um Leben und Tod.

00:12:04: Die Ärzte sind alarmiert und besorgt.

00:12:06: Wenn es sich wirklich um einen Tumor in der Leber handeln sollte, würde diese Erkrankung in absehbarer Zeit tödlich enden.

00:12:14: Paul bliebe dann nicht mehr viel Zeit, vielleicht noch ein paar Wochen oder Monate.

00:12:19: Pauls Eltern sind in Panik und auch Paul hat Angst.

00:12:22: Vor drei Tagen hat er noch im Tor auf dem Fußballplatz gestanden und mit seinen Freunden gelacht.

00:12:27: Und nun rechnet er plötzlich damit, dass er diese Erkrankung vielleicht nicht überleben wird.

00:12:33: Die Ärzte handeln schnell und nehmen eine Biopsie vor, um Gewissheit zu erlangen.

00:12:38: Die Ärzte verfolgen parallel aber noch die zweite Möglichkeit, die als Ursache der kritischen Leberwerte im Raum steht.

00:12:46: Ein vererbter Gendeffekt.

00:12:48: Sollte tatsächlich ein solcher Gendeffekt der Grund für Pauls entgleiste Werte sein, dann würde seine Leber ein zentrales Enzym nicht bilden können.

00:12:58: Ein Enzym, das über Leben und Tod entscheidet.

00:13:01: Fehlt es, sammeln sich giftige Stoffe im Körper, lagern sich in der Leber ab und richten dort schwerere Schäden an.

00:13:10: Die Ärzte drängen auf weitere Untersuchungen und fordern genetische Analysen sowie eine genaue Erhebung der Familienkrankengeschichte, eine sogenannte Familienanamnese.

00:13:23: Sie wollen wissen, ob es im Pauls Familie bereits ähnliche Erkrankungen gegeben hat.

00:13:29: Paul hat keine Ahnung, dass der Begriff Familien annahmen Nese seine Eltern neben der Sorge, um sein Leben zusätzlich unter enormen Druck setzt.

00:13:41: Denn sie hüten ein Geheimnis, dass, wenn es enthüllt wird, nicht nur sein Leben, sondern auch ihres für immer verändern könnte.

00:13:51: Ich glaube, das war nicht unbedingt ein guter Zeitpunkt, aber ich glaube einfach, das waren ... Der Zeitpunkt, wo sie gezwungen war, mir das zu sagen, weil es um genetische Ursachen ging, wäre das nicht so gewesen, denn hätte sie es mir auch nicht erzählt.

00:14:08: Während die ganze Familie nervös auf die Ergebnisse der Untersuchungen wartet, setzt sich Pauls Mutter zu ihrem Sohn.

00:14:15: Sie weint und ihre Hände zittern, als sie Paul die Wahrheit gesteht.

00:14:20: Die Wahrheit, die sie ihm siebzehn Jahre lang verschwiegen hat.

00:14:24: Denn Paul ist nicht ihr leibliches Kind.

00:14:27: Sie und ihr Mann haben ihn direkt nach seiner Geburt zu sich genommen und adoptiert.

00:14:32: Paul erstarrt.

00:14:34: Siebzehn Jahre lang hatte er geglaubt, seine Familie zu kennen.

00:14:38: Siebzehn Jahre lang haben sie geschwiegen und ihm eine Wahrheit vorenthalten, die nun alles erklärt.

00:14:44: Die Aufregung um die genetischen Untersuchungen, die geheimen Blicke und die unruhige Spannung in der Luft.

00:14:51: Siebzehn Jahre lang hatte Paul geglaubt zu wissen, wer er war.

00:14:55: Jetzt hat er das Gefühl, wie ein Fremder in seinem eigenen Leben zu stehen.

00:15:01: Und das war für mich ein sehr großer Vertrauensbruch.

00:15:04: auf der einen Seite.

00:15:06: Weil für mich ist es ganz katastrophal gewesen, diese Tatsache, dass ich achtzehn Jahre lang belogen wurde.

00:15:15: Natürlich, dass jemand adoptiert wurde, ist an sich kein Problem und... Auch nicht für Paul.

00:15:21: Liebe und Vertrauen können zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern oder eben den adoptierten Kindern gleichermaßen bestehen.

00:15:29: Hier geht es ja nicht um die Adoption selbst.

00:15:32: Es ist die Lüge, das verschweigen, dass Paul hier so tief erschüttert.

00:15:37: Genau, diese Tatsache, dass seine Eltern ihn siebzehn Jahre lang etwas so grundlegendes verschwiegen haben.

00:15:43: Ja, genau.

00:15:45: Und das hat ja zur Folge, dass Paul sich entmündigt fühlt und dass er den Eindruck hat, überhaupt keine Kontrolle mehr über sein eigenes Leben zu haben.

00:15:55: Also alles ist auf einmal eine Lüge.

00:15:56: Ich kann mir das total gut vorstellen.

00:15:59: Also dieser Farad, so empfindet Paul das, das wirft ihn wirklich komplett aus der Bahn.

00:16:04: Nichts mehr ist so, wie es war.

00:16:06: Und er schweren kommt hier hinzu.

00:16:09: Alle anderen in der Familie wussten Bescheid außer Paul.

00:16:13: Meine Schwester und meine Oma haben auf Beide eingeredet, also auf meine Adoptiveltern, dass sie das unbedingt sagen müssen.

00:16:23: Und das schon circa ab dem zehnten Lebensjahr von mir.

00:16:27: Haben alle gesagt, es muss langsam gesagt werden.

00:16:31: Aber meine Adoptiveltern haben sich immer dagegen entschieden.

00:16:34: Die Angst kann ich auch irgendwo verstehen von den beiden.

00:16:40: Aber es wäre trotzdem sehr wichtig gewesen für mich.

00:16:44: das früher zu erfahren, um auch, glaube ich, einen anderen Umgang damit zu kriegen.

00:16:49: Als ich das dann alles realisiert habe, habe ich auch erstmal das Vertrauen zu beiden Adoptiveltern völlig verloren.

00:16:59: Alle haben es gewusst.

00:17:01: Alle.

00:17:01: Nur Paul war ahnungslos.

00:17:03: Siebzehn Jahre lang.

00:17:05: Siebzehn Jahre lang haben sie ihnen angelächelt, sie haben Geschichten erzählt, Geburtstage gefeiert, Familienfotos gemacht.

00:17:12: Doch hinter jedem Foto, hinter jedem Lächeln, lag eine Lüge.

00:17:17: Und Paul, der fühlt sich plötzlich wie ein Fremder in seinem eigenen Leben.

00:17:21: Trotz allem kann Paul aber nachvollziehen, warum seine Eltern beziehungsweise seine Mutter so gehandelt haben.

00:17:28: Das hatte mir meine Mutter auch erzählt.

00:17:31: Die hatte tatsächlich die Angst, dass ich meine Adoptiveltern verlasse und einfach weglaufe.

00:17:38: So, nicht mehr ... bei denen bin und dass sie damit einen größeren Bruch und Schaden in unserer Beziehung erzeugen, als dass es helfen würde.

00:17:51: Um das noch mal einzuordnen, er erzählt das ja jetzt als gestandene erwachsene Mann, aber er ist das siebzehn Jahre alt.

00:18:00: Also mit siebzehn bist du, die siebzehnjährigen mögen mir das verteilen, aber noch eher, also jedenfalls aus meiner Warte eher Kind.

00:18:09: als jetzt unbedingt schon so richtig Greifer erwachsen.

00:18:12: Ja, das ist schon sehr, sehr jung.

00:18:14: Sehr jung und es kommt alles zusammen hier.

00:18:19: Paul hat in dieser Phase gerade Angst zu sterben.

00:18:23: Also, der ist lebensbedrohlich krank.

00:18:24: Er weiß, dass er zwischen Leben und Tod schwebt.

00:18:27: Und dann kommt noch diese Erkenntnis jetzt, dass alles, was er über sich zu wissen glaubte über seine Eltern, dass das alles Lüge ist, eine richtige Lebenslüge.

00:18:39: Eine dieser beiden Katastrophen wäre schon richtig viel zu tragen.

00:18:43: Aber Paul muss jetzt mit beidem fertig werden.

00:18:46: Die Untersuchungen der Ärzte bringen schließlich Klarheit.

00:18:50: Die Ursache der Entgleisung von Pauls Leberwerten ist tatsächlich ein genetischer Defekt, der nun gezielt behandelt werden kann.

00:18:58: Paul nimmt jetzt Medikamente, die das fehlende Enzym ersetzen und die giftigen Stoffe in seiner Leber abbauen sollen.

00:19:05: Nach den dramatischen Momenten der Unsicherheit kehrt langsam Erleichterung ein.

00:19:10: Die Werte normalisieren sich nach und nach und Pauls Zustand bessert sich zunehmend.

00:19:15: Körperlich kehrt Paul langsam wieder zu seiner alten Form zurück.

00:19:18: Sein Körper gewinnt wieder an Kraft, die Energie kommt zurück und die Blutwerte stabilisieren sich.

00:19:24: Körperlich ist Paul auf dem Weg der Besserung.

00:19:28: Doch seelisch ist bei ihm alles aus den Fogen geraten und er findet keine Ruhe mehr.

00:19:32: Die Angst vor der Krankheit, die plötzliche Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit und das Geheimnis um seine Adoption haben tiefe Spuren hinterlassen.

00:19:42: Paul fühlt sich innerlich wie zerrissen und er schafft es einfach nicht seinen Eltern diesen Verrat, so empfindet er das zu verzeihen.

00:19:50: Paul denkt nun viel über seine Herkunft nach.

00:19:53: Er ist plötzlich zwischen der Liebe und Loyalität zu seinen Adoptiveltern und dem Gefühl, dass sein ganzes bisheriges Leben auf einer Lüge aufgebaut war hin und her gerissen.

00:20:03: Jede Erinnerung an seine Kindheit hat jetzt einen bitteren Beigeschmack.

00:20:08: und der Wunsch zu wissen, woher er kommt und wer er ist, der wird immer stärker.

00:20:13: Paul möchte Gewissheit.

00:20:15: Warum haben seine leiblichen Eltern?

00:20:17: Warum hat seine Mutter ihn weggegeben?

00:20:21: Wer ist diese Frau?

00:20:22: Und was ist damals eigentlich passiert?

00:20:25: All seine Gedanken drehen sich nun um seine biologischen Eltern und er kapselt sich gefühlsmäßig von seiner alten Familie ab.

00:20:34: Aber weißt du, ich find das so schrecklich für Pauls Adoptiveltern, denn die haben ja nicht in böser Absicht oder aus Egoismus geschwiegen, sondern aus Angst, aus der Furcht ihn zu verlieren, wenn sie ihm die Wahrheit sagen und nun ist es genau so gekommen.

00:20:50: Ja, ich kann das schon nachvollziehen, aber natürlich mit einer Adoption kommen in meinen Augen grundsätzlich, also kommt diese Verantwortung, Das wissen darum, dass du auch mit der Wahrheit da umgehen musst und dem adoptierten Kind auf jeden Fall die Wahrheit auch schuldig bist.

00:21:14: Also das ist so ein grundlegendes Recht meiner Meinung nach, dass die Kinder und ja dementsprechend später natürlich auch Jugendlichen in dieser Situation haben.

00:21:25: Und es gehört ja noch was zu diesem Thema.

00:21:28: Wer aus so einer Angsthandel denkt, Das meine ich jetzt nicht auf dieser Elternbezogen, allgemein dieser Gedanke dazu.

00:21:36: Der handelt nicht immer zum Wohl anderer, sondern manchmal kommt es auch daher, dass man zuerst an das eigene Bedürfnis nach Sicherheit denkt.

00:21:48: Also die Adoptiveltern hatten ja Angst, Paul zu verlieren, wenn er herausbekäme, dass er nicht ihr leibliches Kind ist.

00:21:56: Das wäre wahrscheinlich gar nicht so willkommen.

00:21:58: wenn sie es gesagt hätten, aber es war halt die Angst.

00:22:01: Es wäre aber sein Recht gewesen, alles über sich zu wissen und er empfindet das eben auch so.

00:22:08: Seine Eltern,

00:22:09: das ist

00:22:10: einfach meine Meinung, durften diese Entscheidung nicht über seinen Kopf hinweg treffen.

00:22:16: Das ist auch eine Entmündigung.

00:22:19: Und so stellt Paul sein gesamtes Leben in dieser Familie infrage und das ist auch nachvollziehbar.

00:22:26: Und noch einen kleinen Satz dazu, aus meiner Erfahrung in zwanzig Jahren, wenn man das schafft, die Wahrheit zu sagen über die Adoption.

00:22:34: Also, wir sind wenige Fälle bekannt, dass das mehr entzweit hätte.

00:22:40: Im Gegenteil, wir hatten viele Adoptiveltern, die mit ihren Kindern nach der leiblichen Familie gesucht haben, weil immer alles offen kommuniziert worden war.

00:22:49: Und der Solidaritätskonflikt hält sich dadurch nämlich bei den adoptierten viel mehr in Grenzen.

00:22:56: Und Liebe verfielfältigt sich eher.

00:23:00: Also es ist dann nicht so ein Abwägen.

00:23:03: Also das ist unsere Erfahrung, oder?

00:23:04: Ja.

00:23:06: Als Paul wieder gesund ist, kehrt er auch zurück zur Schule.

00:23:10: Inzwischen ist er achtzehn Jahre alt geworden und damit hat sich etwas geändert.

00:23:15: Er darf sich nun selbst in der Schule entschuldigen.

00:23:17: Das bedeutet, er benötigt nicht mehr die Unterschrift seiner Eltern, wenn er nicht am Unterricht teilnimmt.

00:23:24: Mit achtzehn.

00:23:26: habe ich mich krankgeschrieben und bin den einen Tag zum Jugendamt in die nächstgrößere Stadt gefahren.

00:23:31: Alles auch heimlich, weil ich auch erst mal nicht wollte, dass irgendjemand etwas davon mitbekommt.

00:23:38: Paul sitzt in dem Büro einer Mitarbeiterin des Jugendamtes und berichtet von seinem Anliegen, dass er gerne wissen möchte, wer seine Eltern sind und woher er eigentlich stammt.

00:23:49: Die Mitarbeiterin sieht direkt in ihren Akten nach.

00:23:53: Viel kann sie Paul in diesem Moment aber noch nicht sagen.

00:23:56: Nur das eine, dass er direkt nach seiner Geburt adoptiert wurde und dass seine Adoptiveltern ihn unmittelbar aus dem Krankenhaus mitgenommen haben, indem er zur Welt kam.

00:24:07: Seine leibliche Mutter muss also vor der Entbindung gewusst haben, dass sie Paul nicht bei sich behalten würde, sondern dass sie ihn zur Adoption freigeben würde.

00:24:18: Die Mitarbeiterin verspricht, die Adoptionsunterlagen bei dem zuständigen Amt anzufordern, um Paul sofort zu informieren, wenn sie eingetroffen sind.

00:24:27: Dann kann er wiederkommen und alles weitere bezüglich seiner Adoption erfahren.

00:24:32: Mehr kann sie in dem Moment nicht für ihn tun.

00:24:35: Paul verabschiedet sich und fährt wieder nach Hause.

00:24:38: Von diesen Terminen im Jugendamt erzählt ja niemanden.

00:24:42: Drei Wochen später ist es dann soweit.

00:24:45: Ich kann mich an diesen Anruf genau erinnern.

00:24:49: Das war mitten im Deutschunterricht.

00:24:52: Ich bin dann rausgegangen in den Flur, um zu telefonieren.

00:24:55: Und als sie mir dann gesagt hat, sie hat die Akte und wir können jetzt einen Termin machen, konnte ich das noch alles bewerkstelligen.

00:25:05: Ich hab einen Termin ausgemacht.

00:25:08: Und dann war es aber für mich so, dass mich völlig die Emotion tatsächlich überrannt haben.

00:25:14: Ich hab hyperventiliert, ich hab kaum noch Luft bekommen.

00:25:19: Paul ist aufgeregt und er kann sich überhaupt nicht beruhigen.

00:25:22: Er hat große Angst vor dem, was in den Unterlagen stehen könnte, aber gleichzeitig hätte die Hoffnung, dass seine Mutter ihn nicht aus Gleichgültigkeit abgegeben hat, sondern dass irgendwo vermerkt wäre, dass sie ihn vielleicht doch geliebt hat.

00:25:37: Ich hab wahnsinnige Angst davor gehabt, aus welchen Verhältnissen ich stamme.

00:25:42: Ich wusste bis jetzt nur, dass ich direkt aus dem Krankenhaus adoptiert wurde.

00:25:47: Und irgendwie hat man so Horrorvorstellungen, dass man sich aus wirklich schlechten Verhältnissen kommt.

00:25:54: Das war einerseits meine Sorge, andererseits mein größtes Bedürfnis, von Anfang an meine Mutter kennenzulernen.

00:26:01: Ich wollte wissen, wer das ist.

00:26:03: Und ich wollte endlich Klarheit haben, warum ich adoptiert wurde, also warum ich freigegeben wurde zur Adoption.

00:26:12: Am folgenden Tag schreibt Paul wieder eine Entschuldigung für die Schule.

00:26:17: Dann fährt er los.

00:26:18: Er ist erst achtzehn Jahre alt.

00:26:20: Er ist ein junger Mann, der überhaupt keine Erfahrung mit so ernsten und lebensentscheidenden Situationen hat.

00:26:27: Er ist der Junge, der immer nur Fußball spielen und mit seinen Freunden draußen sein wollte und dessen größte Sorge es war, den nächsten Ball zu halten und das Spiel zu gewinnen.

00:26:36: Und nun sitzt er hier ganz allein vor einem Büro, in dem die Antworten auf seine Fragen liegen.

00:26:42: Antworten, die sein Leben verändern könnten.

00:26:45: Er fühlt sich hilflos und überfordert.

00:26:49: Ich war damals wahnsinnig aufgeregt, nervös, tatsächlich.

00:26:56: Und ich weiß, dass ich kurz warten musste, weil die Frau noch telefoniert hatte, die dafür zuständig war.

00:27:06: Ich habe richtig gemerkt, wie mein Herz angefangen hat, immer schneller zu schlagen.

00:27:11: Und ich kannte das überhaupt nicht.

00:27:14: Und ich war super, super aufgeregt und voller Erwartung irgendwie, dass sich das alles schnell aufklären lässt.

00:27:22: Und ich auch bestimmt schnell irgendwie Kontakt herstellen kann tatsächlich.

00:27:28: Die Mitarbeiterin des Jugendamtes begrüßt Paul und geht mit ihm in ihrem Büro, die Unterlagen durch diese bekommen hat.

00:27:35: In diesen Akten steht, wer Pauls leibliche Eltern sind.

00:27:40: Uns liegen diese Akten auch vor, also in Kopien natürlich.

00:27:44: Und wir schauen uns jetzt mal an, welche Informationen da auf Paul mit seinen achtzehn Jahren einbrasseln.

00:27:50: Und wir wollen genau wie Pauls sehen, ob die Ängste begründet waren.

00:27:54: Seine Ängste, dass er aus einer Familie stammen könnte, die ihn nicht geliebt hat.

00:28:00: oder in sehr schwierigen Verhältnissen lebte.

00:28:04: Paul hat das Gefühl, dass ihm gleich das ganze Leben aus den Händen gleiten könnte, je nachdem, was er da jetzt in den Akten entdeckt.

00:28:11: Ja, in diesen Akten, da finden sich zahlreiche Protokolle, so und hier.

00:28:17: Auf der ersten Seite steht ganz oben Vermittlungssituation.

00:28:21: Hier werden die Lebensumstände von Pauls Eltern, also von seinen Adoptiveltern beschrieben.

00:28:27: Und

00:28:27: hier etwas weiter unten.

00:28:29: Hier heißt es in einer Überschrift zur Vorgeschichte der leiblichen Familie.

00:28:35: Also das ist die Überschrift.

00:28:37: Das ist die Überschrift.

00:28:38: Ja, stell dir das mal vor, wie ihr da sitzt und das mit der Mitarbeiterin so liest.

00:28:43: Ja, und hier steht, und das ist der erste Satz, der ist schon wirklich überraschend, die Eltern des Kindes, die ihr Leute kowatsch, Leben in Ungarn steht hier.

00:28:55: In

00:28:56: Ungarn.

00:28:57: Aber weshalb wurde Paul dann in Deutschland adoptiert?

00:29:01: Also hier geht es weiter.

00:29:02: Frau Ilse Kowatsch ist gebürtige Deutsche aus dem Landkreis Löbau in der DDR.

00:29:08: So heißt es hier.

00:29:10: Ihre eigenen Eltern und Verwandten leben noch

00:29:12: dort.

00:29:13: Pauls Mutter heißt also Ilse.

00:29:16: Sie stammt aus Sachsen und hat zu DDR-Zeiten einen Ungarn geheiratet.

00:29:21: Dazu muss jetzt zur besseren zeitlichen Einordnung erwähnt werden.

00:29:25: Paul ist nach der Wiedervereinigung geboren, im Jahr twohneunzehneunzeig.

00:29:30: Das bedeutet, die Grenzen waren da schon offen, als er zur Welt kam.

00:29:35: Er ist also in der Bundesrepublik zur Welt gekommen.

00:29:39: Seine Mutter muss aus welchen Gründen auch immer zu seiner Geburt hier in Deutschland gewesen sein und nicht in Ungarn.

00:29:46: So, und hier steht weiter.

00:29:49: Herr Josef Kowatsch ist Ungar und in dem Ort, in dem er heute mit seiner eigenen Familie lebt, geboren.

00:29:56: Also, das ist der biologische Vater von Paul.

00:29:59: Er heißt Josef Kovac.

00:30:01: Er ist Ungar.

00:30:02: Genau, und er hat mit Ilse, also mit Pauls Mutter, in seiner Heimat, also in Ungarn gelebt.

00:30:09: So, aber wenn man ganz genau hinhört, steht dann nicht mit seiner Ehefrau in der Akte, sondern mit seiner eigenen Familie.

00:30:17: Genau, und damit geht es hier in der Akte auch weiter.

00:30:20: Hier steht, die Familie Kovac lebt mit ihren beiden Söhnen.

00:30:25: Dann ist etwas geschwärzt, das werden die Namen der Söhne sein.

00:30:29: Und hier geht es weiter in normalen Verhältnissen.

00:30:32: Die Familie hatte nie viel Geld.

00:30:34: Ja, und damit steht fest, Paul hat zwei ältere Brüder.

00:30:38: Und die lebten mit seinen Eltern, Ilse und Josef, in diesem Dorf in Ungarn.

00:30:43: So, und hier geht es weiter.

00:30:45: Die Mutter, Frau Ilse Kowatsch, hat die Hauptschule bis zur zehnten Klasse besucht.

00:30:49: Sie hat dann in den Gesprächen mit der Adduktionsvermittlungsstelle als Beruf, Facharbeiterin für Schreibtechnik und Schneiderin angegeben.

00:30:57: Ihre letzte Tätigkeit hat sie mit Verkäuferin angegeben.

00:31:01: Sie verdiente ihr Geld hauptsächlich damit, dass sie kleine Decke hekelte und diese versuchte, auf dem Wochenmarkt zu verkaufen.

00:31:09: Okay, die Gespräche mit Pauls Eltern wurden geführt, als Pauls Mutter schwanger war, also in two hundred ninety-two.

00:31:17: Wenn jemand in two hundred ninety-two in Ungarn auf Wochenmärkten versucht hat, Häkeldeckchen zu verkaufen, dann kann man sich schon lebhaft vorstellen, dass da ganz wenig Geld war.

00:31:28: Ja, und dann steht hier auch noch, dass Pauls Vater Josef Schweißer war und auf Montage gearbeitet hat.

00:31:35: Und er war wohl oft unterwegs auch im Ausland.

00:31:38: Tschechien wird hier beispielsweise genannt.

00:31:41: So, und dann steht hier, ich zitiere, die Eheleute Kovac beschreiben ihr Leben mit ihren Kindern als zufrieden, aber oft durch große Geldprobleme belastet.

00:31:52: Die Mutter beschreibt sich als ruhig hilfsbereit und bescheiden.

00:31:56: Der Vater sagt, er sei ehrgeizig und resolut, Zitat Ende.

00:32:01: Also, das sind ein paar Sätze aus einer Akte, und plötzlich hat man den Eindruck, irgendwie auch so ein ganzes Leben liege vor einem.

00:32:09: Ist auch eigentlich krass, wie das beschrieben ist.

00:32:12: Eine Frau, die offensichtlich oft allein mit den beiden Söhnen war und die irgendwelche kleinen selbstgemachten Hekeldeckchen auf Wochenmärkten versucht hat, zu verkaufen und die jetzt erneut zum dritten Mal schwanger ist.

00:32:27: Ja, und nun geht es in den Akten um die Gründe für die Adoption und vor allem nennt Ilse Kovac finanzielle Schwierigkeiten.

00:32:35: Doch auch ihr Alter scheint ein entscheidender Faktor gewesen zu sein.

00:32:39: Zwar ist ihr genaues Geburtsdatum in den Unterlagen nicht vermerkt, aber aus verschiedenen Angaben lässt sich ableiten, dass sie über vierzig Jahre alt gewesen sein muss, als sie Paul zur Welt brachte.

00:32:50: Auch Irman Josef nennt sein Alter als eine der Gründe, die zur Entscheidung für eine Adoption geführt haben.

00:32:57: Ja und in den Akten steht außerdem noch, dass Ilses Familie in einem Ort in der Nähe von Löbau, also logischerweise dann in Deutschland lebte, jedoch genauso wie Ilse jetzt in Ungarn, dort in ärmlichsten Verhältnissen.

00:33:11: Also auch ihre Verwandten waren daher nicht in der Lage, die schwangere Ilse zu unterstützen.

00:33:17: Zu den Geldproblemen und der Sorge, zu alt für ein weiteres Kind zu sein, kommen noch Eheprobleme zwischen Ilse und Josef.

00:33:25: In den Akten heißt es dazu, Zitat, ganz offensichtlich, so steht es hier, war die Kindesmutter durch die finanziellen Schwierigkeiten, aber auch durch die Eheprobleme und den Druck ihres Ehemannes sehr belastet, Zitat Ende.

00:33:42: Wenige Wochen nach diesem Gespräch, das hier protokolliert ist, kam Pauls Mutter Ilse wieder nach Deutschland und sprach noch einmal bei der Adoptionsvermittlungsstelle vor.

00:33:53: Da lebte sie schon in Scheidung.

00:33:55: Ihre beiden Söhne in Ungarn waren dem Vater zugesprochen worden und wohnten bei dessen Mutter, also bei ihrer ungarischen Oma.

00:34:05: Ja, was für eine Familiengeschichte.

00:34:07: Und dann musst du dir vorstellen, dass der Paul da jetzt im Jugendamt sitzt.

00:34:10: und das da sich so alles sozusagen reinziehen muss und damit konfrontiert wird.

00:34:16: Vor allem halt auch mit dieser sehr tragischen Lebensgeschichte der Mutter.

00:34:20: Ja.

00:34:21: Was ich über sie gelesen habe, zeigt immer wieder, dass es ihr unheimlich schwer gefallen ist.

00:34:28: Das beschreibt auch die zuständige Sachbearbeiterin in einem Schreiben da drinnen.

00:34:35: Paul ist tief erschüttert von dem, was er gerade erfahren hat.

00:34:38: Das ist alles viel zu viel für ihn.

00:34:40: Die Probleme seiner Mutter belasten ihn.

00:34:42: Er kann das alles gar nicht richtig einordnen.

00:34:45: Ihre Armut, der ständige Druck, die anstehende Scheidung.

00:34:49: Und dann noch die Tatsache, dass ihre älteren Söhne dem Vater zugesprochen wurden.

00:34:54: Und nicht mehr bei ihr, sondern bei ihrer Schwiegermutter aufwuchsen.

00:34:57: Und dann musste sie noch ein weiteres Kind, also Paul, zur Adoption freigeben.

00:35:02: Ja,

00:35:02: das ist sehr viel.

00:35:04: Für einen Menschen.

00:35:05: Sie hatte eigentlich gar keine Chance.

00:35:07: Ja, der Termin im Jugendamt ist damit beendet und die Mitarbeiterin kann sonst nichts mehr für Paul tun.

00:35:15: Ich bin draußen vor der Tür in Tränen ausgebrochen und war wirklich fix und fertig.

00:35:21: Ich konnte das Ganze nicht verstehen.

00:35:25: dass mein Vater mich nicht wollte und meine Mutter erst sehr spät in die Adoption eingewilligt hat, hat mir gezeigt, dass meine Mutter sich sehr, sehr schwer getan hat, einfach mit der ganzen Situation.

00:35:37: Und das hat mir wirklich das Herz zerrissen.

00:35:41: Paul versucht tief durchzuatmen, doch seine Gedanken überschlagen sich.

00:35:47: Also, ich hab mich tatsächlich die nächsten drei Tage erst mal selbst krankgeschrieben in der Schule.

00:35:55: Weil meine Gedanken waren komplett bei dieser Adoption und haben sich auch komplett um diese Informationen gedreht, tatsächlich.

00:36:04: Um keine Auffälligkeiten zu zeigen, bin ich morgens zur Schulzeit los.

00:36:09: Bin aber nicht zur Schule gefahren, sondern bin ans Wasser gefahren und hab mich da hingesetzt und hab nachgedacht.

00:36:15: Immer wieder nachgedacht, wie man ein Kind weggeben kann und das nicht wollen kann.

00:36:24: Ja, das hat er halt alles auch heimlich gemacht.

00:36:26: Also er hat niemandem erzählt, wo er sich so aufhält und dass er da eine halbe Tage rum sitzt

00:36:32: und rübeln.

00:36:32: Er hat sich abgekapselt von seinen Adoptiveltern.

00:36:35: Voll.

00:36:35: Jetzt könnte man natürlich oberflächlich sagen, das ist auch irgendwie egoistisch und undankbar gegenüber den Adoptiveltern, weil die waren ja liebevoll zu ihm, haben ihm Schutz und Fürsorge gegeben.

00:36:46: Aber das ist ein bisschen zu einfach.

00:36:48: Also er kann es halt einfach nicht... wegstecken und er kriegt es auch nicht in Einklang.

00:36:53: Er hätte jetzt eigentlich schon therapeutische Begleitung wahrscheinlich gebraucht.

00:36:57: Er hat es mit sich allein ausgemacht.

00:37:00: und dass er sich so abkapselt, das ist dann ein Schutzmechanismus.

00:37:03: Er muss erstmal verstehen und einordnen und sich ordnen, bevor er überhaupt wieder irgendwie glaube ich Nähe zulassen kann.

00:37:12: Er muss jetzt seinen eigenen Weg gehen.

00:37:14: Ja, er muss seinen Weg gehen, aber er kann zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, dass eine jahrelange Suche vor ihm liegt.

00:37:21: Eine Suche, bei der er immer wieder mit Rückschlägen konfrontiert wird und ihn oft verzweifeln lässt.

00:37:27: Paul beendet die Schule und er verlässt direkt sein Elternhaus.

00:37:30: Er zieht aus, denn er braucht Abstand zu seiner Familie und zwar räumlichen Abstand.

00:37:36: Und er beginnt mit einer Ausbildung zum Krankenpfleger.

00:37:39: Aber er nimmt die quälenden Fragen, die ihn so belasten, mit in sein neues Leben.

00:37:44: Wer sind seine Eltern, wo sind sie und was bedeutet er ihnen?

00:37:49: Durch meine Ausbildung habe ich dann erst mal auch gesagt, ich muss mich jetzt auf die Ausbildung konzentrieren.

00:37:55: Ich habe dafür keine Zeit, weil es mich auch zu sehr bewegt hat, immer wieder diese Akte zu sehen.

00:38:02: Das hat unheimlich weh getan, darauf zu gucken und dann habe ich sie tatsächlich auch erst mal im Schrank verstaut.

00:38:10: Dazu kommt natürlich noch, dass Paul ein halbes Jahr vorher gedacht hat, er würde sterben.

00:38:14: Und diese existenzielle Erfahrung hatte im Trubel der Ereignisse ebenso wenig verarbeiten können wie das Thema seiner Herkunft.

00:38:23: Und Aldes drückt auf ihn und zieht an ihm und fordert schließlich seinen Preis.

00:38:28: Dann irgendwann kam es auch zum kompletten Zusammenbruch für mich und ich musste dann erst mal mich stationär aufnehmen lassen, weil ich nicht mehr weiter wusste, wie es weitergehen kann.

00:38:39: Ich musste auch erst mal wieder Stabilität im Alltag finden.

00:38:43: Es war wirklich schon schwer, morgens überhaupt ein Kaffee zu trinken.

00:38:47: Weil ich einfach so erschöpft war, von den ganzen Erlebnissen einfach der letzten Jahre, sich daraus zu kämpfen und zurückzukämpfen, das war ein schwerer Weg.

00:39:00: Aber Paul schafft es schließlich wieder Boden unter den Füßen zu finden und er setzt seine Ausbildung fort.

00:39:07: Und er lernt Lene kennen.

00:39:08: die dieselbe Ausbildung macht wie er.

00:39:11: Zwischen den beiden entwickelt sich schnell eine besondere Verbindung.

00:39:15: Paul verliebt sich und auch Lene fühlt sich zu dem stillen und nachdenklichen jungen Mann hingezogen, der schon so viel erlebt hat.

00:39:23: Paul spürt zum ersten Mal seit Langen wieder ein bisschen Leichtigkeit und Lene ist eine ständige und wichtige Stütze an seiner Seite.

00:39:32: Gemeinsam beginnen sie, ihre Zukunft zu planen.

00:39:35: Als die beiden heiraten, ist Paul zweiundzwanzig Jahre alt.

00:39:39: Nun hat Paul genug Kraft, um nach seiner Mutter und nach seinen Brüdern zu suchen.

00:39:43: Er ruft noch einmal beim Jugendamt an und bittet die Sachbearbeiterinnen um Unterstützung.

00:39:48: Sie sagt ihm zu, die ungarische Botschaft zu kontaktieren und alles Notwendige in die Wege zu leiten.

00:39:55: Paul spürt eine Mischung aus Nervosität und Hoffnung.

00:39:58: Wie schon bei seiner Hochzeit mit Lene hatte das Gefühl, dass sein Leben nun nicht länger von anderen bestimmt wird, dass er nicht mehr entmündigt ist und seine Bedürfnisse endlich zählen.

00:40:09: Doch die Anfrage bei der ungerischen Botschaft bringt kein Ergebnis.

00:40:13: Dort kann man nicht weiterhelfen.

00:40:15: Und Paul steht nun wieder mit leeren Händen da.

00:40:18: Dass alles nicht so einfach ist, wie ich mir das vorstelle, hat mich alles sehr gestört.

00:40:25: Und hab ich dann auch ... Irgendwo erst mal aufgegeben und habe dann meiner Frau gesprochen da drüber und hab dann halt gesagt, ja, dann ist es vielleicht so.

00:40:36: Und hab dann auch irgendwo damit versucht, meinen Frieden zu finden.

00:40:41: Aber Paul findet keinen Frieden.

00:40:44: Und deshalb sucht er nach einiger Zeit auf eigene Faust weiter.

00:40:48: Nächtelang durchforstet er das Internet.

00:40:51: Die Namen seiner Eltern kennt er, Ilse und Josef Kowatsch.

00:40:54: Doch er findet nichts.

00:40:56: Auch bei der Suche nach seinen Brüdern kommt er nicht voran.

00:40:59: Von ihnen kennt er ja noch nicht einmal die Vornamen, ihre Namen sind ja in der Akte geschwärzt.

00:41:05: Und Kovac ist ein sehr häufiger Name in Ungarn.

00:41:08: Schnell wird Paul klar, dass er auf diesem Wege kaum eine Chance hat, seine Familie zu finden.

00:41:14: Er ist nervös und angespannt, denn er weiß, dass seine Mutter schon älter war, als sie ihn zur Welt brachte und die Sorge zu spät zu sein belastet ihn sehr.

00:41:24: Paul weiß, dass er gegen die Zeit arbeitet und er spürt, dass da etwas ist, das ihn zur Eile

00:41:31: treibt.

00:41:32: Paul nimmt über das Internet Kontakt zu verschiedenen Gruppen auf, in denen sich Menschen mit einem ähnlichen Schicksal austauschen.

00:41:39: Menschen, die Angehörige in Ungarn suchen und die zum Teil ebenfalls adoptiert wurden.

00:41:45: Und Menschen, die sich für die Rechte Adoptierter einsetzen.

00:41:49: Aber er kommt nicht weiter.

00:41:51: Paul telefoniert noch einmal mit dem örtlichen Jugendamt, und dann noch einmal mit dem Landesjugendamt.

00:41:57: Er hofft, dass das Landesjugendamt ihn bei seiner Suche im Ausland unterstützen kann.

00:42:03: Doch auch die Bemühungen des Landesjugendamtes verlaufen ihm nichts.

00:42:06: Von Pauls Mutter fehlt jede Spur.

00:42:09: Pauls Anfragen in verschiedenen Einwohnern melde und Standesämtern ergeben darüber hinaus, dass seine Mutter sich nach seiner Geburt nie wieder in Deutschland angemeldet hat.

00:42:19: Auch Pauls Adoptiv-Eltern bieten jetzt ihre Hilfe an.

00:42:23: Doch sie wissen auch nicht mehr über Pauls Mutter als das, was in den Akten steht.

00:42:28: Eze Kovac hat sich, nachdem die Eltern Paul aus der Klinik abgeholt hatten, nie bei ihnen gemeldet.

00:42:35: Eines Nachmittag sitzt Paul im Garten seiner Schwiegereltern.

00:42:39: Er frustriert und spricht offen über seine jahrelange Suche und darüber, dass er inzwischen keine Idee mehr hat, was er noch tun könnte.

00:42:48: Paul ist mittlerweile sechsundzwanzig Jahre alt.

00:42:50: Er hat seine Ausbildung abgeschlossen und arbeitet jetzt als Krankenpfleger.

00:42:55: Sein Schwiegervater hat plötzlich eine Idee.

00:42:58: Da gibt es doch diese Frau, sagt er, die vermisste Familienangehörige sucht und darüber in ihrer Fernsehsendung und in ihrem Podcast berichtet.

00:43:07: Bewirb dich doch bei der Julia Leischig, sagt er zu Paul.

00:43:10: Und das hat Paul dann auch gemacht.

00:43:12: und er hat eine Mail geschrieben an uns.

00:43:15: Ja, irgendwann bekam ich dann ... Ein Anruf von einer unbekannten Nummer aus Köln.

00:43:21: Und erst mal dachte ich, nee, nicht schon wieder Werbung oder so ein Mist.

00:43:26: Und die hat aber eine Boysmail hinterlasst.

00:43:29: Auf einmal höre ich diese Nachricht ab.

00:43:32: Das war für mich wirklich so eine Befreiung, dass da jemand mit mir sprechen wollte aus der Redaktion.

00:43:39: Hieß für mich, ich krieg jetzt endlich mal Hilfe.

00:43:41: So eine gewisse Last, die von meinen Schrötern gefallen ist.

00:43:46: Du und das Team übernehmen den Fall jetzt und die Fakten werden eingeordnet.

00:43:50: Wir kennen die Vor- und Nachnamen von Pauls Eltern und wir kennen darüber hinaus den Geburtsort und den Mädchennamen von Pauls Mutter.

00:43:58: Aber der Wohnort von Ilse und Josef Kowatsch in Ungarn, der ist in der Akte, die Paul vorliegt, geschwärzt.

00:44:06: Und wir wissen, dass das Jugendamt uns die alte Adresse aus Datenschutzgründen nicht geben kann.

00:44:12: Der Name Kovac wird dir in Ungarn nicht weiterhelfen, er ist viel zu häufig.

00:44:16: Wir müssen also andere Anhaltspunkte finden, um Pauls Eltern und seine Geschwister auswendig zu machen.

00:44:22: Jede weitere Information kann nun entscheidend sein.

00:44:25: Denn nur so lässt sich die Suche gezielt eingrenzen.

00:44:33: In Ungarn mit der Suche zu starten, würde uns zu diesem Zeitpunkt nicht weiterbringen.

00:44:38: Denn wir wussten überhaupt nicht, wo wir ansetzen sollten.

00:44:41: Wir hatten nur eine Chance.

00:44:42: Wir mussten in Deutschland anfangen und hier nach Hinweisen suchen, die uns dann gezielt nach Ungarn führen würden.

00:44:49: Wir wussten, wo illses Eltern gelebt hatten.

00:44:52: Ihr Wohnort war in der Akte des Jugendamtes vermerkt.

00:44:56: In diesem Ort musste Ilze aufgewachsen sein.

00:44:59: Deshalb wollten wir versuchen, dort Spuren von ihr zu finden, also Familie, Freunde oder ehemalige Kollegen aus der Zeit vor ihrer E-Schließung und ihrem Umzug nach Ungarn.

00:45:10: Wir fuhren in diesem Ort und ich begann mit meiner Suche.

00:45:14: Ich fragte in Bäckereien Friseurleden und Kleingeschäften nach Ilze und ihrer Familie.

00:45:20: Und ich stieß auf erste kleine Spuren.

00:45:23: Ehemalige Nachbarn erinnerten sich an die Familie und sie erinnerten sich auch an Ilse.

00:45:29: Einer erzählte es dem anderen und schließlich wusste jeder im Ort, dass ich da war und nach Pauls Mutter suchte.

00:45:37: Ein alter Nachbar von Ilses Eltern meldete sich bei mir.

00:45:41: Er erzählte, dass Ilses Eltern nicht mehr lebten.

00:45:44: Geschwister hatte sie keine.

00:45:47: Und er berichtete, dass Ilze in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen war, dass ihre Familie sehr arm war und dass sie schon sehr früh viel Verantwortung übernehmen musste.

00:45:58: Er wusste nicht genau, wo Ilsin Ungarn gelebt hatte, aber erinnerte sich, dass es ganz in der Nähe einer Stadt namens Raab gewesen sein muss.

00:46:08: Raab liegt nah an der tschechischen Grenze und das passt sie wiederum zu der Information, dass Pauls Vater Josef oft in Tschechien auf Montage war.

00:46:18: Nun hatte

00:46:19: ich zumindest eine ungefähre Vorstellung davon, wo Paulds Mutter gelebt haben könnte.

00:46:25: Dann sprach mich eine Frau an.

00:46:27: Sie konnte sich erinnern, dass Ilze zu DDR-Zeiten gelegentlich mit ihren beiden kleinen Söhnen zu Besuch kam.

00:46:34: Und dass ihre Kinder mit Ilze Söhnen gespielt hatten.

00:46:37: Beide Jungen sprachen gut Deutsch.

00:46:40: Sie hatte die Namen von Ilze Söhnen vergessen.

00:46:43: Aber sie versprach ihre Tochter danach zu fragen.

00:46:46: Und so hatte ich einen Tag später die Vornamen von Ilse Söhnen.

00:46:51: Und da die Tochter mit Ilse Söhnen im Briefkontakt gestanden hatte, bekam ich auch noch eine alte Adresse der Familie Kovac aus Ungarn.

00:47:00: Ich wusste, dass Ilse nach der Scheidung von Josef Anfang der neunziger Jahre ausgezogen war und sich ein Zimmer gemietet hatte und dass ihre beiden Söhne bei der Großmutter aufwuchsen.

00:47:12: Aber ich hatte jetzt zumindest einen Ansatzpunkt.

00:47:15: Ich fuhr also nach Raab in Ungarn.

00:47:18: Das waren von Ilses Geburtsort aus knapp sechshundert Kilometer.

00:47:22: Und ich stand am folgenden Tag vor der alten Adresse der Familie Kovac.

00:47:26: Ich sprach mit alten Nachbarn.

00:47:29: Und die hatten eine niederschmetternde Nachricht für mich.

00:47:32: Pauls Mutter Ilse war schon vor über zehn Jahren gestorben.

00:47:37: Ich wusste, dass diese Information Paul dem Boden unter den Füßen wegziehen würde.

00:47:42: Nun war er zu spät.

00:47:44: Ich erhielt von den alten Nachbarn die Anschrift von Pauls Bruder Franz.

00:47:49: Und ich fuhr direkt zu ihm.

00:47:51: Franz war sehr überrascht, als er erfuhr, dass er noch einen jüngeren Bruder in Deutschland hatte.

00:47:57: Aber dann freute er sich unglaublich.

00:47:59: Er versprach, seinem Bruder Georg und seinen Vater zu informieren.

00:48:05: Ich hatte Pauls Familie in Ungarn gefunden.

00:48:14: Pauls, schlimmste Befürchtung bewahrheitet sich hier.

00:48:17: Seine Mutter, Ilse, ist tatsächlich verstorben.

00:48:21: Er hatte ja immer die Sorge, dass er zu spät kommt.

00:48:23: Und nun ist er zu spät.

00:48:26: Ja, aber sein Bruder, also Franz ... Der freute sich unglaublich auf Paul.

00:48:32: Der konnte es kaum abwarten, den jüngeren Bruder endlich kennenzulernen.

00:48:41: Ja, der Bruder, der Georg, der wurde von Franz informiert, also mit dem habe ich nicht persönlich gesprochen, doch seine Lebensumstände, die waren gerade sehr schwierig und der hat angesagt, dass er noch Zeit braucht, um die ganze Situation erst mal zu verarbeiten.

00:48:57: Und der Vater von Paul wurde der auch informiert.

00:49:00: Paul ist ja immerhin sein leiblicher Sohn.

00:49:02: Auch Pauls Vater hat um Zeit gebeten.

00:49:05: Wahrscheinlich war das alles auch sehr schwer für ihn.

00:49:08: Schließlich war er erst der damals ja auf die Adoption drängte.

00:49:12: Aus dem Gefühl heraus, zu alt, zu arm und zu erschöpft zu sein, um einem dritten Kind gerecht zu werden.

00:49:19: Die Scheidung stammt bevor, das Leben war aus den Fugen geraten.

00:49:23: Und jetzt kommt die ganze Vergangenheit auf ihn zu und überrollt ihn.

00:49:28: Nun steht er vor der Aufgabe, einem Sohn zu begegnen, den er bewusst weggegeben hat.

00:49:35: Also der Franz ist jedenfalls völlig aufgeregt, dass er plötzlich einen kleinen Bruder hat und er spricht auch noch Deutsch.

00:49:41: Das hatte ihm die Mama die Ilze beigebracht.

00:49:45: Ich wollte erstmal nicht glauben,

00:49:47: dass so was gibt, dass mein Bruder adoptiert wurde.

00:49:50: Ich war erstmal sehr traurig.

00:49:52: hab ich auch

00:49:52: sofort

00:49:53: meinen Vater danach angerufen, ob er davon gewusst hat oder

00:49:56: wie war das

00:49:57: eigentlich.

00:49:58: Aber wo mir erzählt

00:49:59: wurde ist, dass meine Bruder gut geht, er wurde adeptiert und dann ist zu meiner gute Familie gekommen, war meine Herd schon ein bisschen leichter.

00:50:08: Und dann hab ich auch sofort

00:50:09: an meine Mama gedacht,

00:50:12: wie das passierte, was da los war.

00:50:14: Ich weiß, weil meine Eltern haben sich

00:50:16: entschieden.

00:50:17: Und in dieser Zeit hatten meine Eltern

00:50:19: viel Stress gehabt.

00:50:21: Das weiß ich.

00:50:22: Und dann war mein Mama auch so für ein Jahr oder anderthalb Jahr irgendwie weg.

00:50:27: Und wahrscheinlich ist das dann da passiert.

00:50:29: Ich habe mich natürlich gefreut.

00:50:31: Familie ist bei

00:50:31: uns sehr, sehr wichtig.

00:50:33: Und der ist auf jeden Fall mein

00:50:35: Gehör zum Familie.

00:50:37: Als du wieder zurück in Deutschland warst, haben wir Paul angerufen bzw.

00:50:41: wir haben versucht ihn anzurufen.

00:50:45: Der Anruf kam sehr unvorbereitet für mich.

00:50:48: Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, war schon auf dem Weg zum Auto, wollte zum Speldienst zu arbeiten.

00:50:54: Und plötzlich kriegte ich dann eine Nachricht, sie möchte mal mit mir sprechen.

00:51:00: Und da war schon ein sehr großes Gefühlstausch bei mir.

00:51:05: Ich habe dann erstmal meine Frau angerufen, habe ihr davon erzählt.

00:51:10: Und die hat dann auch gesagt, jetzt setze ich erst mal ins Auto, atme einmal durch.

00:51:14: Und dann rufst du sie an.

00:51:17: Paul erfährt nun alles, dass seine Mutter verstorben ist, dass du seine Brüder und seinen Vater finden konntest und dass einer dieser Brüder und seinen Vater noch Zeit bräuchten, bis sie mit ihm in Kontakt treten wollten.

00:51:31: Ganz viele Steinenanlast, die einfach von mir abgefallen sind.

00:51:37: Und trotzdem hat es mir einerseits wehgetan, weil ... Ich hab erfahren, dass meine Mutter schon seit zehn Jahren verstorben ist.

00:51:46: Ich

00:51:47: hatte dann aber auch eine super tolle Nachricht bekommen, dass mein einer Bruder mich gerne kennenlernen möchte.

00:51:55: Das war so überwältigend für mich.

00:51:58: Ja, und Paul und sein Bruder, der Franz, die haben noch am selben Tag telefoniert.

00:52:04: Und Paul sagt darüber, das war so vertraut, wie einen nach Hause kommen für ihn.

00:52:12: Und der Stand ist da jetzt, dass sie sehr, sehr oft telefonieren.

00:52:16: Eigentlich

00:52:17: fast täglich, muss man sagen.

00:52:19: Und dass das Treffen jetzt ganz schnell geplant ist.

00:52:22: Da bin ich sehr gespannt.

00:52:24: Ja, und der Rest der Familie, die anderen beiden, die brauchen einfach ihre Zeit.

00:52:30: Und das lassen wir an der Stelle auch so stehen.

00:52:33: Jeder hat sein Tempo.

00:52:35: Für Paul hat sich viel geordnet, seit er den Kontakt zu seinem leiblichen Bruder in Ungarn aufgenommen hat.

00:52:42: Das Verhältnis auch zu seinen Adoptiveltern hatte sich auch davor schon wieder ein bisschen entspannt.

00:52:49: Doch erst jetzt ist Paul bereit, irgendwie alles miteinander zu verbinden.

00:52:53: Jetzt ist die Zeit dafür.

00:52:55: Herkunft und Zukunft und Verletzung und Liebe.

00:52:59: Für ihn musste sich dieser Kreis schließen und das ist passiert.

00:53:04: Und jetzt trifft letztendlich der alte Paul auf den neuen Paul und es fügt sich alles zusammen.

00:53:12: Und das finden wir richtig gut und wir freuen uns für ihn.

00:53:16: Sylvie, ganz ganz lieben Dank fürs miterzählen, wie immer.

00:53:19: An

00:53:20: dich auch, vielen Dank.

00:53:21: Und wenn ihr weitere Informationen zu dieser Folge lesen wollt, findet ihr das in den Show-Notes.

00:53:29: Oder ihr könnt uns schreiben unter info-edge-spurlos-podcast.de.

00:53:34: Und ich weiß, dass Weihnachten vor allem für die Menschen, die heute alleine sind, aus welchen Gründen auch immer, ein ziemlich schwieriger Tag sein kann.

00:53:44: Und deswegen schicken wir jetzt gerade all unsere guten Gedanken an alle Menschen, die alleine sind.

00:53:52: Und ich sage das jetzt einfach mal auch im Namen unserer Zuhörerschaft, auch die, die jetzt gerade zuhören, die schicken euch alle guten Wünsche.

00:54:03: Und euch allen da draußen wünschen wir von Herzen frohe Weihnachten.

00:54:10: Dank an euch fürs Zuhören.

00:54:12: Bis ganz bald und passt aufeinander auf.

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